Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2007 (Apostelgeschichte)

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6. Mai 2007 - Hochschulgottesdienst Kaiserdom Frankfurt

1. Warum glauben

Was habe ich davon zu glauben? Die Frage klingt berechtigt. Würden wir ein Mikrophon durch die Reihen geben, kämen vielleicht interessante Antworten. Der Glaube könnte helfen Krisen zu bewältigen. Oder er könnte Trost geben oder Zuversicht. Er könnte helfen, ein Konzept zu haben für das Leben. Er könnte momentan ganz angesagt sein, seit die katholische Kirche in den Medien so präsent ist. Er könnte Teil eines neuen Lebensgefühls sein Und vieles andere ließe sich nennen.

Aber ist diese Frage überhaupt sinnvoll? Dafür müssten wir erst einmal nachhören, was Leute so unter 'glauben' verstehen. Denn für manche bedeutet Glauben, dass man etwas halt nicht so genau weiß, aber aus emotionalen Gründen doch annimmt. So, wie wenn man nicht weiß, ob sich die Erde um die Sonne dreht, sich das aber irgendwie gut anfühlt. Außerdem bekommt man mit diesem Glauben keinen Ärger mit den Lehrern in der Schule. So kann man dann auch glauben, dass es irgendwie einen Gott gibt, weil das beruhigt und weil es doch viele andere auch glauben.

Der Vergleich hinkt aber doppelt. Denn ist es denn wirklich so, dass man beliebig sich entscheiden kann, dieses zu glauben oder jenes, wie man sich einen Buchttitel bei Amazon aussucht - und interessiert nachliest was Käufer dieses Buches noch so kaufen. Und ist es - zweitens - wirklich so, dass es beim Glauben um ein vermindertes Wissen geht, etwas das ich nicht so genau weiß und daher als beliebig ansehe? Kann ich mal glauben, mal nicht glauben, je nachdem, ob ich etwas davon habe.

2. Wahrer Glaube

Vielleicht haben wir aber gar nichts davon zu glauben. Als Paulus und Barnabas durch die Gemeinden kommen, die sie kurz zuvor in Kleinasien gegründet hatten ermahnten sie die Neuchristen "treu am Glauben festzuhalten; sie sagten: Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen." Das liest sich so, als würde der Glauben uns nur Scherereien bringen. Und wenn wir brav die Zähne zusammenbeißen und das aushalten, kommen wir - nach dem Tod - in den Himmel.

Tatsächlich ist Glauben aber eher ein Erleben. Ich kann mich dagegen wehren, aber ich kann es nicht 'machen'. Manchmal ist es ein unterschwelliges Erleben, das wie ein basso continuo mitläuft, manchmal ist es ein schlaglichtartiges Erleben. Beides kann man übertönen oder wegdrücken. Aber ich kann Gott nicht 'machen' und nicht die Erfahrung Gottes. Ich kann mich im Dunkeln verstecken, aber das helle Licht des Tages kann ich nicht machen.

Wenn ich mich aber darauf einlasse, muss ich gewahr sein, dass es mein Leben verändert. Leute, die ihr Leben nicht in Griff haben, werden deswegen vielleicht versuchen, sich die Erfahrung zurechtzubiegen. Aber wenn es der lebendige Gott ist, den ich erfahre und nicht ein bedürfnisorientiert zusammengestellter Wunschglaube, dann wird das Konsequenzen haben. Der Weg, zwischen Selbstgezimmertem und dem wahren Gott zu unterscheiden, ist die Auseinandersetzung mit dem Zeugnis der Heiligen Schrift. Wer das Evangelium liest, kommt nicht umhin zu merken, wie herausfordernd Jesus Christus war und ist.

3. Standhaft glauben

In Syrien und Kleinasien hat damals Neues begonnen. Menschen wurden durch die Verkündigung des Barnabas und Paulus so berührt, dass sie ihr Leben veränderten. Sie blieben in ihren Berufen. Sie blieben in ihren Familien und sozialen Beziehungen. Vielleicht haben sie sich ihre Freunde besser ausgesucht. Aber das alles wurde von Grund auf neu gefärbt durch die Begegnung mit 'dem Wort', das sie gehört hatten. Es ist ihnen begegnet. Sie haben sich dieser Erfahrung gestellt.

Die Begegnung mit 'dem Wort' verändert Menschen. Das Wort Gottes - sagt der Prolog zum Johannesevangelium - ist Gott, und es ist Mensch geworden in Jesus Christus und hat unter uns gelebt. Es wird wieder Wort, dort wo die Erfahrung mit Christus verkündet wird, und Menschen davon erzählen, was ihre Erfahrung ist. Und dieses verkündete Wort wird wieder Mensch, wird "Fleisch", dort wo es andere hören und zusammengeführt werden zur Gemeinschaft der Glaubenden. Im Leben von Menschen wird das Wort Mensch. Denn angerührt durch diese Erfahrung entdecken sie in sich die Kraft, nicht nur das zu lieben, was ihnen angenehm und nützlich wird.

Und damit sind wir bein den "Drangsalen" von den Paulus gesprochen hat. "Sie sprachen den Jüngern Mut zu und ermahnten sie, treu am Glauben festzuhalten; und sagten: Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen." Denn durch die Erfahrung der Begegnung mit dem Evangelium verschieben sich grundlegende Koordinaten. Glaubende Menschen sind weniger pflegeleicht für eine Gesellschaft, die Anpassung an den Trend fordert. Wirklich Glaubende sind stark genug auszuscheren aus dem Marsch der Trendlemminge. Vor allem können glaubende Menschen nicht schweigen, wenn die Herrschaft von Menschen über Menschen ihre Opfer fordert und damit leugnet, dass die Herrschaft Gott zusteht. "Herrschaft Gottes" aber ist die Bedeutung von "Reich Gottes". Wer in den Herrschaftsbereich Gottes gelangen will, muss sich daher auf "Drangsale" gefasst machen. Wer dem gegenüber aber standhaft bleibt, wird feststellen, dass die Freiheit der Kinder Gottes nicht erst im Jenseits kommt, sondern hier schon beginnt. Sie kann erfahren werden, ohne dass ich mir diese Erfahrung selbst gemacht hätte. Es ist Gottes Heiliger Geist, der wirkt. Und kein Tod kann das bezwingen. Amen.