Predigt zum 32. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Markus)
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8. November 2009 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Äußerlichkeiten
- Jesus spricht im Evangelium über Äußerlichkeiten. Aber worum geht es? Da sind Leute, die fein angezogen sind. Sie sind bekannt und werden gegrüßt. Wie selbstverständlich gehen sie nach vorne zu den reservierten Plätzen. Sind sie zu Gast und bittet man sie, das Tischgebet zu sprechen, dann muss man darauf gefasst sein, dass es lange dauert. Das sind die einen.
- Und da ist eine alte Frau, mittellos und rechtlos. Sie wirft ein paar Cent in den Opferkasten im Tempel. Nur zufällig hat Jesus das beobachtet. Er weiß, dass Witwen in der damaligen Zeit keine Rente haben, sondern ganz auf sich selbst gestellt sind. Von dieser Frau sagt Jesus, dass sie am meisten gegeben hat, auch wenn es nur ein paar Cent waren.
- Das sind nur Äußerlichkeiten. Aber dahinter steckt mehr. Dahinter steht eine ganze Haltung. Um die geht es Jesus.
2. Anspruch
- Die Einen nehmen wie selbstverständlich etwas für sich in Anspruch. Sie meinen, es steht ihnen zu. Sie fühlen sich als die Leistungselite. Aber dabei kümmern sie sich nicht um andere. Wörtlich heißt es im Evangelium: "Sie sitzen gerne obenan beim Essen - und fressen die Häuser der Witwen". Vielleicht sind es Banker, die Kredite gegeben haben, vielleicht Vermieter, die nur die Miete eintreiben, vielleicht Beamte, die einen Formfehler im Antrag auf Sozialhilfe gefunden haben, vielleicht Richter, die streng nach dem Buchstaben des Gesetzes urteilen - und die Witwen verlieren ihr letztes Hab und Gut.
- Die Andere kann nichts für sich in Anspruch nehmen. Auf nichts hat sie Anspruch, und sie weiß es. Aber es ist gerade die Witwe, die nichts hat, von der in der Lesung berichtet wurde, dass sie den Propheten Elija gastfreundlich bei sich aufgenommen hat.
- Das ist das Paradox. Häufig findet man mehr unkompliziertes Gastfreundschaft bei Menschen, die nichts haben. Äußerlich geben sie sicher weniger, als mancher anderer. Aber bei ihnen zu Gast zu sein bedeutet nicht steife Tischsitten, sondern Herzlichkeit. Um diese Herzlichkeit geht es Jesus.
3. Gelassenheit in Gott
- Das Herz wird so leicht durch Äußerlichkeiten verstellt. Die Schriftgelehrten sitzen auf den besten Plätzen. Und jeder denkt, sie seien bedeutend. Der Priester steht am Altar, und fromme Katholiken gehen davon aus, dass er besonders gläubig sei. Celebrities füllen die Spalten in der Zeitung und plaudern in Talk-Shows. Und allzu viele nehmen das wichtig. Da mögen bedeutende Schriftgelehrte, gläubige Priester und vielleicht sogar einmal ein wichtiger Star dabei sein. Aber das liegt dann nicht an den Äußerlichkeiten. Wirklich bedeutenden oder gläubigen Menschen sieht es keiner von uns an. "Amen, ich sage euch", das sieht nur Gott.
- Von Äußerlichkeiten brauchen wir uns nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil sollten wir von Jesus lernen, skeptisch zu sein. Er selbst ist als Verachteter am Kreuz gestorben, und doch ist in ihm Gott gegenwärtig wie nirgends sonst. Das Kreuz gehört definitiv nicht zu den besten Plätzen. Und doch ist er bis heute lebendig in seiner Kirche auf Erden und sitzt zur Rechten Gottes im Himmel.
- Und schließlich brauchen wir selbst mit Äußerlichkeiten niemand beeindrucken. Jeder von uns ist getauft und ein Kind Gottes. Das kann und braucht durch nichts getoppt werden. Wer - wie der Priester am Altar oder jemand in irgend einem anderen Amt - einen hervorgehobenen Platz zu haben scheint, sollte wissen, dass das nur ein Dienst ist und er vor Gott damit nicht prahlen kann. Christen sollten sich vielmehr immer durch die Gelassenheit auszeichnen, die sich durch coole Kleidung, erste Plätze und Schlagzeilen nicht beeindrucken lässt. Nur das eine ist wichtig: Gott mit ganzem Herzen zu lieben und den Nächsten wie uns selbst. Da ist die Witwe im Evangelium zumindest mir einiges voraus. Amen.