Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag im Lesejahr B 2012 (2. Korintherbrief)

Zurück zur Übersicht von: 7. Sonntag Lesejahr B

19. Februar 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Vertrauen

  • Es lohnt sich auf die eigene Grundstimmung zu schauen. Neige ich spontan erst zu Misstrauen oder zu Vertrauen? Ist die Grundfärbung meines Lebens von Enttäuschung geprägt, oder trägt sich ein Trauen in das Leben durch? Da Vertrauen ein anderes Wort für Glauben ist, wird hier mein grundlegendes Verhältnis zu Gott angesprochen.
  • Der Glaube findet dort statt, wo ich mein eigenes Leben im Angesicht meines Gottes sehe. Ob ich tatsächlich Gott vertraue und ob ich ihm zutraue, dass mein Leben nicht in's Leere läuft, das ist keine Frage, die ich mit einfachem Ja oder Nein beantworten kann. Glaube ist nicht messbar.
  • Der Glaube besteht nicht einfach darin, viel über den in der Bibel bezeugten Gott zu wissen, sondern diesem Gott im konkreten Leben zu vertrauen. Das betrifft einzelne Situationen, färbt aber eben auch den Grundton meiner Existenz. Zugleich strahlt Gottvertrauen oder Gottmisstrauen aus auf meine Fähigkeit Menschen offen zu begegnen und mit Enttäuschungen umzugehen.

2. Zuverlässigkeit

  • Paulus benennt dieses Thema in seinem Brief an die Korinther. Der Abschnitt ist einem Brief entnommen, der auf einen Konflikt zwischen ihm und der Gemeinde in Korinth zurückschaut. Der Konflikt war im Prinzip gelöst. Paulus schlug daher einen dankbaren und frohen Ton an. Aber es blieb in Korinth dennoch ein Zweifel zurück, wie zuverlässig Paulus sei.
  • Er hatte einen Besuch angekündigt und war dann doch nicht gekommen. Hatte er dafür "Gründe dem Fleische nach", also irgendwelche rein weltlichen Gründe, so scheint gefragt worden zu sein. Es spricht für Paulus, dass er das Problem anspricht und nicht im Versöhnungstaumel unter den Teppich kehrt. Aber Paulus, der Apostel, mutet den Korinthern eine grundlegende Antwort zu. Er spannt den Bogen von seiner eigenen Zuverlässigkeit in der konkreten Reiseplanung, über die Zuverlässigkeit des von ihm verkündeten "Wort euch gegenüber" bis zur Zuverlässigkeit Gottes, der ihn zum Apostel Christi berufen hat und "uns und euch in der Treue zu Christus festigt".
  • Paulus betont jedes Mal: Auf allen drei Ebenen ist nicht Ja und Nein zugleich, sondern das Ja gilt und es gilt ebenso das Nein: ob es um konkrete Absprachen geht, um die Verkündigung des Evangeliums oder letztlich um die Treue und Zuverlässigkeit Gottes selbst.

3. Treue

  • Die Treue Gottes ist also Maßstab der Treue zum apostolischen Glauben und der Verlässlichkeit im Tagtäglichen. Wenn im heutigen Evangelium die Leute zweifelnd über Jesus sagen "Keiner kann Sünden vergeben, außer Gott allein", so entspricht dem: Keiner ist bis ins Letzte treu, außer Gott allein. Diese Treue - und die Fähigkeit Sünden zu vergeben wurzelt in dieser Treue - ist im Leben Jesu greifbar "hier auf der Erde". Das Kreuz ist Ausweis der Treue des Sohnes; die Auferweckung ist Ausweis der Treue des Vaters. Dies verlässlich zu verkünden ist erste Aufgabe der Kirche und des kirchlichen Amtes. Im Blick auf die Kirchengeschichte fällt mir das eine auf: Selbst die unwürdigsten Vertreter der Kirche haben - gewollt oder ungewollt - doch das Evangelium weitergegeben, manchmal gleichsam als wirksames Mittel des Heiligen Geistes gegen die konkrete Kirche und damit als Heilmittel für die Kirche.
  • Gott ist treu. Im Blick auf mich persönlich scheint mir, dass Vertrauen stärker den Grundton bestimmt, als Misstrauen. Ich setzte meine Hoffnung darauf, dass Gott 'in the long term' seine Treue sogar durch Akte der Untreue seines Volkes verwirklicht - was solche Untreue nicht rechtfertigt, wohl aber entmachten kann.
    Gottes Treue sehe ich aber auch in positiven Erfahrungen. Wo ich als Einzelner, wo wir in Gruppen, in Gemeinden und als Kirche uns dem Heiligen Geist und dem Zeugnis der Schrift stellen, da lässt sich erfahren, dass Gottes Geist verlässlich wirksam ist.
  • Das gilt selbst dort, wo Pläne revidiert werden müssen. Darauf verweist Paulus. Er hatte seine ursprünglichen Reisepläne nicht wegen irgendwelchen äußeren Gründen verworfen. Es geschah um der Gemeinde in Korinth willen; Paulus war offenbar zur Überzeugung gekommen, dem Frieden in dieser Gemeinde mehr zu dienen, wenn er seinen Besuch verschiebt. Äußerlich kann daraus der Vorwurf der Unzuverlässigkeit gemacht werden. Getragen von einem Grundvertrauen in die Treue Gottes und der Zuverlässigkeit der Verkündigung des Apostels, kann ich jedoch im äußeren Wechsel der Entscheidung die tiefere Treue verwirklicht sehen.
    Daraus folgt für mich, was es für uns bedeutet Kirche zu sein: Je neu danach zu fragen und danach zu suchen, wie sich Gottes 'Ja' verwirklicht. Wenn der Grundton aus dem Vertrauen in Gott kommt, können wir seine Treue real erfahren. Amen.