Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 32. Sonntag im Lesejahr B 2021 (Markus)

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7. November 2021 - St. Peter, Sinzig

1. Orte der Gottesgegenwart

  • Gott offenbart sich in unserer Erfahrungswelt. Gott ist nicht nur ein abstraktes Prinzip, bleibt nicht der namenlose Urgrund, sondern will Beziehung und will erfahrbar sein. Wir rufen nicht auf das Geratewohl in die Leere des Weltalls. Gott will sichtbar und berührbar sein.  Christlich nennen wir das ‚Offenbarung‘.
  • Im heutigen Abschnitt aus dem Markus-Evangelium zeigt uns Jesus, wo wir Gott erfahren und wo nicht. Wenn Sie den längeren Zusammenhang nachlesen, können Sie deutlicher sehen, dass das ein Weg ist, der von der Taufe bei Johannes am Jordan bis zum Kreuz führt – dem unwahrscheinlichsten Ort einer Gegenwart Gottes.
  • Hier aber stellt Jesus gegenüber, dass Gott dort nicht erfahrbar ist, wo man es hätte erwarten sollen: bei den Schriftgelehrten, den Priestern, den religiös Angesehenen. Sie mögen die richtigen Worte haben und – wie wir in der Lesung vom letzten Sonntag gesehen haben – das richtige Bekenntnis. Aber durch ihren Lebensstil wird der Gott, den sie bekennen und verkünden, nicht gegenwärtig.  Da ist nur Geld, Ansehen und Macht nach Art der Menschen, nicht Gott.

2. Offenbarung im Vertrauen

  • Gott ist nicht ein Teil dieser Welt, auch nicht ein besonders großer. Vielmehr ist Gott der Ursprung und der Grund von allem, dem Größten wie dem Kleinsten. Gott selbst ist nur sichtbar in dem, was er bewirkt. Er ist tatsächlich der unsichtbare Gärtner, erkennbar nur im Blick auf seinen Garten.
  • Die Pharisäer, wie Jesus sie darstellt, bekennen Gott zwar in ihren Worten. Das zentrale Geschenk Gottes, an dem der Heilige erkennbar ist, haben sie aber ersetzt: Vertrauen. Sie vertrauen auf die ersten Plätze, das Lob und die Anerkennung der Menschen und – fast notwendig im Gefolge – das Geld. Auf all das meinen sie ihr Vertrauen setzen zu können.
  • Gott aber ist erkennbar in dem Vertrauen in ihn, das er uns ermöglicht. Gott ist erfahrbar in dem Glauben, den der Heilige Geist in Menschen wachsen lässt. Darin besteht die Gnade, das ist die Gotteskraft in uns. Alles andere, jedes heilige Zeichen und Wunder, wird nur aus diesem Vertrauen möglich. – Der Ort, an dem Gott sichtbar wird, ist daher zwar der Tempel, das Gotteshaus. Gott offenbart sich aber nicht bei den Schriftgelehrten; die erklären ihn nur. Gott zeigt sich lebendig und mächtig (ja, mächtig!) in der Witwe, die Jesus beobachtet. Sie ist so vom glaubenden Vertrauen erfüllt, dass sie alles gibt. In ein paar Kupfermünzen, gegeben als Zeichen der Hingabe, zeigt sich die ganze Herrlichkeit Gottes.

3. Gott im Unerwarteten

  • Für Jesus (und den Evangelisten Markus) war es ein wichtiges Detail, dass sich Gott im Tempel, im Heiligtum zu Jerusalem, offenbart. Den Tempel wollte Jesus nicht abschaffen, sondern wiederaufbauen; er verwirft ihn nicht, sondern wirft nur die Händler und Geldwechsler raus.
  • Jesus ist kein Kirchenverächter. Doch innerhalb der Kirche ist der Ort der Gottesoffenbarung zwar das Wort der Heiligen Schrift, aber nicht der Gelehrte, der sie verkündet. Innerhalb der Kirche ist der Ort, an dem Gott erkennbar ist, nicht das Geld im Opferkasten, wohl aber das liebende, glaubende Vertrauen jener Witwe, die ein wenig hineingibt.
  • Dass Jesus an anderer Stelle hervorhebt, dass jene andere Witwe, der der Prophet Elia begegnet, aus Sarepta bei Sidon stammt, passt dazu. Denn Sidon ist heidnische Gegend, fern von Tempel und Kirche. Auch hier ist Gott an ganz anderem Ort als erwartet gegenwärtig. Wie sollte es auch anders sein, bei Gott, der ganz anders ist – und uns doch so nah in dem Vertrauen, das er als seine Gnade schenkt. Amen.