Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 31. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Weisheit)

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3. November 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Freund des Lebens

  • "Heute muss ich in deinem Haus zu Gast sein". Das ist das Herz der Bibel, Jesus lebt ganz aus dem Herzen des Alten Testamentes. Hier ist deutlich, wie sich Gott offenbart. Er schaut nicht von Ferne milde auf die Erde, nein er will, ja er "muss" bei uns Menschen zu Gast sein. Ganz menschlich gibt die Bibel hier von Gott Zeugnis: Gott kann nicht anders; es ist ein inneres Drängen.
  • Wir haben die Lesung aus dem Buch der Weisheit gehört. Diese Schrift ist im letzten Jahrhundert vor der Zeitenwende entstanden. Das Anliegen dieses Buches ist es, gläubigen Menschen zu helfen, ihren Glauben neu verstehen. Viele Juden lebten damals in einer nichtjüdischen Umgebung im Ausland. Der alte Glaube ist ihnen fremd geworden. Die Sprache der Bibel können sie nicht mehr verstehen. Vielleicht schämen sie sich auch etwas für ihre alte Religion angesichts der neuen Welt des Hellenismus.
    Diesen Menschen schreibt das Buch der Weisheit: wahre Weisheit ist eine liebende. Die höchste Weisheit kommt vom Ursprung von allem, und dieser Ursprung hat sich offenbar. Gott ist in unserer Geschichte erschienen. Davon erzählt die Bibel.
  • Im Buch der Weisheit wird das zusammengefasst in dem Satz: Gott ist ein "Freund des Lebens". Diese Freundschaft gilt allem, was Gott geschaffen hat, denn - so das einfache Argument - sonst hätte Gott es nicht erschaffen. Es gibt keinen einzigen Menschen, dem Gott nicht Freund ist, weil jeder Mensch von Gott erschaffen ist, und Gott jedem Menschen eine lebendige Seele eingehaucht hat. Keiner ist Produkt eines blinden Zufalls, als könnte es ihn auch nicht geben. Dafür verbürgt sich die Bibel, denn sie weiß um Gott, den Schöpfer und Freund des Lebens.

2. Souveränität der Freundschaft

  • Für uns Menschen stellt sich das schon etwas komplizierter dar. Wem wir Freund sind, was wir lieben, ist gar nicht so eindeutig. Wenn es von Gott heißt, er liebe es, weil er es geschaffen hat, dann kann ich das nicht so ohne weiteres auf mich übertragen. Erstens erschaffe ich nichts aus dem Nichts, sondern werkle an meiner kleinen Welt herum. Und zweitens gibt es so manches, was ich gemacht habe, das ich aber ganz und gar nicht liebe.
  • Wie souverän müsste es sein, jedem Menschen, ja der ganzen Schöpfung Freund zu sein. Das würde doch bedeuten, jeden Hintergedanken ablegen zu können. Das würde bedeuten, mir keine Sorgen machen zu müssen, wie ich das Verhältnis zu diesem oder jenem strategisch so gestalte, dass ich nicht ins Hintertreffen gelange. Selten sind wir Menschen so souverän.
  • Es wäre eine lohnende Meditation, wenn ich ab und an eine innere Bestandsaufnahme mache, wie ich andere Menschen in meinem Herzen sortiere: zwischen solchen denen ich vertrauen kann und solchen, bei denen ich mir ein wachsames Auge bewahren möchte. Bei solchen, die mir Freund, Feind oder gar gleichgültig sind. Auch in den besten Beziehung, selbst in der Liebe zur Partnerin oder zum Partner und in der Ehe, sind solche Gedanken schwer abzuschalten.

3. Aus der Taufe leben

  • Auch darum weiß Gott. Er ist der Freund des Lebens, nicht weil alles reibungslos liefe, wie ein Uhrwerk, einst von ihm aufgezogen. Vielmehr ist Gott - so das Buch der Weisheit - in diesem ganzen spannungsvollen Leben gegenwärtig. "Wie könnte etwas ohne Gottes Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von Gott ins Dasein gerufen wäre?" In diesem kurzen Satz steckt die ganze Weisheit, dass Gott zu jedem Zeitpunkt Schöpfer, Erhalter und Freund des Lebens ist. Getragen von seiner Gegenwart und ausgespannt auf seine Güte ist alles, was lebt zu jeder Zeit.
  • Wovon die Erzählungen der Bibel berichten, sind die Zeugnisse dieser Gegenwart Gottes in der Geschichte seines Volkes. Jede Taufe ist Zeugnis dieses Gegenwart. In der Taufe wird an einem Menschen sichtbar und erfahrbar, was jedem Menschen gilt - das macht sie so wertvoll.
    In der Spannung zwischen unserer Herkunft aus Gott und unserer Sehnsucht nach ihm verbindet sich Gott in der Taufe mit uns - zum heiligen Zeichen für alles was lebt. Selbst wo es Schuld gibt, in der wir Menschen aus Angst um uns selbst Schaden zufügen, wendet sich Gott nicht ab; Er möchte nicht den Tod des Sünders, sondern dass "sie sich von der Schlechtigkeit abwenden" damit Leben neu werden kann. Das also ist in der Beziehung zu anderen göttlich: Nicht zu wollen, dass der andere einfach aus meinem Leben verschwinde, sondern dass das Gute in ihm kraftvoll sei, das Gott in ihn gelegt hat.
  • Aus der Taufe leben zu können ist daher ein großes Geschenk. Aus der Taufe zu leben bedeutet, sich mutig tastend auf die Menschen und die Schöpfung zu bewegend, die Vorbehalte und Ängstlichkeiten überwindend, die Verletzungen tragend, das Leben hoffend, denn Gott ist bei uns zu Gast, heute, in dieser Feier, und in unserem ganzen Leben. Amen.