Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 8. Sonntag im Lesejahr A 2011 (1. Korintherbrief)

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28. Februar 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gelassenheit

  • Gelassenheit kann sich nicht jeder leisten. Wer unter Druck ist, weil der Abgabetermin naht, wer sich die Arbeit nicht aussuchen kann, weil sonst die Miete nicht mehr bezahlt wird, oder wer sonstwie von anderen gehetzt wird, der wird die Aufforderung zur Gelassenheit als zynisch empfinden.
  • So gesehen kann nur gelassen bleiben, wer materiell abgesichert und sein eigener Herr ist. Beides scheint unverzichtbar, um sich die Freiheit zu leisten, ruhig und gelassen zu bleiben. Gelassenheit wäre damit eine Luxustugend. Die Wohlhabenden und Selbstständigen, die Reichen und Mächtigen können gelassen bleiben, die Abhängigen und Armen müssen kuschen und hetzen. Wie soll gelassen sein, wer eines anderen Diener und Handlanger ist?
  • Wie sehr aber Gelassenheit eine innere Haltung ist, merken die, die krampfhaft versuchen gelassen zu erscheinen. Cool zu erscheinen kann anstrengend sein, wenn man es nicht wirklich ist, sondern meint, anderen etwas vorspielen zu müssen. Es kostet viel Kraft, die Kulisse der Gelassenheit aufrecht zu erhalten, wenn ich innen drinnen unter Druck stehe und eigentlich nur unsicher bin.

2. Gott bringt an's Licht

  • "Mir macht es nichts aus", schreibt Paulus den Korinthern, "wenn ihr oder ein menschliches Gericht mich zur Verantwortung zieht". Die Korinther mögen ihn prüfen, durchleuchten und durchschauen. Ja, Menschen mögen ihn wie Gott am Tag des Gerichts vor sich zitieren. Paulus bleibt da gelassen. Dabei liegt ihm die Gemeinde in Korinth sehr am Herzen. Er ist in der Sache alles andere als unbeteiligt und gefühllos. Aber er lässt sich nicht unter Druck setzen, weil der schnelle Erfolg ausbleibt. Wenn es Gott gefällt, dann wird er eines Tages "das im Dunkeln verborgene an's Licht bringen", und damit meint Paulus vielleicht nicht (nur) das große Endgericht, sondern ganz schlicht, dass früher oder später "die Absichten der Herzen aufgedeckt" werden, weil sich niemand auf Dauer verstellen kann, weil Gutes nicht auf Dauer ohne Frucht und weil Schlechtes nicht auf Dauer ohne Schaden bleiben kann. Paulus ist sich "keiner Schuld bewusst" und will sich daher nicht verteidigen, sondern gelassen abwarten.
  • Dahinter steckt einerseits eine materielle Unabhängigkeit. Paulus ist nicht angewiesen auf die Kirchensteuer in Korinth. Das war ihm wichtig. Aber er wird seine Gelassenheit auch dann bewahren, wenn er in die Hände von Menschen gerät, die ihm wirklich Druck machen können. Am Ende wird Paulus, wie viele Christen nach ihm, durch die Hand von Menschen zu Tode kommen. Aber vielleicht war es gerade die Gelassenheit gegenüber selbst dieser Drohung und dieser Gewalt, die dem christlichen Glauben so viel mehr Kraft gegebenen haben als der römischen Staatsreligion.

3. Gott dienen

  • Wenn mir diese Gelassenheit oft abgeht, müsste ich mich fragen, wem oder was ich mich eigentlich unterwerfe. Woher kommt der Druck? Paulus schreibt "Als Diener Christi soll man uns betrachten". Er sieht sich also offenbar als Handlanger Christi. Dieses Abhängigkeit macht ihn unabhängig. In seinem Fall macht es ihn vor allem unabhängig von dem Druck, Erfolg haben zu müssen. Die Korinther wollen ihn gerne auf das Podest heben. Sie wollen Druck machen mit ihren Erwartungen an den Apostel. Darauf antwortet er mit: "Als Diener Christi soll man uns betrachten"!
  • Diener sein ist nicht populär. Aber im Grunde hat Paulus die selbe Erfahrung gemacht, auf die auch Jesus in der Bergpredigt zu sprechen kommt. "Niemand kann zwei Herren dienen". Dabei setzen beide, Paulus und Jesus. voraus, dass es eine Illusion ist zu meinen, ich würde niemandem dienen, wenn ich nur ganz frei und unabhängig bin. Die Gelassenheit, so schien es anfangs, könne sich nur leisten, wer zu den Reichen und Mächtigen gehört. Reichtum und Macht aber folgen ihren eigenen Gesetzen. Man kann diesen Weg gehen, um sich die 'Freiheit' zu erhalten; dann aber wird man feststellen, wie schwer es ist, dem Reichtum und der Macht nicht bis zum Letzten zu dienen. Beide können launische und fordernde Herren sein, die die Ihren vor sich hertreiben.
  • "Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon", ist eine nüchterne Feststellung. Damit verbunden ist aber auch eine ganz positive Verheißung: Wer Gottes Liebe und Gerechtigkeit an erste Stelle setzt, wird feststellen, dass das geht. Es mag Situationen geben, in denen eine solche Priorität Einfluss kostet; es mag Situationen geben, in denen Christen materiell verlieren. In vielen Ländern ist das ganz offensichtlich so, vom Nahen Osten bis nach China. Aber auch in den Ländern, die man frei nennt und wo nur die Konkurrenz die Menschen vor sich her treibt, werden Christen in die Situation kommen, wo es Einbußen in dieser Welt kostet, an erster Stelle Gott zu dienen und nicht dem Mammon. Aber der Gewinn ist ungleich höher: Die Gelassenheit, die atmen lässt, und die Zuversicht im Blick auf Gott, die mich das tun lässt, was ich im Innersten will und für richtig halte. Amen.