Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2003 (Johannes)

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25. Mai 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Die Liebe der Jünger

  • Lieben, bleiben, halten, sagen, vollkommen werden, hingeben, tun, mitteilen, sich aufmachen, hören und immer wieder: lieben. Allein die Verben in dem Bild vom Frucht bringen sind voll Atmosphäre. Es ist die Rede Jesu aus dem Johannesevangelium, deren erster Teil am vergangenen Sonntag gelesen wurde: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht".
  • Das ist das Kennzeichen der christlichen Liebe, wie sie im Evangelium vorgestellt wird: Nicht ein Gefühl, sondern eine Wirkung: Frucht. Die Bildrede vom Fruchtbringen hat nur den einen Inhalt: Wie es möglich ist, dass wir als Kirche Jesu Christi Früchte der Liebe bringen.
  • Dieses "wir" löst sich auf und setzt sich zusammen aus jedem einzelnen von uns. Die Liebe kann nur von jedem einzelnen gelebt werden und doch braucht sie, davon ist das Evangelium überzeugt, die Gemeinschaft derer, die in Christus sind und in ihm bleiben.

2. Die Freude der Freunde

  • Der eigentlich Tätige ist Gott, den Jesus "den Vater" nennt. Im Bild vom Weinstock ist der Vater der Winzer. Insofern beginnt der Weg der Liebe damit, dass wir das Wort nicht nur hören, den Vater nicht nur erkennen, sondern ernsthaft damit rechnen, es wollen und ersehnen, dass Gott handelt. Das ist der eigentliche Akt des Glaubens.
  • Es ist kein blinder Glaube, denn er lässt sich auf das ein, was Jesus uns vom Vater mitgeteilt hat. Diese Mitteilung aber nicht nur zu hören, sondern daraus zu leben, das ist Glaube. Jesus gebraucht den Vergleich vom Knecht und vom Freund. Knechte wie Soldaten müssen blind tun, was ihnen gesagt wird. Es hängt von der Gnade und Tagesstimmung ihres Herrn ab, ob er ihnen etwas über seine Beweggründe sagt. Jesus nennt die Jünger Freunde, weil ihnen kein blinder Gehorsam abverlangt wird. Das ganze Evangelium, die ganze Heilige Schrift ist nichts anderes als Mitteilung und Offenbarung Gottes, die es uns ermöglicht, in wissender Vertrautheit, als Freunde Jesu uns Gott anzubieten.
  • Dieses Anbieten ist nicht ziellos. Ganz überraschend schiebt Jesus in die Rede vom "Frucht bringen" einen Satz ein, der so manche Vorstellung darüber korrigiert, wie das aussieht, dem Willen des Vaters gehorsam Frucht zu bringen: "Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird." Überraschend ist dieser Satz zumindest für all die, die den Glauben als Pflicht und die uns aufgetragene Liebe als Liste moralischer Forderungen missverstehen. Nichts weniger als das ist das Ziel der Rede Jesu Freude, jene innere Heiterkeit, die es möglich macht, sich der Wirklichkeit zu stellen und mit innerer Überzeugung zu handeln.

3. Das Werden durch Bleiben

  • Jesus ist von der Möglichkeit überzeugt, dass unsere Freude vollkommen wird. "Vollkommen werden", dieser Ausdruck beinhaltet sowohl ein Ziel als auch eine Dynamik. Er setzt ein Entwicklungspotential voraus, dass der Ist-Zustand noch nicht die Grenze des Möglichen ist, sondern im Ist das Potential für Größeres, ja für Vollkommenheit liegt. Der Glaube will im Leben die Dynamik wecken, dass im Gegenwärtigen Freude uns vorantreibt zur Freude, die vollkommen wird.
  • In den Zusammenhang dieser Bewegung gehört die Aufforderung Jesu: "Bleibt in meiner Liebe! ". Lasst euch darauf ein und bleibt. Verharrt nicht in euch selbst, sondern bleibt in meiner Liebe, den so könnt ihr Frucht bringen. Die Aufforderung meint ganz sicher auch ziemlich konkret das Zusammenbleiben in der Gemeinde, das gemeinsame Hören auf das Wort der Schrift, das gemeinsame Beten und Singen. Es meint aber auch die sehr persönliche Hinwendung, das durch den Alltag hindurch getragene Gebet, das zu Jesus spricht als unserem Freund.
  • Denn das ist das tragende Element im Bild vom Frucht bringen: Dass dieser Jesus Christus für uns der Ort und der Weg ist, um die Freude unseres Lebens zu bringen. Er ist es, weil er selbst eine einzigartige Beziehung zu Gott, dem Vater hat. Er ist es aber auch, weil er diese Nähe nicht exklusive für sich bewahrt, sondern sein ganzes Leben bis zur Hingabe am Kreuz eine beständige Einladung an uns ist, uns dieser Gottesdynamik anzuschließen. Im Namen Jesu gibt uns Gott alles, was er hat und ist. Sich selbst. Amen.