Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2023 (Johannes)
Zurück zur Übersicht von: 7. Sonntag der Osterzeit A
21. Mai 2023 - St. Peter, Sinzig
1. Zufällige Berufung
- Dass ich ein Christ bin, ist ein historischer und ein geographischer Zufall. Wäre ich zu anderer Zeit an einem anderen Ort geboren, in einer anderen Familie groß geworden und wäre ich anderen Menschen begegnet, so wäre mein Leben anders verlaufen. Ob besser oder schlechter - wer will das sagen? Es gehört zum Leben, dass wir nur eines haben.
Es geht nicht um besser oder schlechter, um ein Was-wäre-wenn?, oder auch nur um Andere, die zu anderer Zeit geboren sind und anderswo leben. Es geht um mich. Oder um Dich. Oder um Sie. Hier!
- Deswegen störe ich mich nicht daran, dass Jesus in dem großen Gebet, das er zum Abschied von seinen Freunden betet, zu Gott sagt: "Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast." Denn es damit rein gar nichts über Menschen gesagt, die nicht im Raum sind. Vielmehr geht es jetzt um diese hier. Sie sind "zum Glauben gekommen", durch Zufall, eigentlich.
- Doch dieser Zufall – in Gottes Augen ist es immer Berufung. Durch den Zufall meiner Geburt in einer christlichen Familie bin ich berufen, als Christ zu leben. Durch den Zufall einer Begegnung mit einem Menschen ist ein Anderer zum Glauben an Jesus Christus gekommen. In der Sprache des heutigen Evangeliums dankt Jesus Gott dafür, dass der Vater ihm diese Menschen hier gegeben hat.
- Bei Gott gibt es kein "nur" Zufall. Was mir und Dir zugefallen ist, ist meine und Deine Berufung. Über andere Menschen spricht Jesus an anderer Stelle (Joh 10,16) in einem Tonfall der besagt: Was deren Berufung ist, können wir dem Gott überlassen, der alle Menschen liebt.
2. Ewiges Leben
- Der letzte Abend und das große Gebet Jesu für seine Jünger und Freunde, gilt auch uns. In der Heiligen Messe werden wir kultisch mit hineingenommen in das, was damals zwischen Jesus und den Seinen passiert.
Jesus betet zu seinem Vater: Du hast mir Macht über alle Menschen gegeben, "damit ich allen, die du mir gegeben hast, ewiges Leben schenke. Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus." Es ist ganz klar: Jesus spricht vom "Ewigen Leben" nicht wie von etwas, das jemand wie eine Belohnung für Wohlverhalten nach dem Tod bekommt. Vielmehr spricht Jesus über das Leben dieser konkreten Menschen, die zu ihm gehören.
- Und noch einmal: Wie Gott anderen Menschen sein Leben schenkt – wir können es Gott überlassen. Wie er uns dieses Leben schenkt: durch Erkennen und Spüren, durch Feiern und Durch-Tragen des gemeinsamen Weges: Von Gott her ist es uns zugefallen. Von Gott wurden wir auf diesem Weg zu diesem Gott geführt, der Jesus Christus gesandt hat, seinen Sohn! Jetzt diese Beziehung zu leben, ist Ewiges Leben!
- Dieser Gottesdienst heute ist daher Feier des Ewigen Lebens. Denn Leben, das geschenkt ist, ist Beziehung. Wie wir manchmal sagen: Diese Begegnung lässt mich aufleben. Das Ewige Leben beginnt dort, wo wir in Beziehung zu Gott und seinem Gesandten leben. Ihn lieben und seine Gebote halten, das ist Leben (Joh 14,21). Und weil es Gott ist, ist das Leben ewig und kann es durch keinen Tod zerstört werden.
3. Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten
- Die Texte der biblischen Lesungen heute stehen bewusst zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Sie sind Abschied und Verheißung zugleich. Denn die Beziehung zu Gott ist eine Beziehung, die freilässt. Bisher waren die Apostel mit Jesus zusammen. Es war die enge Beziehung zwischen Meister und Schüler – Jüngerschaft ist das alte Wort dafür. Jesus hat berufen, zu wem ihn der Zufall geführt hat. Sie sind zusammen gewandert, haben zusammen gegessen und gefeiert, gesprochen und diskutiert, Jesus hat sie in die Schule Gottes genommen. Wenn wir die Berichte der Evangelien lesen, dann besteht das Wunder von Ostern darin, dass diese Nähe über den Tod am Kreuz hinaus möglich war: Die Auferstehung Jesu ein Zeichen dafür, dass "Ewiges Leben" in sich zu haben eine Beziehung ist, die über den biologischen Tod hinausgeht.
- Doch diese Erfahrung war zeitlich begrenzt. Lukas macht in seinem Evangelium diese Grenzen am jüdischen Festkalender fest, doch das dürfte symbolisch gemeint sein. Wichtig ist, dass schon für die ersten Jünger Jesus 'nach Himmelfahrt' eben nicht mehr gewohnt physisch gegenwärtig war. Vielmehr ist der Christus Jesus eingegangen in die grundlegende Erfahrung des Volkes Israel, dass Gott uns nahe ist. Der Gott auf dem Weg ist der Gott, zu dessen Rechten Christus ist. Der Gott, der seinem Volk in der Wüste vorangeht, ist in der Wolke, in die Jesus an Himmelfahrt emporgehoben wurde (Apg 1,9).
- Es ist der göttliche Zufall einer Begegnung mit einem glaubwürdigen Menschen, vielleicht auch nur der Zufall einer Geburt in einem traditionell eher christlichen Land und in dieser und jener Familie, aufgrund derer uns Christus begegnet ist. Vielleicht haben nicht wenige Christen das zufällige Drumherum bislang als das Entscheidende missverstanden. Vielleicht halten sie sich fest an Tradition und Form und Folklore. Doch das Ewige Leben kommt nicht durch solcherlei. Das Ewige Leben kommt durch die Beziehung zu Christus. Und genau deswegen beten die Christen, nachdem ihnen der 'äußere' Jesus genommen ist, um den Geist, der heilig ist und den uns der Vater vom Himmel her sendet, wohin sein Christus emporgehoben wurde, um unser Leben zu sein. Tag für Tag. Und darüber hinaus.