Predigt zum Fest Erscheinung des Herrn, Dreikönig 2011 (Legende)
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06.01.2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Drei Könige
- Das einzige, was wir so ziemlich sicher wissen, ist dass es keine heiligen Drei Könige gegeben
hat. So feiert die Kirche heute auch am "Dreikönigstag" unter dem viel älteren und wichtigeren
Namen das Fest der Erscheinung des Herrn, und von dem lateinischen Wort kommt auch der
Name "Epiphanie" oder, daher der im Evangelischen gebräuchliche Genitiv, "Epiphanias
Domini". Keine heiligen Drei Könige kommen darin vor. So fragt sich, ob das Gedenken heute
ebenso schwindsüchtig ist wie die Partei, die ihr Treffen nach den Dreien benennt.(Die anderen
Parteien machen es den Liberalen mittlerweile nach, was das "Dreikönigstreffen" anbelangt.)
- Woher also kommt die Idee von den "Drei Königen"? Von den
Besuchern aus dem Morgenland
heißt es bei Matthäus sie seinen "Magier", ein Ausdruck der damals für
Gelehrte und Sterndeuter aus Persien verwendet wurde. Das Evangelium
erzählt also, dass die Weisheit der Völker
dieser Welt zum Stall von Betlehem kommt und dort Gottes Gegenwart
verehrt. Das ist die
Aussage der Erzählung. Sie gibt die Erfahrung und Hoffnung des Glaubens
wider.
- In der Matthäuserzählung aber klingt eine Weissagung des Propheten Jesaja an, die wir als erste
Lesung gehört haben: "Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden
Glanz. (...) Alle kommen von Saba, bringen Weihrauch und Gold und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn." Wenn daher die Magier bald schon als Könige gesehen wurden, dann
zeigt das, wie die frühen Christen die Heilige Schrift lesen: Nicht als isolierte Ansammlung von
Abschnitten, sondern als Einheit von Altem und Neuen Testament. Dass es nun drei Könige
seien, ist dem gegenüber eine spätere Variante; in der frühen Kirche wurden die Könige mit
verschiedener Zahl gesehen, mal zwölf, mal drei. Die Drei hat sich dann durchgesetzt im Blick
auf die drei verschiedenen Gaben, "Gold, Weihrauch und Myrrhe",
2. Logik des lebendigen Glaubens
- Die Darstellung des heutigen Festes gehört zu den ältesten Beispielen christlicher Kunst.
Zugleich ist es aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie der Glaube erzählt und weiter gegeben
wird. Die moderne Bibelauslegung hat lange nur interessiert, was denn "historische" Fakten an
der Erzählung seien. Da musste man nicht lange an dem Knochen nagen, und dann war da
nichts mehr dran. Ein Märchen sei es, und Schluss.
- Zum Glück aber hat trotz aller wissenschaftlicher Erklärung der
letzten 500 Jahre die Volksfrömmigkeit die Heiligen Drei Könige nicht
aufgegeben. Zwar war schon am Ende des
Mittelalters klar, dass da etwas nicht stimme mit dem Schrein, der seit
Kaiser Barbarossas
Zeiten in Köln Ziel einer der größten Wallfahrten des Mittelalters war.
Aber die Menschen
ziehen weiter nach Köln, bis heute.
- In der volkskirchlichen Tradition bleibt die Erzählung lebendig.
Die Menschen spüren, dass
Matthäus uns einen Hinweis darauf gegeben hat, wie wir das Kind im Stall
von Betlehem
weiter verehren können und dadurch Gott näher kommen. Die Gebeine im
Kölner Dreikönigs-Schrein sind ein Ort, an dem wir spüren können, dass
unsere Welt nicht abgeschnitten ist vom
Himmel, sondern die Geschichte des Glaubens immer wieder erfahren lässt,
dass durch die
Menschwerdung mitten in unsere Städte und unser Leben hinein von Gott
ein Tor aufgestoßen
wurde. Viel wurde über den Leichtsinn des Volksglaubens gespottet,
gerade in den Zeiten der
Reformation. Heute, scheint mir, verstehen wir wieder ein wenig besser,
dass hinter dieser
Verehrung und der Ausschmückung der Erzählung eine "Logik" steckt. Es
ist nicht die Logik
der historischen Wissenschaft, sondern des lebendigen Glaubens.
3. Die Bibel weiter erzählen
- Zwei Beispiele machen mir das deutlich.
Zum einen gibt es die Darstellung der Drei Könige als jungen Mann, als Mann im mittleren
Alter und als Greis. Nichts davon steht in dem Abschnitt des Matthäusevangeliums. Und
dennoch ist das Evangelium damit richtig gedeutet. Denn jedes Lebensalter hat seine Weisheit
und seinen eigenen Zugang zum Glauben. In der Jugend ist es anders als in der Mitte des
Lebens und noch mal anders im hohen Alter. Aber so verschieden sie sind, alle Lebensalter
haben ihre "Magie" und ihre Weisheit und alle Lebensalter können zum göttlichen Kind
kommen, ihre Gaben bringen und Gott verehren.
- Das zweite Beispiel findet man in Europa ab dem 12. Jahrhundert. Damals kannte man drei
Kontinente: Europa, Asien und Afrika. Und so wurden die drei, nach einer Tradition aus dem 6.
Jahrhundert Caspar, Melchior und Balthasar, als Vertreter der drei Kontinente dargestellt. So
kommt es, dass bis heute, wenn Kinder die drei Könige darstellen, einer von ihnen schwarz ist.
Auch hier wieder die Lebendigkeit und Universalität des Glaubens: Alle Völker und Kulturen
kommen gleichrangig mit ihrer Weisheit und ihrer "Magie" zum Stall von Betlehem, bringen
ihre Gaben und verehren Gottes Gegenwart.
- Es wäre schade, wenn diese Lebendigkeit der Erzählung des Glaubens in Kinderbücher
verbannt würde. Denn jede und jeder, ob alt ob jung, ob Afrikaner, Europäer oder von sonst
einem Kontinent, ist eingeladen teilzunehmen an der Bewegung hin zu Gott, der sich in dieser
Welt zeigt im Kind von Betlehem. Amen.