Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2013 (Apostelgeschichte)

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28. April 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Lebensziel wählen

  • Wie würden wir das Ziel unseres Lebens beschreiben? Oder was wünschen wir einem Kind, dessen Taufe wir heute feiern? Es soll nicht um momentanes Wohlbefinden gehen - dazu würde derzeit eine warme Badewanne die besten Voraussetzungen liefern. Wo das Leben hinführen soll, wie dieses Kind einmal leben können soll, das ist weitaus wichtiger - und es fällt vermutlich keinem von uns leicht, dafür eine klare Formulierung zu finden.
  • Daher können wir uns von der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte einen Vorschlag machen lassen: "in das Reich Gottes gelangen". Damit ist auch klassisch dasselbe gemeint, was wir sagen: "in den Himmel kommen". Aber zu meinen, dass ein solches Lebensziel nur für das Jenseits, nicht für das Leben hier auf Erden gelten würde, wäre ein grobes Missverständnis.
  • Was uns Heutigen vielleicht das "Reich Gottes" als Lebensziel am ehesten nahe bringen kann, ist die Einsicht, dass es hier um Freiheit geht. Denn "Reich Gottes", wörtlich "Königreich Gottes" bedeutet, dass ein Mensch sich von allen Herrschaftszuordnungen befreien lassen kann: Von politischer Manipulation genauso wie von wirtschaftlicher Ausbeutung und anderen Formen der Fremdbestimmung. Gottes Herrschaft unterscheidet sich von ausnahmslos jeder anderen Herrschaft, dass sie erstens nur frei gewählt angenommen werden kann, und dass sie mich zweitens nicht den Zwecken anderer Mächte und Gewalten unterwirft, die mir irgendwie äußerlich sind. "In das Reich Gottes gelangen" bedeutet also eine von innen her kommende Freiheit das zu tun, was mit meiner inneren Überzeugung übereinstimmt (- ich komme darauf zurück).

2. Drangsale von interessierter Seite

  • Die Sache scheint nur einen Haken zu haben. Denn Paulus sagt, wie uns die Apostelgeschichte berichtet ausdrücklich: "Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen". Betont: "viele".
  • Nun sind Drangsale - also bedrängende, belastende Situationen und Erfahrungen - nichts was wir uns oder anderen wünschen, schon gar nicht viele. Paulus meint, es werde mit vielen solchen Drangsalen verbunden sein, in die Freiheit des Gottesreiches zu kommen; das müsse so sein.
  • Dieses "müssen" hat einen ganz einfachen Grund. Es gibt machtvolle Interessen, die sich dem entgegenstellen, dass wir in das Reich Gottes gelangen. Das können finanzielle Interessen sein, das kann das Interesse sein, dass bestimmte Dinge verschwiegen und unter den Teppich gekehrt werden, das kann das Interesse sein, bestimmte Fragen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das kann ein ganz unverblümtes Machtinteresse sein, das nicht zulassen kann, das sich jemand auf Gottes Reich beruft.

3. Verwandelnde Liebe

  • Zu diesen Drangsalen ist nun ein doppeltes zu bemerken: Erstens sind sie Unrecht. Wer andere Menschen bedrängt und den eigenen Interessen unterordnet, übt Unrecht. Zweitens aber: Es kann durchaus sein, dass ein Mensch durch das, was ihn bedrängt, erst zu der Persönlichkeit wird, die er werden kann. Nicht immer, aber doch zumeist liegt es an mir, ob ich das Unrecht siegen lasse, indem ich sowohl die Vergebung verweigere, als auch mich weigere, die Last anzunehmen.
  • Kreuz und Auferstehung sind der Grenzfall des absoluten Unrechts und der absoluten Überwindung des Todes. Die Vergebung im Sterben und das Hineingehen in die Wirklichkeit Gottes ist der Grenzfall. Zugleich beinhaltet dieser Grenzfall aber auch die Grundstruktur, wie täglich Auferstehung möglich ist. Er markiert, woraufhin wir getauft wurden: "Was früher war, ist vergangen".
  • Wir wünschen den beiden Kindern, die heute getauft werden, alles erdenklich Gute und dass sie in Sicherheit und Frieden aufwachsen dürfen. Mehr noch als das wünsche ich Naipi und Moritz aber, dass sie so sehr von Gottes Liebe erfüllt werden, dass sie das Schwere, das ihnen das Leben auferlegen wird, annehmen und verwandeln können. Ich wünsche ihnen dass sie österliche Menschen werden, die sich frei machen können von aller Herrschaft, die Menschen einander auferlegen wollen, um sich den Glauben schenken zu lassen, dass Gottes Reich mächtiger ist, wo wir das Gebot des Gottesreiches über alles stellen: "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt." Amen.