Predigt zur Hochzeit - Ein Siegel auf deinem Herzen
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17. August 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
Das Brautpaar wollte diesen Gottesdienst in kleinem Rahmen und vor allem ihre Familienangehörigen feiern. Sie haben zusammen eine kleine Tochter, die vergangenes Jahr am selben Ort getauft worden war.
1. Bleibendes
- Es soll etwas bleiben. Mir scheint, jeder Mensch hat etwas, von dem er möchte, dass es bleibend
bei ihm ist. Für manche ist das ein Kettchen oder ein Ring, für manche ist es ein Bild oder sonst
irgend etwas. Sie haben es dabei, auch wenn sie mit leichtem Gepäck durch die Welt ziehen.
Für ein Menschen im alten Israel war so etwas das Siegel. Das Siegel trug man an einem Kettchen
um den Hals oder als Armreif. Es war das wertvolle Erbstück aus der Familie. Nie würde man es
hergeben oder ablegen.
- In der Bibel ist eine Sammlung von alten Liebesliedern aus dem Volk Israel. Wir nennen diesen
Teil des Alten Testamentes das "Hohelied"; Irina und Daniel wollten, dass daraus die erste Lesung
zu ihrer Hochzeit genommen wird. "Stark wie der Tod ist die Liebe", dieses Bekenntnis wollen sie
vor uns allen ablegen. Sie haben ihre Familien eingeladen, dass sie dabei sind, wenn die beiden
dies hier tun, in einer Kirche und vor Gottes Angesicht.
- Die Liebestexte im Hohenlied sind voll von Anspielungen und Bildern, viele davon erotisch. Der
Würzwein und die Granatäpfel, die die Braut dem Bräutigam verheißt, die Küsse, die sie ihm
schenken will, und die Kammer, in die sie ihn führen will, sind solche Bilder.
"Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz", ist dabei ein besonderes Bild. Braut und Bräutigam
wollen nicht nur, dass sie einander das Wichtigste und Wertvollste sind, das kostbare Siegel. Sie
wollen es als Schmuckstück auf der Brust tragen - ganz nah beim Herzen und doch für jedermann
sichtbar, dass sie einander gehören und einander das Bleibende und Beständige, der Schmuck und
der Schatz des eigenen Lebens sind.
2. Kammer
- Am Anfang des Abschnitts, den wir gehört haben, wünscht sich die Braut voll Sehnsucht, dass der
Geliebte wie ein leiblicher Bruder gelte. Denn damals durfte ein unverheiratetes Mädchen nicht
mit einem fremden Mann zusammen gesehen werden. Wäre er ihr Bruder, dürfte er bei ihr im
Haus sein, er wäre ganz nah bei ihr, jeder könnte es sehen und niemand dürfte sie "deshalb
verachten".
- Heute ist es kein Skandal, wenn Liebende auch in der Öffentlichkeit zusammen und zärtlich zu
einander sind. Im Gegenteil: Wer würde sich nicht darüber freuen wollen. Selbst wenn zwei, die
nicht verheiratet sind, bei einander wohnen und gar ein Kind zusammen haben, dürfen wir uns an
der Liebe und Treue freuen, die sie zu einander haben und in die sie das Kind mit hineinnehmen,
das ihnen geschenkt wurde. - Was für eine wunderbare Vorstellung müsste das für das Mädchen
aus Israel gewesen sein, das sich so nach ihrem Geliebten sehnte und deren Verse der Sehnsucht
ein Teil der Bibel geworden sind.
- Es ist etwas Anderes, das heute in der Öffentlichkeit und auf der Straße nicht gern gesehen wird.
Ein wenig muss man in unserer Zeit und Kultur fürchten, dass die Leute einen "deshalb verachten" könnten und man sich fürchten müsste, nicht verstanden zu werden.
Wir wollen es auch deshalb nicht so gerne in die Öffentlichkeit oder
sogar vor unseren weiteren
Bekanntenkreis tragen, weil es in uns zerbrechlich ist. Dieses Andere zu
benennen fällt uns
schwer; darüber zu reden haben wir nicht gelernt. Wenn ich aufgefordert
würde, darüber zu
sprechen und Auskunft zu geben, würde ich merken, wie sehr ich auf der
Suche bin und es vor mir
selbst kaum in Worte fassen kann. Dieses Andere heute ist der Glaube an
Gott, nicht wie damals
die Intimität einer Liebe. Die Verliebtheit darf jeder sehen. Den
Glauben, so fragil und fragmentarisch, wie er ist, behüten wir oft
lieber in der Stille der eigenen Kammer.
3. Gott
- Und doch haben sich Irina und Daniel entschlossen, heute hier her zu kommen und ihre Familien
dazu einzuladen. Es war ein wahrhaft kurzfristiger Entschluss, aber nicht minder ernst gemeint.
Der Vertrag, der vor dem Standesbeamten heute unterschrieben wurde, ist recht betrachtet doch
etwas sehr Vergängliches. Im Kleingedruckten des Vertrages sind die Auflösungsklauseln schon
enthalten. Aber Irina und Daniel wollen etwas, das bleibt, wie das Siegel auf ihrem Herzen (auch
wenn sie das Siegel vielleicht lieber unter dem Hemd tragen, weil es nicht gleich jeder sehen
muss).
- Was hier nun geschieht ist tatsächlich etwas Bleibendes. Es ist nicht deswegen allein bleibend,
weil diese Ehe vor Gottes Angesicht von Menschen nicht geschieden werden kann. Das Bleibende
geht viel tiefer: "Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner
Liebe!". Das ist das Wort Jesu aus dem Evangelium dieses Hochzeitsgottesdienstes. Er selbst ist
das Sakrament jener Liebe, in der Gott uns liebt, annimmt und trägt. Denn ein Sakrament ist
Zeichen von Gottes Gegenwart in unserer Welt, heiliges Zeichen und göttliche Wirklichkeit, die
wir sehen, berühren, hören und schmecken können. "Bleibt in meiner Liebe!", sagt Jesus den
Jüngern und damit auch der Gemeinschaft der Getauften heute, damit die Liebe Gottes in eurer
Zeit sichtbar und spürbar wird. Diese Liebe, die kein Strohfeuer der Verliebtheit ist, sondern
wahre, treue Liebe, ist das Bleibende, auf das wir bauen können.
- Wenn Irina und Daniel heute einander das Eheversprechen geben, dann wird ihre Liebe zum
Sakrament, zum heiligen Zeichen der Gegenwart Gottes. Das geschieht nicht, weil beide Heroen
der Liebe wären, die etwas besonderes sein wollen. Es geschieht, weil beide ihre Liebe Gottes
Segen anvertrauen. So wie wir in der Taufe Gottes Kinder werden, nicht weil wir ihn erwählt,
sondern weil er uns erwählt hat, so hat letztlich Gott selbst die beiden hier her geführt. "Nicht ihr
habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und
Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt." Gott hat Sie beide dazu bestimmt, in Liebe bei
einander zu bleiben und dass diese Liebe Frucht bringt in dieser Welt und vor den Menschen, die
sich daran freuen, zwei (oder mit Ina: drei) sehen zu dürfen, die einander lieben. Amen.