Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 33. Sonntag im Lesejahr A 2011 (Buch der Sprichwörter)

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13. November 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Die Tüchtige Frau

  • Eine alternative Übersetzung zur Ersten Lesung: "Eine Frau, die was draufhat, ist wertvoller als ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Wo findet man noch solche Frauen? Auf so eine kann sich ein Mann hundertprozentig verlassen. Es lohnt sich, eine Frau von so einem Kaliber zu haben. Sie ist immer gut zu ihm und nie link oder fies, solange sie lebt."(1)

    Dies ist zugegebener Maßen eine freie Übertragung. Sie stammt aus der Volx-Bibel, dem Versuch die Bibel in lockere Jugendsprache zu bringen. Bibelwissenschaftlich ist die Ausgabe manchmal fraglich, aber ich schaue gerne immer mal wieder rein - wissend, dass Jugendsprache schnell veraltet: Was vorgestern geil war, war gestern krass und ich habe keine Ahnung, was man heute dazu sagt.

  • Dem gegenüber klingt die Schilderung der Frau gar nicht mal so verstaubt, obwohl der Text wohl 2200 Jahre alt. Hier wird eine Frau gepriesen, die den Haushalt und den Familienbetrieb am laufen hält. Eine tüchtige Rundummanagerin, die ihre Talente einsetzt. Der Mann dagegen wird nur drei mal erwähnt: Am Anfang, dass er seiner Frau vertraut, in der Mitte, dass er angesehen in der Ratsversammlung sitzt, und am Ende, dass er einstimmt in das Lob seiner Frau. Das ganze Kapitel aber schildert eine erfolgreiche, tüchtige, liebenswürdige Frau. Zudem steht dieses Kapitel am Ende des ganzen Weisheits-Buches der Sprichwörter, als Zusammenfassung. Hier ist das A-Z der Weisheit ganz augenfällig, denn jeder der zwanzig Verse beginnt mit einem Buchstaben des Hebräischen Alphabetes.
  • Wir haben eine Spruchweisheit aus der Bibel von ca. 200 vor Christus gehört. Wir können und dürfen sie in unsere Sprache übersetzen. Kein Wort steht da, dass Frauen sich auf Kindererziehung beschränken sollen. Die Schilderung der Bibel zeigt eine eher wohlhabende Familie, in der die Frau des Hauses ihre Vielfältigen Fähigkeiten frei entfaltet und selbstverständlich Verantwortung und Leitung übernimmt. Das ist heute in Deutschland weder in der katholischen Kirche noch in der Wirtschaft selbstverständlich. Deswegen ist so eine Lesung wichtig, weil hier, als Summe der Weisheit die Leitung einer Frau geschildert wird. Sie ist deswegen gerade für meine Kirche wichtig: Auch wenn es gute Gründe geben mag, nur Männer sakramental zu einem Amt zu weihen, spräche theologisch nichts dagegen, die tatsächliche Leitungsmacht in den Gemeinden, in Bistümern und der Weltkirche weit mehr Frauen zu übertragen, statt sie an das Weiheamt zu binden; Finanzdirektoren der Kirche sind immer noch zumeist Männer.

2. Ein Bild von Gottes Weisheit

  • Warum aber steht das Ganze überhaupt in der Bibel? Was ist darin Gottes Offenbarung an uns? Die Botschaft ist tatsächlich diese tüchtige Frau. Sie wird in der Bibel gezeichnet als Gottes Weisheit unter den Menschen. In ihr wird Gottes Geist sichtbar.
  • Das ist ein höchst erstaunlicher Befund. Man hätte für die Antike eher vermutet, dass Männer geschildert werden, die philosophierend in Tonnen liegen, die in der Ratsversammlung kluge Entschlüsse fällen, in der Jagd Beute machen und als Krieger Ruhm erwerben. Im Buch der Sprichwörter werden diese höchst männlichen Fähigkeiten nicht in Zweifel gezogen; aber sie taugen nicht als Bild der göttlichen Weisheit.
  • Gott hat uns Fähigkeiten gegeben. Das Wort "Talente" aus dem Evangelium ist ursprünglich ein Mengenmaß für Geld. Nicht zufällig hat es heute im Deutschen die Bedeutung von Fähigkeiten und Kräften, die jeder von uns hat. Die Lesung schildert eine Frau in besseren finanziellen Verhältnissen. Man müsste aber dazu die vielen Erinnerungen lesen, die die Bibel festhält von Frauen, die arm waren, und doch alle ihre Talente eingesetzt und dabei auf Gott vertraut haben. Ob in Armut oder Reichtum, ob mit vielen oder wenigen Talenten: Sie sind Bild von Gottes Weisheit, die uns der Schöpfer Himmels und der Erden geschenkt hat.

3. Gott für uns

  • Deswegen ist irdischer Erfolg und Wohlstand kein Gradmesser für Gottes Weisheit. Auch in unserer Lesung sind deswegen zwei markante Akzente gesetzt: Ganz in der Mitte der Lesung, dadurch deutlich herausgehoben, steht die Barmherzigkeit. Die Weisheit "öffnet ihre Hand für den Bedürftigen und reicht ihre Hände dem Armen." Und am Ende unseres Textes und des ganzen Buches steht als wichtigste Fähigkeit, die Bereitschaft, sich nicht selbst an die Stelle Gottes zu setzen: "Nur eine gottesfürchtige Frau verdient Lob."
  • Auf Gott zu vertrauen bedeutet daher nicht, die Hände in den Schoß zu legen und zu warten, bis Gott alles macht. Auf Gott zu vertrauen bedeutet vielmehr, vertrauensvoll die Kräfte und Talente einzusetzen, die Gott uns geschenkt hat. Gottes Liebe allein ist der Maßstab und nicht das Vergleichen, ob andere vielleicht mehr Talente haben als ich.
  • Denn wir alle sind in unserer Verschiedenheit Kinder Gottes, Schwestern und Brüder. In der Taufe wird das ausdrücklich und zugesagt. Zur Deutung des Sakramentes werden die Neugetauften mit dem heiligen Chrisam gesalbt: Sie sind aufgenommen in die Gemeinschaft von Priestern, Propheten und Königen in Christus. Ein königliches Volk, berufen mit allen Kräften Gottes Reich der Liebe und der Gerechtigkeit zu verkünden. Amen.

 


Quellenhinweis

1. Dreyer, Martin: Die Volx-Bibel.  Band zwei. Altes Testament frei übersetzt von M.D. Die alten Verträge zwischen Gott und den Menschen. Witten (Volxbibel-Verlag) / © München (Pattloch) 2010