Predigten zum 6. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2001
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20. Mai 2001 - khg St. Nikolai Göttingen
1. Wo wohnt Gott?
- Wir sollten einmal über den Himmel sprechen, sozusagen über die
häusliche Seite Gottes. Denn in der Heiligen Schrift
wird gerne vom Himmel als der Wohnung Gottes gesprochen, und im Vater
Unser sprechen wir es ebenfalls aus: Gott,
unser Vater, ist im Himmel. Grund genug, darüber zu sprechen.
Nun ist der Himmel natürlich nicht Gott selbst. Wie wir im Credo
bekennen, ist der Himmel geschaffen, wie alles andere
auch, was nicht Gott selbst ist. Das heißt doch aber, dass einen Gott
"Ort" im Geschaffenen hat, eben im Himmel.
- Von Alters her war man sich darüber im Klaren, dass das Firmament,
der Himmel, an dem wir die Sterne sehen, nicht der
Himmel ist, von dem im Glaubensbekenntnis die Rede ist. Auch mit
Raumschiffen sieht man diesen Himmel nicht.
Dennoch gibt es kein ergreifbareres Wort und Bild für die umfassende
Wirklichkeit, von der her Gott uns anrührt, als
eben jener alles umfassende Himmel über uns.
- Der Himmel, das ist jener Teil der Schöpfung, der zu Gott hin eine
Offenheit besitzt. Vom Himmel her kann Gott sich im
Sichtbaren offenbaren, weil der Himmel über uns unser Leben umfasst. Der
Himmel sind nicht nur die unendlichen
Weiten, sonder atmet auch etwas der Ewigkeit. Das Sichtbare wird uns
hier zum Namen des Unsichtbaren.
2. Wo begegnen wir Gott
- Das Buch der Apokalypse spricht in doppelter Weise vom Himmel. Zum
einen ist der Himmel die Dimension der
Schöpfung, in der geschaut wird, was an der Oberfläche im Wust der
Fakten verschüttet und unsichtbar bleibt. Im
Himmel zeigt sich, dass Gottes Liebe allen Herrschaftsanspruch von
Menschen überwindet. Dies ist der Himmel, nach
dem wir uns ausstrecken, wenn wir in Meditation, im Fest und in der
Ekstase die Oberfläche der Welt durchstoßen, um
uns für Gott zu öffnen.
- Die Erfahrung sagt aber, dass ich gerade in der Meditation auch
etwas ganz Anderem begegnen kann als Gott. Ich kann
mich im Geistlich-Geistigen genau so in mir selbst und meinem Egoismus
verlieren, wie dort, wo die Gesetze der Macht
und des Geldes regieren. Deswegen ist der Weg ins Kloster nie schon der
Weg ins Heil.
Vielleicht kann man das bildlich so ausdrücken. Der Himmel ist der Ort,
wo Gott wohnt. Aber diese Wohnung Gottes
wird von der Verletztheit unserer Welt angerührt; der Himmel hat Teil am
Leiden der ganzen Schöpfung. Die Erde kann
nicht geheilt werden ohne den Himmel, aber der Himmel auch nicht ohne
die Erde.
- Nur so wird verständlich, warum die Apokalypse die Verheißung
enthält, dass Gott nicht nur die Erde neu macht,
sondern auch "einen neuen Himmel" erschafft. Die ganze Schöpfung will
Gott erneuern, nicht den Himmel isoliert und
nicht die Erde isoliert. Dies haben wir am letzten Sonntag im Ausschnitt
aus der Offenbarung des Johannes gehört.
Heute wird das Bild auf bedeutsame Weise präzisiert. Aus dem erneuerten
Himmel steigt "die heilige Stadt Jerusalem" zu
den Menschen herab.
3. Spiritualität
- Der Himmel ist der Ort, von dem her sich uns die Tiefendimension
unserer Wirklichkeit zeigt. Die Offenbarung des
Johannes erschließt diese Tiefendimension aber nicht nur vom Himmel der
Gegenwart her, sondern zugleich von der
Zukunft her: Von einem Neuen Himmel, so die Vision, steigt eine Stadt
herab, ein Neues Jerusalem. Ein Stadt in der
Gemeinschaft möglich wird, weil nicht mehr Macht und Geld Gesetz der
Stadt ist. Die Tiefendimension der Gegenwart
offenbart auch ihre Zukunft.
- Nur in diesen Bildern zusammen wird uns begreiflich, wo Gott wohnt
- und wo wir ihm begegnen. Gott wohnt zugleich
in unserer Mitte, weil der Himmel Gottes die Tiefendimension unserer,
hier und jetzt ganz realen Welt ist. Sie zu sehen
will die Heilige Schrift uns die Augen öffnen. Zugleich aber hat Gott
mit seiner Menschwerdung begonnen, die Zukunft
der Welt zu verändern, in Jesus Christus, von dem die Apokalypse immer
im Bild des Lammes spricht. Nicht nach einem
fixen Drehbuch, sondern in der Begegnung mit dem menschgewordenen Gott
soll die ganze Schöpfung erneuert werden.
- Wir beten in der Kirche - zum Vater im Himmel. Wir bekennen
Christus, der im Sakrament unter uns gegenwärtig ist -
und doch zum Himmel aufgestiegen, um von dort her die Erlösung zu
vollenden.
Das Neue Jerusalem, diese Stadt in der Menschen aus allen Völkern wohnen
können, wird keinen Tempel mehr haben,
weil Gott selbst in ihr wohnt, "er und das Lamm". Gemessen an dieser
Zukunft sind wir noch unterwegs. Noch haben wir
Tempel, irdische Orte, an denen wir dem Namen Gottes begegnen. Die
Kirche aber ist nicht das Ziel. Das Ziel ist die
volle Gemeinschaft mit Gott. Dann wird der Vater im Himmel ein Vater in
unserer Mitte sein in einer neuen Stadt der
Menschen. Wo wir den Heiligen Geist, den uns Christus hinterlassen hat,
schon in unserer Stadt wirksam werden lassen,
hat diese Zukunft bereits begonnen.