Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 30. Sonntag im Lesejahr C 2004 (Lukas)

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24. Oktober 2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt

1. Das Prinzip: Der Meistbietende gewinnt

  • Das Prinzip von e-bay ist ganz einfach. Wie bei jeder Auktion, so ist es auch hier im Internet. Es bekommt den Zuschlag, wer am meisten bietet, wenn der Hammer fällt. Nur dass bei e-bay wahre Massen mitmachen und Auktion damit zum Volkssport geworden ist. Das Prinzip aber ist: der höchste Bieter gewinnt. Denn hier wie überall versucht jeder den für sich günstigsten Preis rauszuschlagen.
  • Dieses Prinzip ist völlig plausibel. Man muss es niemanden beibringen. Wer würden den höheren Preis zahlen, wenn er dasselbe auch billiger bekommt? Wer würde weniger nehmen, wenn er mehr bekommt. Das Prinzip ist auch effizient. Keine allmächtige Behörde sondern der Preis bestimmt. So bekommt derjenige die Ware, der am meisten dafür zu zahlen bereit ist - wenn er denn Geld dafür hat.
  • Was aber, wenn das Prinzip überhand nimmt? Wenn nur studieren kann, wer es bezahlen kann - wie es in Deutschland auch ohne Studiengebühren schon jetzt in extremer Weise der Fall ist. Oder: Wenn derjenige den raren Platz im Hauptseminar bekommt, der die besten Noten hat - und die anderen so noch länger brauchen für ihr Studium? Ist uns das Prinzip so selbstverständlich: "The winner takes it all"?

2. Zöllner und Pharisäer

  • Szenenwechsel: Der Tempel in Jerusalem. Auf diesen Berg, in die Hallen dieses Heiligtums darf jeder aus dem Volk Gottes hinaufsteigen. Jeder kann hier vor Gott sein Herz ausschütten. Zum Beispiel die zwei, die Jesus im Evangelium beschreibt: Der eine ist engagiert, er lebt sein Leben nach ethischen Maßstäben. Er ist bei Greenpeace engagiert, spendet für die Ärmsten der Armen und ist zugleich im Gebet zuhause. Der andere ist einer von denen, die auffällig protzige Schlitten fahren, die gutes Geld verdienen, das sie anderen abknöpfen. Seiner Kleidung und den Ringen an seinen Fingern sieht man an, dass er mehr Geld als guten Geschmack hat. Der letztere ist zur Zeit Jesu Zolleintreiber, der erste Pharisäer.
  • Beide sind zum Tempel hinaufgegangen um zu beten. Unterschiedlicher können beide nicht sein. Würden wir sie kennen lernen, dürfte der sozial Engagierte spontan unsere Sympathie haben, der andere nicht. Dennoch beurteilt sie Jesus genau umgekehrt: Jenen hat Gott angenommen und freigesprochen, diesen nicht. Denn beide beten sie zu Gott. Der erste spricht ein Dankgebet: "Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort." Der andere kommt kaum über die Schwelle der Tempelhalle. Er betet: "Gott, sei mir Sünder gnädig!".
  • Es gibt viele schlechte Menschen. Auch dieser Zöllner ist ein Mistkerl. Aber er weiß es. Deswegen macht er eines nicht so schnell: andere verachten. Deswegen besteht die Chance, dass er letztlich offener ist. Er produziert sich nicht selbst in seiner Gerechtigkeit. Er ist offen zu Gott. Gott ist das Subjekt seines Gebetes: "Gott, sei mir Sünder gnädig!". Der Pharisäer ist zu gut um wahr zu sein. In seinem Gebet vor Gott kommt raus, dass sein Dank “dass ich nicht so bin wie die anderen” eine fromme Verbrämung tiefer Selbstgerechtigkeit ist. Sie führt dazu, dass er die anderen verachtet - für nichts hält. In seinem Gebet ist Gott nur Objekt, er selbst das Subjekt und Zentrum seines Denkens. Er denkt, als Meistbietender den Zuschlag göttlicher Gnade zu erhalten. Denkt er.

3. Majestät Gottes

  • Wenn das Gebet nur Selbstbestätigung ist, stimmt was nicht. Denn dann ist es nicht mehr der “ganz andere”, Gott, der mit nichts in der Welt zu verwechseln ist. So sehr wir als Christen glauben, dass Gott uns in seiner Offenbarung, in Jesus Christus und im Heiligen Geist “ganz nahe” gekommen ist, so sehr wird gerade dieser nahe Gott im Glauben erfahren als der ganz andere. Gott ist von uns allen so sehr verschieden, dass wir einander sehr gleich werden. Die Unterschiede, an denen wir so sehr festhalten, verschwimmen.
  • Das Beispiel, das Jesu erzählt, zeigt, dass wahre Begegnung mit Gott quer steht zu den üblichen Koordinaten. Die übliche Weise zu denken vergleicht. Diese Weise. zählt das mehr und weniger, größer und kleiner, misst nach wichtig und unwichtig, mächtig und ohnmächtig. Alles wird bewertet, vieles abgewertet, das eigene aufgewertet. Alle Maßstäbe verschwimmen, bis auf einen: das eigene Selbst. Dieser Pharisäer im Beispiel Jesu verhält sich sozial, ökologisch, vorbildlich - nur dass er den anderen gerade deswegen verachtet.
  • Weil das Prinzip von Preis und Markt effizient ist, kommen wir nicht ohne es aus. Weil Macht immer danach bemessen wird, ob ein anderer mächtiger ist, wird dieses Denken immer präsent sein. Glauben aber bedeutet, Gott als den anzuerkennen, vor dem alles gleich wenig ist - und Gott als den zu entdecken, der alles gleich liebt. Von jenem Zöllner, der sich Gottes Erbarmen anvertraut hat, sagt Jesus, dass Gott ihn angenommen hat. Er geht vom Tempelberg runter, zurück in sein Haus, seine Lebenswelt. Es besteht eine gute Chance, dass sich diese Welt verändert. Amen.