Predigt zum 3. Sonntag im Lesejahr C 2010 (Lukas)
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24.01.2010 9.30 und 11.30 Uhr - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Fortsetzung folgt
- Wenn ein Musikstück in der Mitte abbricht, hat das einen Effekt. Wer
den Text des ganzen Abschnittes aus dem Evangelium, das wir gehört haben,
kennt, dem wird sofort auffallen, dass da die zweite Hälfte fehlt. Eigentlich
ist sogar die Pointe abgeschnitten: Dass Jesus in seiner Heimatstadt Ablehnung
findet. Die Leute können es nicht ertragen, dass einer aus ihrer Mitte
die Erfüllung des Prophetenwortes sein soll.
- Wenn diese Pointe fehlt, provoziert das unsere eigene Pointe. Die Geschichte
ist noch einmal offen. Das wird noch dadurch verstärkt, dass in der Auswahl
der Leseordnung für das Evangelium am heutigen Sonntag zu dem Stück
aus Nazareth die Verse ganz vom Anfang des Lukasevangeliums genommen wurden.
Damit findet sich im ersten und im letzten Vers des Evangeliums ein Wort:
"erfüllen". Lukas berichtet, "was sich unter uns ereignet
und erfüllt hat", und verweist auf Jesus, der von sich sagt, dass
in ihm sich die Verheißungen des Propheten Jesaja erfüllen: "Heute
hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt".
- Wie also geht die Sache weiter? Jesus tritt uns entgegen und sagt, dass
sich das Schriftwort erfüllt hat, und zwar nicht gestern, als er durch
Galiläa zog und predigte und heilte, sondern "heute", wenn er
hier unter uns ist. Die Bandbreite möglicher Reaktionen ist groß:
Protest, Zustimmung, Desinteresse, Jubel oder Wut, weil einer das von sich
behauptet.
2. Heute
- Mit Jesus erfüllt sich die Verheißung. Aber in dem "heute"
steckt etwas Besonderes. Denn Jesus ist nicht die Erfüllung eines Wahlversprechens
Gottes. So als hätten wir statt SPD oder CDU mal eben Gott gewählt
und warten jetzt darauf, dass Gott sein Versprechen erfüllt - und das
"heute".
- Gottes Versprechen ist seine Gegenwart. Israel hat daher keinen anderen
Namen Gottes, als JHWH, der "Ich bin da". Dies ist eine einladende
Gegenwart. Sie wird erfahrbar dort, wo die Einladung angenommen wird. Sie
wird Realität, wo Menschen sich von dieser Gegenwart erfassen lassen
und die Freude erfahren, von der im Buch Nehemia berichtet wird "die Freude
am Herrn ist eure Stärke".
- Für diese Einladung gibt es nur das "heute". Es bezeichnet
unsere Zeit auf Erden. In jedem Moment, an jedem Tag ist Gott bereit. Gott
rechnet nicht das Gestern auf. Hier ist Barmherzigkeit, die sich über
jeden jederzeit freut, der das Evangelium entdeckt, in dem Augenblick, in
dem es zu uns kommt wie damals zu den Menschen in Nazareth.
3. Erfüllung
- Wenn die Erfüllung nicht kommt wie ein eingelöstes Wahlversprechen,
sondern dadurch, dass wir die Gegenwart Gottes in Jesus Christus annehmen,
dann klingt das ein wenig verdächtig: Die Verheißung wird erfüllt,
aber ihr müsst selber dafür sorgen. So wie Wahlgeschenke der
Parteien ja ausnahmslos immer von den Steuerzahlern bezahlt werden müssen.
- Aber die Erfahrung ist eine andere. Wer sich Gott und seinem Weg, wer sich
seinem Heiligen Geist und seinem Feuer anvertraut, der erlebt, dass in ihm
Gott selbst zum Handelnden wird. Wie Jesus "in der Kraft des Geistes"(1)
in Nazareth auftritt, erleben gläubige Menschen diese Kraft, wenn sie
sich auf seine Botschaft einlassen. Die Perspektive Gottes verändert
die eigene Perspektive. Die Heiligkeit Gottes lässt die Heiligkeit des
anderen Menschen erkennen. Die Kraft Gottes ermöglicht es, kraftvoll
der Angst und der Ungerechtigkeit entgegen zu treten.
- Vor allem aber schafft Gott eine neue Realität. Gott offenbart sich.
Jesus tritt öffentlich auf. Er bevollmächtigt seine Jünger.
So formt er einen Leib aus vielen Gliedern, der sichtbar ist. So verschieden
die Glieder in diesem Leib und so verschieden ihre Gaben sind, sie geben als
der eine Leib Zeugnis von der Gegenwart des einen Gottes. So verschieden wir
heute hier sind, nach Herkunft und Vermögen, nach geistlicher Begabung
und nach Aufgaben: Wir geben öffentlich Zeugnis davon, dass Gott uns
zusammen geführt hat. Unsere Taufe ist nicht eine Privatangelegenheit,
sondern sichtbares Zeugnis "der Kraft des Geistes". Die Sache muss
nicht ausgehen wie damals in Nazareth, als die Leute es für unmöglich
hielten, dass aus ihrer Mitte der Messias kommt. Die Sache kann anders weiter
gehen. Und sie ist weiter gegangen, weil Gott dahinter steht. Und Gott ist
treu. Amen.
Anmerkung
1. Die Einheitsübersetzung benutzt
hier auch das Wort "erfüllt", - "erfüllt von der Kraft des Geistes"
- was irreführend ist, weil es eine Verwechslung mit der "Erfüllung"
des Wortes der Propheten assoziiert.