Predigt zum 8. Sonntag im Lesejahr B 2003 (Markus)
Zurück zur Übersicht von: 8. Sonntag Lesejahr B
2. März 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
1. Neues?
- Wie viel Neues ist dran? Wir sollten vorsichtig sein mit der Rede vom "neuen Wein" und vom "neuen Testament", wenn
wir nicht wissen, was da eigentlich Neues dran sein sollte.
- Die Leute kommen fragend zu Jesus. Sie wollen verstehen, warum die Jünger Jesu nicht das Fasten üben, so wie die
Jünger des Täufers Johannes oder die Jünger der Pharisäer. Jesus gibt ihnen eine Antwort in drei Bildern.
- Das erste Bild sagt: Die Jünger Jesu sind wie eine Hochzeitsgesellschaft, die sich freut, weil der Bräutigam bei der
Braut ist. Damit greift Jesus das alte Bild auf, das von Gott als Bräutigam seines Volkes spricht. Die Jünger dürfen
miterleben, wie Jesus auf seine Braut, das Volk Israel, zugeht. Es ist Festzeit - wie sollte man da fasten?
Zugleich weist Jesus aber darauf hin, dass es eine Zeit geben wird, da wird das Volk Gottes die Gegenwart des
Erlösers schmerzlich vermissen. Dann erst gibt es für die Jünger Jesu einen Grund zum Fasten.
- Das zweite Bild erklärt, dass diese neue Praxis Jesu nicht einfach auf das Alte aufgesetzt werden kann. Es ist etwas
wirklich Neues, nie Dagewesenes. So wie ein frisch gewalktes Tuch nicht auf ein altes Kleid passt, ja den Riss
noch vergrößern würde, den es verdecken soll, so ist die Botschaft Jesu das Neue, das nicht einfach auf das Alte
aufgesetzt werden kann. Alles muss neu werden.
- Ganz auf der Linie ist auch das dritte Bild: Frischer Wein kann nicht in alte Schläuche gefüllt werden. Dies ist eine
alte Haushaltsregel in Zeiten, in denen Wein in Lederschläuche abgefüllt wurde. Die Vitalität des jungen Weins
würde die alten Schläuche zerreißen. "Neuer Wein gehört in neue Schläuche."
- Für Jesus ist das klar. Für seine Jünger vielleicht schon weniger. Für uns gilt aber erst recht: Ist so viel Neues dran an der
Weise, wie wir glauben und unseren Glauben leben? Am Beispiel des Fastens: Unterscheidet sich unser Fasten - wenn wir
es denn überhaupt pflegen! - von dem Fasten anderer Religionen? Von den Fastentagen der Juden? Vom Fastenmonat der
Muslime? Gar von den Fastenquälereien der modernen Gesundheits- und Fitnessreligion? Ist das Evangelium schon bei
uns angekommen, oder sehen wir vor dem Evangelium immer noch ziemlich alt aus?
2. Bequeme Gesetze
- Zwei Gründe kennt das herkömmliche Fasten. Die Sühne für begangene Schuld und die Vorbereitung auf die Begegnung
mit Gott. Mustergültig lässt sich das bei der Gesundheits- und Fitness-Religion ablesen. Begangene Schuld ist lustvolle
Ernährung ohne Rücksicht auf Kalorien. Diese Schuld muss durch Fasten gesühnt werden. Und schließlich ist der
Waschbrettbauch der ersehnte Gott des Fitnesskultes, und diesem Gott werden alle nur erdenklichen Opfer gebracht. Den
Anhängern dieser Religion kommt diese Betrachtungsweise zwar vermutlich unerhört vor. Die Parallelen zu den alten
Religionen sind aber zu offensichtlich.
- Das Neue, das Jesus verkündet, ist zwar im Alten Testament, dem Ersten Bund, grundgelegt. Die Praxis der Pharisäer
lies diese Religion aber alt werden. Von Anfang an sucht Gott die Begegnung mit dem Menschen. Nicht einseitige
Verehrung und nicht abstrakte Gesetze sind die Grundlage des biblischen Glaubens, sondern der Bund Gottes mit seinem
Volk. In diesem Bund sind die Gesetze, Gesetze des Lebens, natürlich nicht unwichtig. Aber es ist eine Entartung, wenn
die Gesetze und Regeln vor die Beziehung und den Bund geschoben werden.
- Die Bergpredigt Jesu macht das an vielen Beispielen deutlich. Es hilft dem Menschen nicht, wenn er abstrakt das Gesetz
"Du sollst nicht morden" einhält, aber im Herzen voll Groll und Bitterkeit ist (Mt 5,21f). Jesus überwindet das Gesetz
und radikalisiert es gleichzeitig. Er überwindet die bequeme Gesetzesmentalität, die sich darin einrichtet, äußerlich Regeln
zu befolgen. Er radikalisiert das Gebot nicht zu morden, indem er sich mit jedem Menschen identifiziert und damit die
Beziehung und den Bund zur Grundlage des Lebens macht.
3. Das Neue leben
- Das ist der neue Wein, den Jesus in neue Schläuche gießen will. Das ist das neue des Evangeliums. Das ist die
Vollendung des Alten Bundes, des Bundes mit Noach, Abraham und Mose. Das ist das zentrale Bekenntnis des
christlichen Glaubens: Gott ist Mensch geworden. Das ist das Fest, das die Jünger nicht fasten lässt, weil der Bräutigam
bei seiner Braut ist.
- Dieses Neue nun kann für jeden von uns Realität werden. Nicht, indem wir uns selbst vergöttlichen wie im
Gesundheitskult, und nicht, indem wir in leblose Gesetze flüchten, um abzuhaken, was "Moral" sein soll. Statt dessen sind
wir eingeladen, in Beziehung zu treten zu diesem Christus, der seit seiner Menschwerdung in der Welt ist und erfahren
werden kann in einer gelebten Mystik der Gottesbeziehung und in der gelebten Gemeinschaft derer, die glauben.
- Fasten kann für uns deswegen nie Pflichterfüllung sein. Es ist noch nicht einmal Sühnefasten wie in anderen Religionen.
Denn den Graben der Schuld hat Gott schon lange übersprungen um bei uns zu sein. Fasten kann vielmehr Ausdruck
dessen sein, was Jesus im Evangelium andeutet: "Es werden Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen
sein; an jenem Tag werden sie fasten." Diese Tage kennen wir. Das Fasten dieser Tage Fasten ist Ausdruck gelebter
Sehnsucht. Es ist aber immer umrahmt und getragen von dem Fest, das wir hier, an dieser Stelle, feiern und das ein Leben
voll Vertrauen tragen kann: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in
Herrlichkeit! Amen.