Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 33. Sonntag im Lesejahr C 2001 (Lukas)

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18. November 2001 - St. Ignatius, Frankfurt a.M.

1. Wie kann Gott das zulassen?

  • Wie kann Gott das zulassen? Opfer der Gewalt. Opfer der Gegengewalt. Unschuldige auf der Flucht, am Rande des Hungertodes. Und immer wieder Krieg und Vernichtung.
  • Wie kann Gott das zulassen? Bei manchen, von denen man in den letzten Wochen diese Frage hört, hatte ich den Eindruck, dass die Ereignisse vornehmlich dazu dienen, sich in der eigenen Distanz zu bestätigen.
    Die Frage bedrängt Gläubige aber mindestens so sehr. Wie kann Gott das zulassen?
  • Noch mehr aber wird die Verzweiflung an Gottes Güte Menschen packen, die selbst - am eigenen Leib oder in ihrer Familie und Umgebung - das Leid erfahren, das Gewalt und Gegengewalt über Menschen bringt.
    Die Bibel kennt insbesondere die Klage des Gerechten vor Gott. So wenig hilft es in dieser Welt, selbst den Weg der Gerechtigkeit zu gehen. Der Terrorismus ist in der Wahl seiner Opfer nicht wählerisch. Noch die lauterste Gewalt erzeugt unschuldige Opfer. Kollateralschaden.

2. In der Gewalt

  • Wenn man das heutige Evangelium hört, weiß man: Jesus rechnet mit der Gewalt und der Zerstörung. Er baut keine Illusion auf, dass die Welt heil und friedlich wird. Im Gegenteil, hat man den Eindruck. Wie die Dämonen sich aufbäumen, wo sie dem Heiland begegnen, so auch die Geschichte.
  • Wie aber gerade die Begegnung Jesu mit Dämonen im Evangelium zum Ort der Umkehr wird, so erwartet die junge Kirche aus der Mitte der Zerstörung heraus das Erscheinen des Herrn.
    Gerade dort, wo die Gewalt einer weltweiten Ungleichheit die Gewalt des Terrorismus nährt, wo das Morden der Fanatiker mit neuen Kreuzzügen beantwortet wird, gerade dort, in der Mitte des Gewaltstrudels, ruft Christus dazu auf, die Wende nicht vom Himmel herab zu erwarten, sondern Zeugnis zu geben. Dies kann Familien entzweien und Christen zu Außenseitern stempeln. Dort jedoch, wo sie vor die Gerichte der Welt gezerrt werden, sollen Christen darauf vertrauen, dass der Geist Gottes sie erfüllt.
  • Ihre Schwäche und Hilflosigkeit wird ihnen zur Stärke: Zeugnis zu geben für Gott. Die Standhaftigkeit besteht nicht darin, die eigene Kraft zusammenzunehmen und zurückzuschlagen, sondern darin, Zeugnis zu geben, dass Gott Herr der Geschichte ist. Jesus erwartet die Seinen auf der Seite der Opfer. Dort gilt seine Zusage: "Ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, so dass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können."

3. Der Weg Gottes

  • Was erwarten Menschen, wenn sie fragen, warum Gott die Gewalt zulässt. Ist Gott für sie die kosmische Feuerwehr? Soll Gott in seine Schöpfung Notstandsgesetze einbauen.
    Solange die Menschen brav sind, schaut Gott milde lächelnd zu. Wenn die Menschen anfangen, sich Leid zuzufügen, dann fährt die Hand Gottes dazwischen, um die lieben Kinderchen zur Räson zu bringen.
  • Der Weg, den Gott geht, ist ein anderer. Gott hat sich entschlossen, den Weg des Menschen mitzugehen.
    Schon auf meinem ganz persönlichen Weg gilt diese frohe Botschaft und kann ich diesen göttlichen Weggenossen erfahren. Am Ort meiner Niederlage gilt die Zusage von Gottes Nähe. Am Ort meiner größten Schuld gilt die Zusage Gottes, der sich nicht mit einem Bombenteppich den Weg für seine Spezialeinsatzkräfte bahnt, sondern Vergebung und Neuanfang gibt.
  • Ich weiß nicht, welche militärischen Mittel gegenwärtig notwendig sind, um der Gewalt Einhalt zu gebieten. Meine Skepsis hingegen kann ich nicht verleugnen.
    Ich weiß aber, dass das Zeugnis, zu dem Christus uns befähigt, auch gegen diese Gewalt bestehen muss. Gott lässt nicht einfach - gar uninteressiert! - zu. Gott beruft Menschen und steht ihnen zur Seite. Auch Sie und mich, wenn wir das Wort erheben und unsere schwachen Kräfte einsetzen. Für Gerechtigkeit. Und Frieden. Amen.