Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 33. Sonntag im Lesejahr C 2004 (Lukas)

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14. November 2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt

1. fit for faith

  • "fit for faith" - hätte man das Exerzitienbuch genannt. Hätte man die Geistlichen Übungen des Hl. Ignatius von Loyola vor einigen Jahren einem hinreichend trendigen Werbebüro anvertraut, dann wäre wahrscheinlich so ein Titel darauf gesetzt worden, "fit for faith". Denn, so schreibt Ignatius, "wie das Umhergehen, Wandern und Laufen leibliche Übungen sind, genauso nennt man "geistliche Übungen" jede Weise, die Seele darauf vorzubereiten (...) den göttlichen Willen in der Einstellung des eigenen Lebens zum Heil der Seele zu suchen und zu finden." (Exerzitienbuch, Erste Anmerkung).
  • Das Leben mit Gott braucht Übung. Dieser Gedanke ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Wie der Körper, um fit zu bleiben, Übung braucht, so auch die Seele und der Glauben. Dann, wenn es gilt loszuspurten, zeigt sich die Fitness. Dann, wenn der Glaube tragen muss, wird sich zeigen, ob ich darin geübt bin, in Gottes Gegenwart zu leben.
  • In diesem Sinn verstehe ich die Rede Jesu aus dem heutigen Evangelium. Es ist eine Rede über das Ende der Zeit. Man nennt die drei Fassungen dieser Rede in den drei ersten Evangelien die "Kleine Apokalypse" im Unterschied zur großen Schilderung der Apokalypse im Buch der Offenbarung des Johannes. Jesus redet jetzt bereits vom Ende der Zeit und vom Ende der vertrauten Ordnung, um seinen Jünger Gelegenheit zu geben, sich darauf vorzubereiten. In Zeiten relativer Ruhe und Sicherheit will er mit den Jüngern "einüben", was Glauben bedeutet. So hilft er uns vorbereitet zu sein auf Zeiten, in denen zusammenbricht, was uns vertraut und normal ist. Und fit sein für diesen Fall, hilft nicht erst dann, wenn er eintritt. Es hilft, jeden Tag tiefer aus dem Glauben zu leben.

2. Schönheit, Recht und Freundschaft

  • Auslöser für die Rede Jesu ist Schwärmerei für den prachtvollen Tempel in Jerusalem. Als einige davon "sprechen, dass der Tempel mit schönen Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei" spürt Jesus, dass hier Vorsicht am Platze ist. Die prachtvolle Marmorfassade, die blinkenden Weihegeschenke frommer Pilger aus aller Welt sind eine Augenweide. Aber die Pracht des Tempels ist die eine Sache, lebendiger Glaube eine andere.
    Das gilt genauso für die Christen, die stolz auf ihre herrlichen Kathedralen sind. Es gilt aber dann eher noch mehr, wenn die Kathedralen nicht mehr Gott errichtet werden, sondern die Ästhetik zum Selbstzweck geworden ist.
    Alles muss schön anzusehen sein, damit wir uns wohl fühlen. Ohne Design geht nichts mehr. Blitzende Zähne und schöne Körper, Hochglanzmagazine und Webdesign, Bürotürme aus Glas und Mode, die angesagt ist. Nie zuvor hat das Diktat der Schönheit so weit gegriffen wie heute. Es ist geradezu ein Kennzeichen moderner Gesellschaften, dass sich die Menschen über Aussehen, Geschmack und Stil definieren - und dies nicht Privileg einer kleinen Oberschicht ist.
    Die nüchterne Antwort Jesu lautet: "Es wird eine Zeit kommen, da wird von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleiben; alles wird niedergerissen werden.". Zur Zeit, da Lukas dies in seinem Evangelium niederschreibt, ist es bereits Wirklichkeit geworden. 70 nach Christus wurde der Tempel zu Jerusalem zerstört.
  • Die Verunsicherung, die Jesus uns zumutet, geht weiter. Sie erreicht die sozialen und politischen Strukturen. "Kriege und Unruhen" malt Jesus aus, Gerichte, die nicht mehr der Gerechtigkeit dienen, sondern dazu, Christen zu verfolgen und hinzurichten. Gewöhnt euch nicht zu sehr an stabile Verhältnisse, sagt Jesus, selbst das wohlgeordnete Firmament der Sterne kann zusammenbrechen. "Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen, und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen." Wir wissen heute wie die Jünger damals, dass die Geschichte solche Schrecken bereithält. Kaum aber leben wir in einer Periode relativer Ruhe in einem Winkel der Erde, meinen wir, das müsse immer so bleiben und wir könnten uns zufrieden darin einrichten.
  • Nach Schönheit und Ordnung ergreift die Apokalypse auch noch die Bereiche, in die wir uns hoffen, zurückzuziehen. "Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern, und manche von euch wird man töten." Es gibt Situationen, in denen auch keine Familie und auch keine noch so guten Freunde uns den letzten Halt geben können. In der geistlichen Übung, in die Jesus seine Jünger führt, mutet er ihnen die Vorstellung zu, dass sogar diese letzte Bastion noch fällt. Kein prachtvoller Tempel mehr, kein Rechtsstaat und noch nicht einmal Eltern, die euch beschützen und Freunde, auf die ihr euch stützen könnt - macht die Übung euch vorzustellen, dass all dies ganz plötzlich eintritt! Ein offenbarender Blick in das eigene Herz tut, wer diese Übung macht.

