Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2018 (Lukas)

Zurück zur Übersicht von: 3. Sonntag der Osterzeit B

15. April 2018 - Aloisisuskolleg, Internat, Bonn-Bad Godesberg

Steven Spielberg trägt am Ende vielleicht etwas dick auf, wenn er mit pädagogisch-mahnend erhobenen Zeigefinger als Moral der Geschichte das Lob der Spielpause singt (Dienstag und Donnerstag wird das gigantische globale Computersiel OASIS einfach abgeschaltet). Aber ansonsten ist das Verhältnis von realer zur virtueller Welt doch das zentrale Motiv dieses spannenenden Films. Und am Ende ist es immer das Lob des Realen, für das der Film Ready Player One (2018) sich entscheidet.

1. Unendlichkeit und Auferstehung

  • Seit zwanzig Jahren gibt es verrückte Theorien über die Möglichkeit von Auferstehung von den Toten: "Die Physik der Unsterblichkeit." Grob gesagt wird da versprochen: Wenn der Mensch seine Persönlichkeit von schnödem biologischem Fleisch auf Bits und Bytes überträgt, wird er, ja die ganze Welt unendlich leben. Man muss das nicht ernst nehmen, sollte aber wissen, dass es große Software-Konzern gibt, die Forschung in diese Richtung finanzieren; die wittern die Chance, mit der Auferstehung von den Toten Geld zu verdienen.
  • Demgegenüber fällt auf, dass ist dem ganzen Osterevangelium heute das Wort "Auferstehung" gar nicht vorkommt. Es wird vielmehr ausführlich von Begegnung der Apostel und Jünger mit Jesus berichtet. Und diese wie andere Begegnungen sind nicht unendlich, dauern nicht immer fort. So sehr die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus in Raum und Zeit sind, so sehr sind sie nicht ewig andauernd. Denn Auferstehung meint für Christen nicht, dass das bisherige Leben irgendwie weiter geht, ohne Grenze. Im Gegenteil. Das wäre die Hölle.
  • Die Vorstellung, dass mein Gehirn, mein Erleben und Denken ein einen Supercomputer ausgelagert wird und dann ohne Ende weiter geht, ist für mich ein Schreckensszenario. Ganz abgesehen davon, dass ich mir erst einmal ein Leben in mehr Würde für die begrenzten Jahre und für alle Menschen auf der Erde wünsche, bevor eine kleine Elite Milliarden ausgibt, um ihr ach so wertvolles Ego ohne Ende zu erhalten.

2. Leben in der virtual reality

  • Aber ist die Auferstehung nicht doch so etwas, wie in eine virtuelle Welt einzutauchen? Man wäre dann jede irdische Begrenzung los. Jeder könnte jeden beliebigen Körper annehmen; Avatare sind nicht eingegrenzt wie wir in unserem Körper. Diese Auferstehung könnte doch hier und jetzt schon beginnen.
  • Die Technik kann es doch jetzt schon möglich machen, dass meine Augen eine virtuelle Welt sehen, meine Ohren virtuellen Sound hören. Wenn ich mich auf einem Laufband bewege, bewegt sich mein Avatar. Er ist ich und ich bin er. Es braucht dann nur noch Ganzkörperanzüge, damit ich jede Berührung in der virtuellen Welt an meinem eigenen Körper spüre; vielleicht kann man Tritte ans Schienbein etwas abmildern, aber dennoch es wie echt fühlen lassen, wenn mich jemand in der virtuellen Welt - zum Beispiel - hinter den Ohren krault. Und irgendwann vielleicht ist die Technik so weit, dass es die 3D-Brillen, die Kopfhörer und die Körpersensoren nicht mehr braucht, und ich nur noch den Stecker einstecken und online gehen muss, um sinnliche Eindrücke direkt im Gehirn zu simulieren und in einer Welt unbegrenzter Möglichkeiten zu leben. Wäre das nicht der Himmel? Ist so nicht Auferstehung zu neuem Leben?
  • Ich wäre mir da nicht so sicher. Denn erstens würde auch das aufwendigste game und die xte Verkörperung in einer neuen Identität irgendwann tödlich langweilig, weil letztlich nichts gilt, wenn alles möglich ist. Und zweitens: Worin ist die Wahrheit eines solchen Lebens, wenn das Eintauchen in virtuelle Welten nicht mehr Zeitvertreib nach der Schule ist, sondern das ganze Leben sein soll?

3. Himmlische Mahlzeit

  • Es ist verblüffend, woran Jesus, der Auferstandene, deutlich machen will, dass er nicht ein Avatar des virtuellen Himmels ist. Er sagt: "Habt ihr etwas zu essen hier?". Und er isst vor den Augen ein Stück gebratenen Fisch. So faszinierend ist kein Computerspiel, dass man nicht irgendwann auch mal was essen will - und vielleicht aufs Klo muss. Das ist Schluss mit virtueller Welt.
  • Wenn wir aber Jesus sehen, wie er den Fisch isst, erinnert das daran, dass ganz oft, wenn Jesus vom Himmelreich sprach, er Bilder gebrauchte, bei denen gemeinsam gegessen wird. Ein Hochzeitsfest, ein himmlisches Gastmahl, das sind nur Bilder, Symbole. Aber diese Bilder machen den ganzen Unterschied deutlich.
  • Denn hier treffen reale Menschen zusammen und begegnen einander. Und dieser Augenblick, dieser Punkt in der Zeit, wo Begegnung stattfindet, meint die Auferstehung und das ewige Leben. So wie in der Liebe zweier Menschen Augenblick und Ewigkeit zusammenfallen und Raum und Zeit relativ werden, können wir am ehesten beschreiben, was da an Ostern geschehen ist: Da ist einer, den der Hass an das Kreuz genagelt und ermordet hat, dennoch nicht aus der Treue Gottes gefallen, sondern lebt. Er lebt in der Begegnung mit Gott und in der Begegnung mit den Menschen, die er kannte. Er lebt in der Begegnung mit jedem, der sich in Glaube, Hoffnung und Liebe auf ihn zu bewegt. Er lebt in dem Moment, in dem ich lebe - und in dem Moment, in dem ein jeder Mensch in seinem Sterben der Liebe mehr vertraut, als der Versuchung immer nur mit dem bisherigen weiter zu machen. Von daher hat vom Himmel mehr erlebt, wer es schafft, auch mal das Computerspiel abzuschalten und mit netten Menschen ein Stück gebratenen Fisch zu essen. Amen.