Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2005 (1. Petrusbrief)
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13. April 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius, Frankfurt
1. Erlöste Standards
- Christen sind erlöste Menschen. Da Jesus Christus doch von sich sagt,
er sei vom Vater "gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle
haben", gibt er selbst das Erfolgskriterium. Es scheint doch, dass Christen
nur aus dem Vollen leben sollten. Es sollte ruhig sichtbar sein, dass sie
erlöst sind.
- Gott ist gekommen und Mensch geworden. Das glauben die Christen. Gott ist
einer von uns geworden, damit wir Anteil erhalten an Gottes Leben. Wie sollte
unser Leben zu anderem bestimmt sein, als göttlich zu sein. Wie sollte
es zu weniger berufen sein, als teilzuhaben an der Fülle Gottes. In Gottes
Gesellschaft zu leben und das auszustrahlen, das wäre doch christlich und
ein wahrhaft erfolgreiches Leben zugleich.
- Erfolg führt zusammen. Deswegen dürfte doch nichts zu sagen sein
gegen Vereinigungen und Verbindungen von Christen, die erfolgreich sind. Natürlich,
sollten solche Vereinigungen darauf schauen, dass sie ethischen Standards
ebenfalls in herausragender Weise genügen. Denn das doch sollte für
Christen selbstverständlich sein, dass sie sich privat und gesellschaftlich
an ethischen Standards orientieren.
2. Gnade zu Leiden
- Leiden als Gnade. Das passt nicht zu den bislang so klaren Beschreibungen
eines wahren Christenmenschen. Und doch steht da im Ersten Petrusbrief, zu
leiden "ist eine Gnade in den Augen Gottes". Ein merkwürdiger
Blickwinkel scheint das. Es soll eine Gnade sein zu leiden. Gnade, das meint
Geschenk und Gabe. Im Glauben bedeutet Gnade eigentlich das Höchste und
Schönste, das Gott uns schenken kann: Sich selbst. Gnade ist nichts Blutleeres
oder Harmloses. Es ist Fülle und Leben. Und Leiden soll solchemaßen
Gnade sein?
- Nicht jedes Leiden ist Gnade. Das ist es vielleicht nicht einmal für
ausgeprägte Masochisten. Und mit Masochismus hat das hier alles nicht
das geringste zu tun. "Denn es ist eine Gnade, wenn jemand deswegen
Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet, weil er sich in seinem
Gewissen nach Gott richtet." Es geht hier nicht um eine Nebensache. Ganz
am Ende dieses wichtigen Briefes steht zusammenfassend und betont, dass dies
die Hauptsache ist, dass nicht etwas anderes sondern dass eben dies "die
wahre Gnade Gottes ist, in der ihr stehen sollt" (1 Petr 5,12).
Wenn jemand "Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet"
aus dem Grund, weil er sich in seinem Gewissen an Gott orientiert, dann ist
das das Höchste und Schönste, Gnade eben.
- Der Erste Petrusbrief ist nicht abstrakt. Er richtet sich an Christen, die
in der Tyrannei des römischen Staates und der Verfolgungen der antiken
Gesellschaft leben. Er richtet sich an Sklaven und an Frauen, die je auf ihre
Weise darunter zu leiden haben, dass die "despótês"
(in 1 Petr 2,18), die Herren im Haus, sie zum Spielball ihre Ungerechtigkeit
und Launen machen. Diesen wird der Weg der Gnade gewiesen: Sie sollen die
Willkür dieser Herrscher ins Leere laufen lassen, indem sie ihnen den
Triumph nicht gönnen, dass Verfolgung und Schläge die Verfolgten
und Geschlagenen klein macht. Im Gegenteil.
3. In Gesellschaft Jesu
- Ungerechtes Leiden erhöht. Es macht die Christen groß, weil sie
damit an die Seite des menschgewordenen Gottes erhoben werden. "Er hat
keine Sünde begangen, und in seinem Mund war kein trügerisches Wort.
Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht; er litt, drohte aber nicht,
sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter." Nicht
das Leiden aus Schwäche, nicht das Leiden in Folge eigener Verfehlungen
erhebt, sondern das Leiden, das einer auf sich nimmt, weil er den innersten
Maßstab an Gott nimmt, "sich in seinem Gewissen nach Gott richtet".
Natürlich ist es schön, wenn das geht, ohne deswegen leiden zu müssen.
Es spricht aber nicht nur die historische Erfahrung dagegen. Es ist auch eine
innere Erfahrung wichtig: Wenn ich aus Liebe zu Christus bereit bin, Leiden
zu ertragen, wenn ich mich an Gott ausrichte, dann werde ich davon nicht ablassen,
wenn das Leiden ausbleibt. Wenn ich aber nur dann mein Gewissen an Gott ausrichte,
wenn das mit äußerem Erfolg gepaart ist, dann ist die Umbiegung
des ganzen Menschen zur willfährigen Marionette vorprogrammiert.
- Der christliche Glauben ist ein Schauen auf Christus. Moralisch hohe Standards
sind selbstverständlich, aber kein christliches Privileg - bei weitem
nicht. Christlich zu glauben ist vielmehr, von der eigenen Mitte her auf Jesus
Christus zu schauen und von da her dem eigenen Leben Richtung zu geben. Das
besteht in der eigenen, stillen Betrachtung und Lektüre des Evangeliums.
Das besteht im gemeinsamen Hören auf das Wort Christi hier in der Liturgie.
Das besteht nicht zuletzt darin, dass wir leibhaftig erfahren, dass Gott sich
brechen lässt im Brot und dadurch die Gemeinschaft stiftet, die am heutigen
Sonntag auf allen Kontinenten und aus allen Völkern genau dies feiert.
- Es ist eine Gnade in Gesellschaft dieses Gottes zu sein. Denn keineswegs
bedeutet das Gesagte Vertröstung auf ein ewiges Leben. Es ist vielmehr
die Gnade hier, mitten in unserer Gesellschaft, erfüllt und frei zu leben.
Denn wer im Blick auf den Gekreuzigten das Kreuz nicht fürchtet, weil
er um die Auferstehung weiß, der ist so frei, das kein Despot ihm etwas
anhaben kann. Er zittert nicht vor dem Professor, der statt Wissenschaft und
Forschung nur Anbetung will. Er zittert nicht vor der Drohung, dass ihm der
Erfolg gestrichen wird, denn der größte Erfolg ist ihm, in Gesellschaft
Jesu zu leben; nicht nur als Kurzform im Namen, nicht nur Christ zu heißen,
sondern als untrennbare Verbindung mit Christus. Das ist die Gnade der Souveränität
und Freiheit eines Christen, die, ganz nebenbei, auch moralische Maßstäbe
hat, weil sie sich nicht an äußerem Erfolg und Wohlergehen ausrichtet,
sondern ganz an Gott. Amen.