Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2014 (1. Petrusbrief)

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1. Juni 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Erster Punkt: Gerechtigkeitsempfinden

  • Wer will schon ungerecht behandelt werden? In eigener Sache sind wir da sehr sensibel. Wer sich ungerecht behandelt oder zurück gesetzt fühlt, wessen gute Gründe ignoriert oder verleumdet werden, wer zu unrecht beschuldigt wird .... der sieht sich nicht selten nicht mehr an die üblichen Regeln des Zusammenlebens gebunden. Aus Gründen der ausgleichenden Gerechtigkeit nimmt er sich, was er meint, dass ihm zusteht und ihm doch verweigert wird. Er fühlt sich vollkommen im Recht, wenn er - so angegriffen - mit gleicher Münze zurückzahlt.
  • Ich könnte jetzt von der letzten Beziehungskrise im Bekanntenkreis oder unter den Jesuiten erzählen oder genauso gut auch vom Krieg Russlands in der Ost-Ukraine sprechen. Denn glaubt man den Russland-Verstehern, dann ist die Gewalt, die wir dort sehen, zu erklären aus der ständigen Zurücksetzung und Erniedrigung Russland durch den Westen.
  • Wenn ich mir anschaue, wie nach meiner direkten Lebenserfahrung Konflikte in Beziehungen eskalieren, dann dürften die Russlandversteher richtig liegen. Allerdings erklärt dies bestenfalls die Gewalt; keinesfalls rechtfertigt sie sie. Auf jeden Fall ist das subjektive Empfinden ungerecht behandelt zu werden, eine der häufigsten Ursachen für Gewalt - ob das subjektive Gefühl trügt oder recht hat.

2. Zweiter Punkt: Gottvertrauen

  • Die Zusammenstellung der Lesungen am heutigen letzten Sonntag vor Pfingsten illustriert was christlicher Glauben bedeutet: Ein nach vorne gerichtetes Vertrauen, getragen von einer Zuversicht auf Gottes Geist.
  • Ein nach hinten gerichtetes Vertrauen schaut nur wehmütig auf eine verlorene Vergangenheit, hinter der jede Gegenwart notwendig zurück bleibt und die den Schmerz des Verlustes wach hält. Es ist der Nährboden für das finstere Gefühl, ungerecht behandelt zu werden und überall zu kurz zu kommen.
    Nach vorne gerichtet ist ein Vertrauen, das sich der Gegenwart Gottes sicher ist. Ein Vertrauen, dass Gott die nicht verloren gehen lässt, die auf ihn vertrauen und seinem Namen glauben. Oder, präziser gesagt, die dem Namen Jesu glauben: Dem Namen dessen, der ungerecht gelitten hat und gekreuzigt wurde, aber nicht verloren ging, sondern von den Toten auferstand.
  • Das nach vorne gerichtete Vertrauen setzt daher nicht auf eine naive Zuversicht, irgendwie werde schon alles gut. Vielmehr ist es eine Geisterfahrung in der Gegenwart, die für die Zukunft auf diesen Gott vertrauen lässt, der uns die Fülle des Geistes verheißen hat.

3. Dritter Punkt: Geisterfahrung

  • Der Ort der Erfahrung des Geistes ist die ungerechte Beschuldigung. So verstehe ich den Satz aus dem Ersten Petrusbrief: "Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr selig zu preisen; denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes, ruht auf euch."
    Nicht irgendwie beschimpft zu werden ist positiv, sondern "wegen des Namens Christi" beschimpft zu werden, ist positiv. Mit "Namen Christi" ist dabei nicht eine Äußerlichkeit gemeint, denn manche vertreten und tun im Namen Christi allerlei Unsinn und sonnen sich dann im Wohlgefühl selbsternannter Martyrer. "Namen Christi" bezeichnet vielmehr das, wofür Christus steht: Die Gewaltfreiheit, das absolute Gottvertrauen im Gegenüber zu menschlichen Machtansprüchen, die Verkündigung der barmherzigen Liebe Gottes zu seinem Volk, usw.
  • Jesus hatte zur Skepsis gemahnt, "wenn euch die Menschen loben" (Lk 6,26). Die Erfahrung der Christen ist von Anfang an, dass Lob der Menschen der schlechteste Maßstab dafür ist, ob ein Leben und Handeln gut, stimmig und heilsam ist oder nicht.
    Allzu viel Lob ist kein Maßstab, aber doch ein Indikator zur Skepsis. Umgekehrt aber gibt es die Erfahrung derer, die sich an die Seite derjenigen stellen, die von einer Gruppe oder der Gesellschaft ausgeschlossen und zur Schnecke gemacht werden. Immer wieder schildern Christen, die sich in dieser Weise - ganz praktisch - zum "Namen Christi" bekennen, dass sie in diesen Augenblicken den Geist Gottes machtvoller erfahren haben denn je. Mitten im Sturm der ungerechten, hasserfüllten Anfeindung schenkt der Geist Gottes unbeschreiblichen Frieden und Zuversicht.
  • Es sind seltene Augenblicke, in denen Christen in dieser intensiven Weise Gottes Geist erfahren, weil sie in der Nachfolge Jesu in einen Konflikt berufen werden.
    Es gibt aber für jeden von uns das 'Übungsfeld' der Erfahrung des Heiligen Geistes, den Christus uns vom Vater her schenkt. Das Übungsfeld sind all jene Kränkungen, Zurückstellungen, alltäglichen Ungerechtigkeiten, in denen wir subjektiv alles Recht hätten uns zu wehren und zurück zu schlagen. Oft wird es nötig sein, sich um der Wahrheit willen zu wehren. Aber mindestens so oft gäbe es die Gelegenheit, mit dem Vertrauen in Gottes Macht Ernst zu machen und einmal nicht das erlittene Unrecht zum Anlass für einen Gegenschlag zu nehmen, sondern die andere Wange hin- und die Klappe geschlossen zu halten. Es fällt schwer, ich weiß das sehr gut. Ich ahne aber, dass es diese ganz konkreten Situationen sind, in denen der Heilige Geist die Gelegenheit nutzt, sich als machtvoll zu erweisen - wenn wir ihn nur lassen. Amen.