Predigt zur Hochzeit - Einander dienen
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14. Juli 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Hochzeitsbenimmregel
- Die Bibel ist voller Überraschungen. Das haben auch Michaela und Roland auf der Suche nach
einem Evangelium für ihren Hochzeitsgottesdienst gemerkt. Die Lesung auszusuchen hatten sie
delegiert; das ist ein Standardtext, der bei Hochzeiten oft vorkommt. Aber es sollte für das
Evangelium ein Text sein, der in Erinnerung bleibt. So haben sie das Neue Testament durchforstet,
ohne so recht etwas zu finden, das sie 'angetörnt' hätte.
So kamen sie auf eine Methode, der ich nur bescheinigen kann originell zu sein. Sie haben das
Datum ihrer Hochzeit - 14.7. - genommen und haben in den vier Evangelien jeweils das 14. Kapitel
Vers 7 gesucht und sind fündig geworden. Erstens taucht sogar das Stichwort "Hochzeit" darin auf
und zweitens sei der Text, wie sie fanden, handfest: Den könne jeder aus eigener Erfahrung
nachvollziehen. - Das sollen wir mal sehn.
- Beim Hochzeits-Dîner gibt es heute das Placement, mit dem
säuberlich jedem sein Platz zugewiesen wird. Die vornehmsten Plätze sind
hier eindeutig neben den Brautleuten. Wehe aber, die
Tischkarten fehlen und man muss selbst entscheiden, wo man sich
hinsetzen soll. Wer sich als
entfernter Bekannter selbstbewusst neben den Platz der Braut setzt, dem
kann es leicht passieren,
was Jesus in seinem Lehrbeispiel schildert: "Dann würde der Gastgeber, der dich und ihn
eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und
müsstest den untersten Platz einnehmen", weil die mittelguten Plätze mittlerweile längst belegt
sind.
- So weit, so gut, so harmlos. Man fragt sich, warum es die Bibel braucht, um solche einfachen
Ratschläge zu verbreiten. Viel mehr noch ist die Frage: Musste Gott in Jesus Christus Mensch
werden, um den Menschen Tischmanieren beizubringen? Dafür ist Jesus doch kaum gekreuzigt
worden. -
Die Pointe des Ganzen liegt denn auch in dem beiläufig scheinenden Schlusssatz: "Denn wer sich
selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden."
2. Evangelium
- Aus dem konkreten der Sitzordnung bei der Hochzeitstafel kommt Jesus zu etwas, das sowohl sehr
grundsätzlich ist, wie auch für sein eigenes Leben sehr wichtig.
- Der Grundsatz, wonach es dem Menschen kein Glück bringt, wenn er sich selbst erhöht, durchzieht
die ganze Bibel. Schon der erste Adam verliert das Glück des Paradieses, weil er meint sich über
andere erheben zu müssen: Er greift nach der Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse.
Das bedeutet: Er maßt sich selber an, nach seinen Interessen zu entscheiden, was gut und was böse
sei. Die Bibel offenbart in dieser Haltung die Ursache der Gewalt, weil der Mensch sich damit an
die Stelle Gottes setzt und an die Stelle des Erbarmen Gottes die eigene Verfügungsgewalt nach
seinem Ermessen.
So schildert die Bibel quer durch die Geschichte Könige und Machthaber, die sich selbst erhöht
haben und dadurch andere erniedrigen; so lässt Gott seine Propheten aufstehen gegen diese
Anmaßung und stellt sich an die Seite der Armen, der Ausgegrenzten und Benachteiligten.
- Dies kommt in Jesu eigenem Weg zur Erfüllung. Er, der Sohn Gottes und Messias, wählt den
letzten aller Plätze, den Platz am Kreuz. Wenn es nur nach uns Menschen ginge, wäre dies das
Ende allen Glücks. Christus aber vertraut so auf seinen himmlischen Vater, dass er weiß, dass
selbst in einer solchen Extremsituation nicht der Mensch, sondern Gott der Schmied des wahren
Glücks ist. Das Kreuz steht dabei in einer Linie mit dem Lebensweg Jesu, der sich nicht bei den
Mächtigen einschmeichelt und unter ihnen den vordersten Platz sucht, sondern an der Seite der
Kranken, der Aussätzigen, der als Sünder Verschrieenen auf den hintersten Plätzen zu finden war.
In Christus wird Gott selbst niedrig und setzt sich zu denen, die ganz unten an der Tafel sind.
3. Eheregel
- So ist dieses Evangelium oberflächlich ein guter Ratschlag für das
Hochzeits-Dîner. In Wirklichkeit aber zeigt es Ihnen beiden, wie Sie,
jeder für sich und miteinander, in der Ehe, die Sie heute
beginnen, das Glück finden können.
- Kurzfristig meinen wir Glück zu finden, wenn wir uns die besten Plätze sichern. Es braucht jedoch
Vertrauen in einander und in Gott, wenn wir auf diesen Vorteil verzichten und die Erfüllung
solcher Wünsche zurückstellen.
Wer sich auf den vorderen Platz setzt, verweist automatisch den anderen auf den hinteren Platz.
Wer darauf vertraut, dass wir nicht selbst unser Glück durchsetzen müssen, der kann sich daran
freuen, wenn der andere weiter vorne sitzt. Jesus nennt das: Einander Diener sein. Es bedeutet zu
einander zu sagen: Mir geht es nur gut, wenn es dir gut geht. Und zusammen zu sagen: Uns geht es
nur gut, wenn wir mit unserem Glück anderen dienen können, die uns brauchen; dafür lohnt es
allemal, sich weiter hinten hin zu setzen.
- Das ist jetzt Ihre Berufung, Michaela und Roland. Sie schließen vor Gott den Bund der Ehe, damit
Ihre Ehe zum Sakrament der Liebe Gottes unter uns wird. Ab heute, wo sie dies öffentlich als
getaufte Christen in der Gemeinschaft der Kirche bekunden, kann ihre Liebe zum Zeichen der
Liebe Gottes werden, der den Bund mit seinem Volk geschlossen hat und uns treu ist.
Treu wird Gott auch ihnen sein. Er wird es sein in guten Tagen, aber auch in den schweren. Dazu
ist Gott in Jesus Mensch geworden, dazu hat er auch das Kreuz getragen, dass Sie beide Mut
bekommen und Vertrauen wagen. Amen.