Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Beharrlich in der Liebe

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31. März 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Beharrlichkeit

  • "... so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht". Was Od. und D. an diesem Evangelium angesprochen hat, ist die Beharrlichkeit, die hier geschildert wird. Da weiß einer, was er will. Da lässt einer nicht locker. Da erreicht jemand, was er sich vorgenommen hat.
    Ich weiß nicht, welche Situation miteinander die beiden dabei innerlich vor Augen hatten, als sie sich für diesen Text aus dem Neuen Testament der Bibel entschieden haben; und wenn ich es wüsste würde ich natürlich diskret darüber schweigen. Aber sicher sind beide mit einem Maß Beharrlichkeit gesegnet, das ihnen hilft, im Leben Dinge zu erreichen, die sie sich vorgenommen haben.
  • Eines hatten beide sicher bei der Auswahl des Textes nicht im Sinn: die Beharrlichkeit, mit der Menschen ihre Ellenbogen einsetzen, um sich durchzusetzen. In beider beruflichem Umfeld haben sie genug damit zu tun. Es gibt oft genug Situationen, in denen wir unter Druck gesetzt werden, uns mit aller Kraft durchzusetzen, ohne Rücksicht auf andere. Es braucht dann die entgegengesetzte Kraft, diesem Druck nicht nachzugeben. Auch im Widerstand gegen die Mentalität eines (angeblichen) Recht des Stärkeren geht es um Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft, aber eben um die Kraft gegen Ellebogenmentalität und Konkurrenzdruck.
  • In ihrer Beziehung suchen Od. und D. Beharrlichkeit für einander, nicht Durchsetzungskraft gegeneinander. Den Härtetest der Beharrlichkeit für einander haben sie bereits hinter sich: Wer mitten in den Hochzeitsvorbereitungen miteinander einen Umzug zu bewältigen hat, der hat die Fähigkeit gezeigt, sich nicht durch Kleinigkeiten auseinander bringen zu lassen. Es ist die Kraft gegen den eigenen Wunsch, sich durchzusetzen und Recht zu behalten, die Kraft, auch das Suboptimale beim Möbelpacken in Kauf zu nehmen, weil das gemeinsame Ziel wichtiger ist - und weil das Gemeinsam-Sein wichtiger ist. Gelungene Partnerschaft braucht die Bereitschaft, immer wieder von diesem gemeinsamen Grund her zu denken und zu handeln.

2. Mühe

  • In dem Abschnitt aus dem Lukasevangelium spielt Jesus sicher auf diese Beharrlichkeit an. Aber eigentlich ist es doch erstaunlich, denn in seinem Gleichnis benutzt Jesus durchaus einen herberen Ausdruck: "Zudringlichkeit". Wörtlich müsste man aus dem griechischen Original sogar übersetzen "Unverschämtheit".
    Unverschämt und zudringlich klingelt jemand seinen Freund aus dem Bett, weil er etwas Brot braucht, um einen Gast zu bewirten. Dass der Freund überhaupt reagiert, hängt damit zusammen, dass Gastfreundschaft ein hohes Gut ist. Um dem anderen zu helfen, gastfreundlich zu sein, wird er ihm etwas geben - und weil der Hilfesuchende so unverschämt zudringlich ist.
  • Erstaunlich ist vor allem, was Jesus sagt, denn er benutzt dieses Gleichnis um uns zum Beten zu ermutigen. In unserem Verhältnis zu Gott dürfen oder sollen wir gar unverschämt und zudringlich sein. Das gilt, obwohl oder weil von Jesus das Verhältnis zu Gott immer erlebt wird als Liebe zueinander. Aus Liebe zu Gott und aus der Erfahrung, dass Gott mich annimmt und liebt, darf ich zudringlich, ja unverschämt in meinem Gebet sein.
  • Das setzt vertrauenden Glauben voraus: einen Glauben, der darauf vertraut, dass Gott mich annimmt mit meinen Kräften aber auch meinen Schwächen. Wer so zudringlich betet, der vertraut darauf, dass er Gott lästig fallen kann und darf und Gott ihn dennoch nicht abweist. Dies um so mehr, als das Vater Unser, das Grundgebet der Christen, ja aufbaut auf das Vertrauen, dass das beste, was uns passieren kann ist, wenn Gottes Reich kommt: "Dein Reich komme, im Himmel und auf Erden". Wo Gott in meinem Leben gegenwärtig und mächtig ist, da bin ich mit meinen Fähigkeiten und Kräften getragen und aufgenommen.

3. Respekt

  • In der Feier der Ehe hier und heute wird die Partnerschaft und Liebe von Od. und D. zum heiligen Zeichen der Gegenwart Gottes. Deswegen feiern wir die Ehe als Sakrament. Im feierlichen Segen werde ich daher sagen: "Wo Mann und Frau in Liebe zueinander stehen und füreinander sorgen, einander ertragen und verzeihen, wird deine Treue zu uns sichtbar."
    Od. und D. werden für uns zum Zeichen Gottes, nicht weil sie selber Gott wären; Ihr beide werdet die Macken des anderen gut genug kennen. Ihr werdet zum Zeichen Gottes, weil Ihr in Eurem Vertrauen in einander darauf vertraut, dass Gott selbst Euch das zutraut und Euch seinen Segen zu dem Vorhaben Eurer Ehe gibt. Zusammen dürft Ihr zudringlich und sogar unverschämt Euch immer wieder an Gott wenden und ihn mit Eurer Liebe und Sehnsucht bestürmen. Erinnert Euch einfach immer an das Evangelium vom zudringlichen Freund.
  • Wenn Gott für Euch keine blutleere Metapher ist, sondern Eure Sehnsucht, dann wird Euch das zu dem führen, wovon die Lesung spricht, die Ihr aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther ausgewählt habt. Ihr könnt einander - Euch zusammen und jeder den andern - vor dem Angesicht des allmächtigen Gottes sehen, zu dem Ihr betet.
    Ihr werdet so merken, dass die Grundlage von allem die Liebe ist: "Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts." Das bedeutet: Alles, was Ihr an Inspiration und Engagement für einander aufbringt, nützt nur, wenn es getragen ist von Respekt für einander. Denn respektvoll ist die Liebe, die Paulus hier meint.
  • Er vergleicht das mit dem Unterschied von Kindsein und Erwachsensein. Als Kind muss ich keine Verantwortung für andere übernehmen (oder: sollte es nicht müssen). Als Erwachsener aber, hängt alles davon ab, ob ich auch lerne, den anderen zu sehen. "Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war." Ihr seid mit Beharrlichkeit gesegnet, die Euch hilft, im Leben Dinge zu erreichen, die Ihr Euch vorgenommen haben. Heute versprecht Ihr einander, vor allem darin beharrlich zu sein, in allem den anderen zu lieben, zu achten und zu ehren. Bleibt darin beharrlich und bleibt beharrlich darin, Gott für dieses Versprechen in die Pflicht zu nehmen: Er hat Euch seinen Segen zugesagt.