Predigt zum 32. Sonntag im Lesejahr A 2002 (Matthäus)
Zurück zur Übersicht von: 32. Sonntag Lesejahr A
10. November 2002 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
1. Dummheit
- Es gibt Dummheit, die atemberaubend ist. Diese Dummheit verträgt sich durchaus mit Intelligenz und Bildung. Vielleicht sind Intelligente sogar besonders anfällig, weil sie so viel wissen und können, dass ihnen das Eigentliche entgeht. Von dieser Dummheit erzählt das Gleichnis - und davon, dass es nur einer ganz einfachen fundamentalen Klugheit bedarf, um am großen Fest teilnehmen zu können.
- Im alltäglichen Leben würde man die törichten Gestalten aus dem Gleichnis vielleicht liebevoll schusselig nennen. Dann fühle zumindest ich mich ihnen gleich ein wenig verwandt. Sie sind wie VWL-Studenten, die zur Klausur zwar den obligatorischen Taschenrechner mitnehmen, aber die Batterien vergessen haben.
Oder wie der Mensch, der allen Proviant beim Ausflug in die Berge dabei hat, nur den Büchsenöffner nicht. Oder wie die Frauen, die die ehrenvolle Aufgabe haben, mit brennenden Fackeln bei der Hochzeit das Paar vom Haus der Braut zum Hochzeitssaal zu begleiten. Sie haben zwar ihre Fackeln, das Öl, in das man die Fackeln tunken muss, bevor sie angezündet werden können, das haben sie vergessen, wie der Student die Batterie zum Taschenrechner.
- So wenig die Studenten die Batterie aus dem Taschenrechner mit ihrem Nachbarn teilen können, so wenig wäre es sinnvoll, Öl für fünf Fackeln auf zehn zu verteilen, um dann auf halbem Weg vom Brauthaus zum Hochzeitssaal mit der ganzen Gesellschaft im Dunkeln zu stehen.
Es gibt vielmehr fundamentale Dinge, um die muss ich mich selber kümmern. Mein Leben kann ich nur selber leben. Als Kind kann ich es der Mutter überlassen, an die Handschuhe zu denken, wenn es kalt ist. Als Erwachsener bin ich selbst dran schuld, wenn ich mir aus schierer Dummheit die Finger abfriere.
2. Einladung zur Hochzeit
- Schusseligkeit hört dann auf harmlos zu sein, wenn es um den Menschen geht, um mich und um andere. Im Beispiel der vergessenen Batterien geht es (nur?) um eine verpatzte Prüfung. Im Gleichnis Jesu geht es um jenes Hochzeitsmahl, in dem wir dem Bräutigam unserer Seele begegnen. Nicht die Prüfung ist für Jesus das rechte Bild, sondern das Fest. Aus der Ferne leuchten schon die Fenster des Hochzeitssaales und der Wind trägt uns schon die Klänge der Musik zu. Dummheit ist es, das nicht zu hören und nicht sein Leben daran auszurichten.
- Eine Geschichte, die hier in Frankfurt wirklich passiert ist: Einer war eingeladen Brautzeuge zu sein auf dem Standesamt für eine Braut; der Braut hätte seine Teilnahme viel bedeutet. Er hatte auch zugesagt, dann aber an diesem Mittwoch über Stress und Terminen den Zeitpunkt verpasst. Nichts von dem, was er tat wäre so wichtig gewesen. Eine halbe Stunde zu spät, und er war unwiederbringlich zu spät. Hochzeiten sind hohe Zeiten, die nicht beliebig wiederholt werden können.
- Jesus lädt ein zur Hochzeit. Im Gleichnis geht es nicht um Willkür des Bräutigams, dass er die Verspäteten nicht mehr einlässt, sondern es geht darum, dass man das Leben nicht stellvertretend durch andere leben lassen kann.
3. Das Öl
- Die Klugheit zum Leben, die das Gleichnis meint, ist nichts herausragendes. Man braucht dazu keinen besonderen IQ und kein Studium. Die Klugheit bezieht sich auf das eigene Leben. Sie ist die Fähigkeit, in der Fülle der Bäume den Wald zu sehen, in dem Sammelsurium des eigenen Lebens nicht zu übersehen, dass es Wichtiges gibt, ohne dass das andere so wertlos ist, wie eine Lampe ohne Öl.
- Besonders wichtig an dem Gleichnis ist mir, dass alle zehn einschlafen, als die Zeit lang wird. Christlicher Glaube ist nicht angestrengt. Angestrengte Verbissenheit ist deutliches Zeichen dafür, dass es nichts mit der Heiligkeit und Großartigkeit des Evangeliums zu tun hat.
So dramatisch das Ende des Gleichnisses ist - Ausschluss vom Hochzeitsmahl! - so einfach ist das, was zu tun ist: Nicht nur die Lampe, sondern auch das Öl dabei zu haben.
- Bleibt zu fragen: Was ist die Lampe, was das Öl? Mir scheint, das Evangelium lässt das bewusst offen, weil es bei jedem von uns etwas Anderes sein wird. Beim Einen wird es so sein, dass er meint, den Glauben zu praktizieren, aber nirgendwo wird es in Werken der Liebe praktisch. Bei anderen findet man vielleicht am Engagement viel Gutes, aber die innere Liebe fehlt. Das Öl ist das innere Ganze meines Lebens vor Gott. Sich vor diesen Gott zu stellen, den Klang der Hochzeitsmelodien im Ohr, befähigt uns, dieses Öl zu finden und mitzunehmen, um mit dem Bräutigam einzuziehen in den Festsaal. Amen.