Predigt zur Hochzeit - Ehe als Gottesgericht
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17. Mai 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Kohelet der Schlawiner
- Kohelet ist ein Schalk. Wahrscheinlich passt die Beschreibung noch auf deutlich mehr Autoren der Bibel, als nur auf ihn; aber auf Kohelet passt sie sicher. Er ist ein Schalk. Erst schreibt er ein dickes Buch - und dann vermerkt er in den letzten Zeilen: "Mein Sohn, lass dich warnen", das viele Bücherschreiben und Studieren mache ohnehin nur müde. - Erst schreibt er die erstaunlichsten Ideen, und dann pfeift er unauffällig, als sei nichts gewesen: Alles in allem sei das ja nichts neues und laute "der Schluss: Fürchte Gott und achte auf seine Gebote!".
- Der Vorschlag, diese Lesung zu nehmen, kam von der Braut. Aber ich habe den Eindruck, der Schalk sitzt ein wenig beiden im Nacken. Ich möchte da nicht entscheiden müssen, ob Sigrid oder ob Nikolaus diesbezüglich mehr punkten kann. Vielleicht haben sie ja nicht zuletzt durch diese Feier heute, hier in der Kirche, die meisten ihrer Freunde überrascht, weil die damit nicht (oder nicht mehr?) gerechnet haben. Das biblische Buch Kohelet, dem Schalk, passt von daher zu beiden.
- Ein Schalk ist ein Mensch, der in einer schwierigen Situation geschickt, mit List und mit Witz den eigenen Weg geht. Was ist es anderes, als in diesem Sinn schalkhaft, angesichts all der Bedenkenträger dieser Welt, katholisch zu heiraten, unwiderruflich einmalig einander zu sagen: Vor Gottes Angesicht nehme ich dich an - in Treue ein Leben lang, ohne wenn und aber. Und dabei fröhlich da zu sitzen, als sei nichts dabei.
2. Gottes Gesetze
- "Gott wird jedes Tun vor das Gericht bringen, das über alles Verborgene urteilt, es sei gut oder böse." Der Satz, den Kohelet als Ausweis seiner Unverdächtigkeit an das Ende seines Buches in der Bibel stellt, verlockt dazu, ihn gegen den Strich zu lesen. Eigentlich sollte das ganze Buch Kohelet so gelesen werden.
- Zunächst einmal stimmt Kohelet dem zu, was damals wie heute jeder fromme Jude sagen würde: Gott hat uns Gebote gegeben, nach denen Menschen zusammen leben können. Diese Gebote sind gut und richtig. Sie ermöglichen, in Respekt und Frieden zusammen zu leben. Das gilt für die Gesellschaft ebenso wie für die Familie.
- Das gilt auch und nicht zuletzt für das jüdische Scheidungsrecht:
In der älteren Fassung verpflichtete es den Mann, wenn er seine Frau schon wegschickt, ihr wenigstens gültige Papiere mitzugeben.
In der radikaleren Fassung, wie Jesus sie vertritt, ist der Witz an der Ehe gerade, dass man sich nicht "aus jedem beliebigen Grund" wieder trennt, als sei ein Experiment gescheitert. Vielmehr meint Jesus: Wo, wenn nicht hier, wo es um das Projekt des eigenen Lebens geht, kann ich beginnen darauf zu vertrauen, dass Gott uns trägt und hilft und unser Leben auf einem guten Weg ist, auch und gerade wenn wir denken, es ginge nicht mehr weiter.
"Was aber Gott verbunden hat....", der Satz drückt doch zu aller erst eine Zuversicht aus, dass Sigrid und Nikolaus durch keinen Geringeren zusammen geführt wurden und heute verbunden werden, als durch Gott. Das ist einen Vertrauensvorschuss wert.
3. Ehe als Gericht Gottes
- "Gott wird jedes Tun vor das Gericht bringen, das über alles Verborgene urteilt, es sei gut oder böse." Wenn ich den Satz jetzt noch mal lese, und wenn es stimmt, dass Gott der Verbandler zwischen Sigrid und Nikolaus ist, dann könnte man, frech gegen den Strich, den Satz anwenden und lesen: Die Ehe ist das Gericht, vor das Gott die beiden bringt, ein Gericht "das über alles Verborgene urteilt, es sei gut oder böse." Denn im Guten wie im Schlechten werden die beiden heute vor Gott ein Paar.
- Das Thema ist fast zu ernst, um in einer Hochzeitspredigt benannt zu werden. Das Leben eines Menschen allein ist bereits immer das Ringen um meine guten und schlechten Seiten, der Wechsel zwischen dem Ausweichen vor dem, wo ich mich selbst nicht annehmen kann, und der Fähigkeit, nicht nur das Gute, sondern auch das Hässliche anzuschauen und anzunehmen, es zu durchleiden und so der Heilung eine Chance zu geben.
Sigrid und Nikolaus aber schließen heute öffentlich und dem Sinn nach unwiderrufbar einen Bund, der öffentlich ist und mit dem Sie sich gemeinsam einen Raum geben für das Gericht: Dass dieses Ringen mit sich selbst jetzt ein gemeinsames werde.
Dort, wo der eine allein und auf sich gestellt, vielleicht vor den eigenen Schwächen und Fehlern kapitulieren würde, ist jetzt ein anderer, der selbst angesichts der dunklen Seiten da bleibt und dran bleibt und mit leidet und mit um Heilung ringt.
- Die Ehe ist ein Sakrament, das heißt Zeichen und Handeln Gottes. Wenn nun die Ehe der Ort des Gerichtes Gottes ist, dann sehen wir auf einmal, wie das Gericht Gottes ist: Ein Angenommen-Werden in Liebe. "Wo Frau und Mann einander annehmen, einander ertragen und verzeihen, dort wird Gottes Liebe zu uns sichtbar", wird es im Segen heißen. Welch ein Geschenk, dass wir dabei sein dürfen. Amen.