Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Evangelium des 29. Sonntag im Lesejahr B (Markus)

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28. Mai 2008 - Sankt Georgener Messe, Frankfurt/Main

1. Plätze

"Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind."

Es ist nachvollziehbar, dass Jakobus und Johannes wissen wollen, wo ihr Platz ist. Sie wären nicht die ersten, die Gott fragen, welche Plätze für sie bereitet sind. Natürlich, es erscheint uns heute unanständig, dass sie geradeheraus nach den besten Plätzen fragen. Aber mit 8 Tagen Exerzitien und regelmäßiger geistlicher Begleitung könnten sie trainieren, das Ansinnen künftig konformer zu verpacken.

Gibt es Menschen, die sich diese Frage nicht stellen? Kann man so durchs Leben schliddern, dass man sich nie danach fragt, ob es da einen Platz für mich gibt, eine Aufgabe, wo ich am rechten Ort bin und meine Fähigkeiten nicht ganz ungenutzt bleiben? Vielleicht kann man so leben. Aber es wäre ein Leben ohne Gott. Ich könnte mich stoisch annehmen als zufälliges Produkt einer ziellosen Evolution. Aber wenn es einen Gott gibt, zu dem wir zu Recht als unserem Vater im Himmel beten, dann glaube ich daran, dass mein Leben einen Sinn und eine Richtung hat - oder zumindest haben kann. Daher ist die Frage und Suche nach dem Platz im Leben sinnvoll.

Wenn es aber diesen einen Gott gibt, dann wird mein Leben dann zur Fülle kommen, wenn ich nicht gegen, sondern mit Gott meinen Weg suche. Dann ist es sinnvoll, nach dem Willen Gottes zu fragen. Und es ist erlaubt, die Hoffnung zu haben, dass dieser Platz ein guter ist, der mir gut tut.

2. Nachfolge

"Ihr wisst nicht, um was ihr bittet."

Es klingt nicht vorwurfsvoll, wenn Jesus das sagt. Jesus hört aus der Frage der beiden Jünger nach den Plätzen zur Seite Jesu nicht nur das Streben nach den besten Plätzen. Er hört auch das Streben danach, ihm nahe zu sein. Jakobus und Johannes sind schon weit mit ihm gegangen. Das Evangelium betont, dass Jesus voraus geht. Im Vertrauen auf ihn gehen sie mit, auch wenn seine Zielstrebigkeit nach Jerusalem Verwunderung, ja Angst hervorruft. Das Wort vom Kreuz war schon gefallen.

Die beiden wissen nicht um die letzte Konsequenz ihrer Bitte. Aber wer von uns weiß das! Ja, wenn wir darum bitten: 'Gott gib uns die bequemsten, schönsten, sonnenbeschienensten und harmlosesten Plätze', dann haben wir eine Vorstellung davon wie sich die Plätze anfühlen. Wenn wir aber darum bitten, dass unser Leben einen Sinn habe, dass wir etwas Sinnvolles tun dürfen mit unseren Fähigkeiten und Interessen, dann mag darin mehr das Abenteuer des Glaubens liegen, von dem wir nicht wissen, wohin er uns führt.

Obwohl, eine gewisse statistische Wahrscheinlichkeit gibt es schon. Wir wissen ja - oder sollten es wissen -, "dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen". Wenn wir uns daher nicht als Ideal vorstellen, mit den Wölfen zu heulen und uns jedem anzubiedern, der als mächtig gilt, dann kann es leicht sein, dass ein sinnvolles und erfülltes Leben kein bequemes und angenehmes sein wird. Jesus ist es so ergangen.

3. Taufe und Kelch

"Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde."

Jesus spürt und weiß, wohin die Nachfolge diese beiden Jünger führen wird. Das Trinken des Kelches ist ein klares Bild für ein Schicksal, das den frühen, gar gewaltsamen Tod bereit hält. Das Bild der Taufe lässt an die bedrohlichen Fluten denken, die über den beiden zusammenschlagen werden. Für Jakobus und Johannes, so legt es die Stelle nahe, ist die Nachfolge Jesu, dass sie sehr konkret den Weg gehen werden, den er voran gegangen ist. Sie werden es tun, weil ihr Ziel ist, bei ihm zu sein.

Muss das aber immer gleich das Kreuz sein? Auch wenn für die frühe Kirche vor allem die Blutzeugen als Zeugen des Glaubens galten, war doch nie die Meinung, nur wer das gewaltsame Schicksal Jesu erleidet, könne ihm nachfolgen. Im Gegenteil beten wir doch in jeder Messe für die Kirche nicht nur um Einheit, sondern auch um Frieden. Aber gerade in der relativen Harmlosigkeit meiner Nachfolge, gerade auf der Suche nach meinem Platz im Leben, hilft es, die Radikalität des Kreuzes in den Blick zu nehmen. Denn im Blick auf das Kreuz (ignatianisch: in der Dritten Woche der Exerzitien) bewährt sich meine Berufung, meine Suche nach meinem Platz im Leben. Wenn dieser Weg auch angesichts des Kreuzes standhält, dann sollte er auch im Frieden, den ich mir wünsche, der richtige sein.

In jedem Fall aber will ich Jesus nachfolgen. Er ist vom Vater gekommen, um uns voran zu gehen. Es wird mein Weg sein. Ich hoffe es gelingt mir, dabei auf Gott zu hören. Ich hoffe, dass Gott mit meinen Talenten und Gaben, meinen Hoffnungen und meiner Sehnsucht etwas anfangen wird. Der Weg hat doch begonnen, wo ich auf die bittere Taufe Jesu in der süßen Taufe der Widergeburt gewaschen wurde. Den Weg, den Jesus voran gegangen ist, kann ich doch gehen, denn der bittere Kelch, den er getrunken hat, ist uns zum Brot geworden, das uns verbindet und nährt und zum Sakrament der Freude wird in Gott. In ihm sind wir geborgen. So oder so. Amen.