Predigt zum 3. Sonntag im Lesejahr B 2021 (1. Korintherbrief)
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24. Januar 2021 - Kapelle im Gemeinschaftskrankenhaus St. Petrus, Bonn
1.Beziehungen
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Je mehr wir es wollen, desto weniger gelingt es. Das
klingt nicht nur wie ein Widerspruch, das ist einer. Ein Beispiel
dafür ist Partnerschaft, Ehe und Familie.
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Über die letzten Jahrzehnte ist statistisch
eindeutig belegt, dass die Wertschätzung für Ehe und
Familie zugenommen und nicht abgenommen hat. Doch fast in demselben
Maße, wie diese Wertschätzung zugenommen hat, muss
beobachtet werden, dass Beziehungen häufiger zerbrechen. Je mehr
wir es wollen, desto weniger gelingt es.
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Es gibt dafür einen äußeren Grund.
Dieselben Bedingungen, warum Treue und Familie seltener gelingen,
lassen die Sehnsucht danach wachsen.
Es ist der offenbar
gnadenlos immer weiter zunehmende Druck, effizienter zu werden, um
nicht zurück zu bleiben. Es ist die immer komplizierter werdende
Welt um uns herum. Das belastet Ehe und Familie, das macht sie aber
gerade für junge Leute auch zu etwas, und nachdem sie sich
sehnen.
Die äußeren Gründe werden wir einzelne
nicht ändern können. Das ist eine große
gesellschaftliche Aufgabe. Es bräuchte dazu eine Revolution.
Aber wie steht es um die inneren Gründe?
2. Vergötterung
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Der innere Grund, warum es vorkommen, dass etwas immer
weniger gelingt, je mehr ich es will, liegt vielleicht in meiner
religiösen Einstellung.
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Wo die partnerschaftliche Liebe an die Stelle Gottes
tritt, wo die Liebe zu einem Gott erklärt wird, dort wird sie
notwendig daran scheitern. Wenn der Partner vergöttert wird, ist
die Messlatte so hoch gelegt, dass er daran nur scheitern kann. Wenn
die Familie alles leisten soll, was an äußerem Druck auf
uns kommt, dann ist es kein Wunder, wenn sie zerbricht. Wenn die privaten Beziehungen das Wunder vollbringen sollen, den Druck durch die Welt drumherum zum Verschwinden zu bringen, wird die Enttäuschung auf dem Fuße folgen.
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All das hatte der Apostel Paulus natürlich nicht
im Sinn, als er den Abschnitt aus dem Korintherbrief geschrieben hat,
der unsere heutige Lesung war. Und trotzdem ist es wie für uns
geschrieben. Paulus, so denke ich, liefert uns den Schlüssel.
3. Christus erst
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In dem Abschnitt, den wir aus dem ersten Korintherbrief
gehört haben, rät Paulus dazu, die Beziehung zu den Dingen
und Menschen, die uns umgeben, immer so zu gestalten, als hätten
wir sie nicht. Sein Argument ist, dass die vielen Beziehungen, in
denen wir leben, und die Dinge, die wir besitzen, vorübergehend
sind. Das Bleibende aber ist die Beziehung zu Christus.
Allzu oft
ist das als Abwertung von Beziehungen oder eine Geringschätzung
der Welt interpretiert worden. Aber während es bei allen anderen
Dingen so ist, dass, wenn wir das eine an erste Stelle
setzen, automatisch das andere an zweite Stelle rückt, ist
es nicht so mit Gott. Gerade die kleinen und unscheinbaren Dinge
werden wertvoll und bedeutend, wenn wir nicht sie, sondern Gott an
erste Stelle setzen. So ist Gott auch in der Ehe nie (wie man es bei
frommen Leuten manchmal hört und wie der Tyrann Dionysius bei
Schiller) der „Dritte im Bunde“, sondern - wenn schon -
der Erste! Tatsächlich aber macht es überhaupt keinen Sinn
so zu sprechen, denn Gott trägt die Liebe zwischen zwei Menschen
und tritt nicht in Konkurrenz dazu.
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Dinge besitzen und Beziehungen pflegen, als ob wir sie
nicht besäßen, ist präzise nur dann nicht zynisch,
wenn die Beziehung zu Gott jeweils an der ersten Stelle steht. Nur so
kann man Paulus verstehen. Alles andere wäre tief unchristlich,
weil es den anderen nicht wertschätzt und letztlich auf
Heuchelei hinausläuft.
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Aber wenn Gott in Jesus Christus an erster Stelle
steht, dann kann es gelingen, die Beziehungen in Partnerschaft, Ehe
und Familie auch dort lebendig zu leben, wo die äußeren
Belastungen steigen. Die Partnerin oder der Partner, die Kinder oder
die Eltern müssen dann nicht Gott für mich sein, sondern
sind ein Geschenk, das Gott mir gegeben hat – auch wenn es wie
alles in dieser Welt vorübergeht. Das können alle die
bestätigen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Durch
den Tod der Partnerin oder des Partners wird die Liebe oft nicht
geringer, sondern manchmal im Gegenteil. Dort wo es gelingt, die Liebe zu Menschen hinein zu nehmen in die Liebe, mit der wir uns von Gott
lieben lassen und mit der wir versuchen Gott zu lieben, haben wir in
dieser göttlichen Liebe das Bleibende, das alles andere trägt
und fruchtbar macht. Amen.