Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 4. Adventssonntag Lesejahr B 2008 (Lukas)

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21. Dezember 2008 - Oberschwappach/Knetzgau

1. Alte Frau und junges Mädchen

  • Eine Frau, die das Leben schon hinter sich hat. Ein junges Mädchen, das noch daheim wohnt. Zwei Frauen stehen im Mittelpunkt, bevor Weihnachten gefeiert werden kann. Elisabet die eine, Maria die andere. Beide sollten ein Kind zur Welt bringen. Elisabet ist schon hochschwanger und wird Johannes gebären, den man den Täufer nennen wird. Maria aber hat erst mal den Erzengel Gabriel zu Besuch.
  • Es sind zwei Frauen im Mittelpunkt, denn Kinder zur Welt bringen ist Frauensache. Männer sind auch daran beteiligt; aber sie haben dabei nur kurz ihren Spaß - und Joseph noch nicht einmal das. Das Lukasevangelium erzählt, dass der Priester Zacharias im Allerheiligsten des Tempels eine Begegnung mit dem Erzengel Gabriel gehabt hatte. Ihm wurde aufgetragen, das Kind, dass seine Frau gebären werde "Johannes" zu nennen. Zacharias wollte das nicht glauben, denn er und seine Frau sind halt schon alt.
  • Gerade das nun nennt Gabriel als Zeichen dafür, dass Gott nichts unmöglich sei. Denn Maria hat er noch unglaublicheres angekündigt: dass sie ganz ohne das Mitwirken eines Mannes ein Kind bekommen würde. Die alte Frau, die noch mal ein Kind bekommt, ist das Zeichen dafür, dass Gott in unserer Welt wirken kann und will. Was Gott wirken kann und will, davon handeln alle Kapitel des Evangeliums.

2. Natur und Gnade

  • Der Unterschied ist deutlich. Dass Elisabet in ihrem Alter noch ein Kind bekommt, ist unwahrscheinlich, aber nicht außerhalb jeder Erfahrung. Dass Maria ein Kind bekommt ohne dass ein Mann beteiligt sei, durchbricht das, was wir für möglich halten. Und doch ist das erste ein Zeichen, das Maria genannt wird, um das Unmögliche zu erwarten.
  • Zuerst also kommt der Blick darauf, was möglich ist. Alte Frauen bekommen keine Kinder mehr - normalerweise. Alte Männer ändern ihren Charakter nicht mehr - normalerweise. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer - normalerweise. Wer in der Kirchenbank seinen Stammplatz hat, ist von dort nicht mehr zu versetzen - normalerweise. Und so weiter.
  • Dabei liegt in der alten Schöpfung das Potential zu unerwartetem Neuen. Lange haben sich Christen gegen die Erkenntnis gewehrt, dass die Schöpfung der Evolution unterliegt. Dabei ist gerade darin das wunderbare von Gottes Schöpfung, dass sie das Potential hat, sich zu entwickeln und das, was statistisch ganz und gar unwahrscheinlich ist, möglich bleibt. Was bislang als unfruchtbar galt, hat in Gottes Schöpfung noch ganz unerwartete Möglichkeiten: "Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich."

3. Das Unmögliche wird Wirklichkeit

  • Die Jungfrau soll ein Kind bekommen. Damit tritt Gott selbst in die Welt ein. Die Leute der Antike wussten damals, dass immer wieder Herrscher von sich behauptet hatten, von irgendwelchen Göttern abzustammen. Israel aber wusste, dass es nur einen Gott gibt. Dieser Gott hat einen Bund mit seinem Volk geschlossen. Wenn dieser Gott Gegenwart wird, dann ist das kein Mythos.
  • Gott selbst will bei uns sein. Das ungeschaffene Wort will Fleisch werden, geschaffene, endliche, gebrechliche Materie. Kein Wunder, dass Maria erschrickt. Aber Gott kommt nicht um Furcht zu verbreiten, sondern um in seiner Schöpfung uns zu begegnen: "Fürchte dich nicht, Maria". Gott kommt, um uns zu zeigen und zu offenbaren, dass die ganze Schöpfung berufen ist, in der Liebe Gottes zu leben.
  • Und so verweist das Unmögliche auf das Mögliche. Die Geburt des Kindes aus der Jungfrau verweist darauf, dass das, was "als unfruchtbar galt" noch so viele Möglichkeiten hat, die entdeckt werden sollen. Gott wird Mensch. Maria wird zum Zeichen für Elisabet. Und dadurch werden wir Menschen darauf gestoßen, dass wir so viel mehr tun können, als wir uns selbst oft zutrauen. Neues ist möglich. Evolution ist möglich. Veränderung ist möglich. Wir können es wagen, weil die Verheißung gilt, dass nichts unmöglich ist, wenn wir uns an den einen Gott halten, der Mensch wird unter uns. Amen.