3. Treue zu Jesu Namen

  • Die Schilderung der Apokalypse ist nicht dazu da, Angst zu machen. Es ist auch nicht entscheidend, ob politischer oder historischer Sachverstand erwarten lässt, dass all das in Bälde eintritt. Skepsis gegenüber allzu viel Sachverstand der Zukunftswissenschaft spielt allerdings schon mit. Entscheidend aber ist, dass diese apokalyptische Vision hilft, zum Kern vorzustoßen und von dort her zu begreifen, was trägt und wichtig ist, auch wenn die Zeiten erträglich bleiben. Es ist eine wichtige geistliche Übung, alles Vertrauen in Fragliches wegzustreichen, um sich darin einzuüben, Vertrauen dort festzumachen, wo es lohnt.
  • Jesus will die ästhetische und politische Ordnung nicht schlechtmachen. Er achtet die Stütze, die wir in der Familie und in Freunden haben nicht gering. Im Gegenteil hilft er, sie auf eine Weise zu achten und zu schätzen, die erst deutlich macht, worin das Wertvolle darin besteht. Die Schönheit einer Kathedrale oder einer Musik kann mich über mich selbst hinausführen und kann mir neue Dimensionen öffnen. Dann ist sie gut. Die stabile und politische Ordnung und gesicherte Rechtsverhältnisse können mir helfen, mein Leben selbst zu gestalten und meine Kräfte einzusetzen für die Gerechtigkeit. Dann sind sie gut. Wenn sie aber nur dazu da sind, dass wir uns in einer Ecke der Welt und ihrer Geschichte einigeln, dann kippt dies. Und selbst Freunde und die eigene Familie können eine trügerischer Halt sein, wenn die Richtung nicht stimmt.
  • Dass Ziel der Rede Jesu ist Einübung in Vertrauen. Völlig überraschend steht daher am Ende seiner Vision die Zusicherung: "Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden." Dies gilt denen, die als Fundament unter ihr Leben die Liebe gesetzt haben, die er uns verkündet: Die alltägliche und vertraute Beziehung zu Gott, den Jesus seinen Vater nennt. Die Treue zu Jesu Namen, dessen Leben und Zeugnis ihn unverwechselbar macht, wird so zum Ankerpunkt des Lebens. Wir dürfen uns freuen an der Schönheit, wir sollen mitwirken an einer guten politischen Ordnung, wir können unseren Eltern und Freunden vertrauen - wenn wir gemeinsam unser Vertrauen auf diesen Namen setzen. Amen.