Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Erkennungsmerkmal Liebe

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15. Juni 2012 - St. Josef, Hamburg Wandsbek

Die Predigt ist zu einer Hochzeit einer Katholiken mit einem Nichtchristen. Im Vorgespräch hat Letzterer als Lieblingsfilm "Pulp Fiction" von Quentin Tarantino (1994) genannt. Dieser nur oberflächlich "trashige" Film erzählt von dem Berufskiller Jules Winnfield (Samuel L. Jackson), der erlebt hat, wie er in einer Schießerei unverletzt geblieben ist, obwohl die Kugeln ihn hätten treffen müssen. Das bewegt ihn, ein (zum größten Teil fiktives) Bibelzitat, das er bisher zynisch als Abschiedsspruch seinen Opfern vorgetragen hat, auf seine eigene, künftige Aufgabe zu deuten: den Schwachen Hirte zu sein.

 

1. Liebe erkennen

  • Daran, meint Jesus, könne man etwas erkennen: "Wenn ihr einander liebt." Nun, dann sollten wir damit beginnen, dass wir Marta und Nils intensiv anschauen, was da zu erkennen sei.
    • Handelt es sich um Brautleute bei ihrer Hochzeit, dann muss man vorsichtig sein, ihren Blick zu deuten. Ist er nervös bis panisch, sagt das weniger über ihre Beziehung, als über den Stand der Hochzeitsvorbereitungen aus. Nur wenn beide gleichermaßen panisch blicken, könnte das auf ein harmonisches Miteinander schließen lassen.
    • Woran also sollen wir erkennen, dass sie einander lieben? Der Blick auf die Lohnsteuerkarte lehrt lediglich, ob sie einen standesamtlichen Ehevertrag geschlossen und die Scheidung noch nicht eingereicht haben.
    • Ein medizinisches Gutachten könnte vielleicht den Pegelstand der Verliebtheitshormone analysieren; da wünschen wir den beiden jede Menge davon, zumal das viel gesünder ist als synthetische Drogen. Aber auch hormonell gesteuerte Verliebtheit ist noch nicht dasselbe wie "einander lieben".
  • Wenn es nach Nils und Marta geht, dann sollten wir auf etwas anderes achten um zu sehen, dass sie einander lieben: Sie wollen vor Gott und den Menschen ein Versprechen ablegen, ohne Bedingungen und Einschränkungen, mutig und voll Vertrauen. Sie vertrauen wechselseitig darauf, dass Marta ihrem Nils und dass Nils seiner Marta hilft, wenn es gilt dieses Versprechen in Treue zu leben - und sie vertrauen darauf (oder finden es zumindest keinen dummen Gedanken) dass da ein Gott ist, der ihnen beisteht und ihre Ehe segnet, stärkt und stützt.

2. Auf Gottes Liebe ausrichten

  • Von diesem Gott spricht Jesus. Das Evangelium, das wir gehört haben, schildert den Abend vor seiner Kreuzigung. Ein letztes Mal ist Jesus mit seinen Freunden zusammen. Es ist eine gemischte Stimmung im Raum: Abschied und Hoffnung. Jesus versucht seinen Freunden klarzumachen, dass er den Weg der Gewaltlosigkeit und Liebe weitergehen will, weil diese Liebe ihn so sehr erfüllt, dass nur der Verrat an dieser Liebe für ihn der Verlust wäre, nicht der Tod am Kreuz.
  • Was seine Freunde hier spüren ist ein großes Vertrauen. Für Jesus ist Gott nicht irgendetwas Abstraktes, sondern sein Vater im Himmel, der Gott der alles umfängt und auf den er vertraut. Er vertraut darauf, dass Gottes Herrlichkeit sichtbar wird in dem, was für Menschen nur wie das Scheitern eines Idealisten aussieht. Jesus hat keine Angst, zu kurz zu kommen, wenn er seine Liebe schenkt. Das will er seinen Freunden weitergeben.
  • Er nennt sie "Jünger"; hier steht ein griechisches Wort (mathætæs), das man im Deutschen schwer wiedergeben kann, denn es kann zwar "Lehrling" oder "Schüler" meinen, drückt aber aus, dass jemand sich und seinen Geist auf etwas ausrichtet und daraus lebt. Das deutsche Wort "Jünger" klingt vielleicht ein wenig so, als sollten sie geistlos hinter Jesus hertrotten. Das Gegenteil ist gemeint.
    Deswegen kann Jesus sagen: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt." Wenn Menschen sich ganz von Innen her auf Jesus ausrichten, wie er sich auf Gott ausrichtet, dann teilt sich von Gott her die Liebe denen mit, die sich auf diesen Weg einlassen. Die Jünger müssen sich nicht kreuzigen lassen ("Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen."). Aber diese Liebe, die keine Angst hat, zu kurz zu kommen, und deswegen für andere da sein kann, diese Liebe wird zum Erkennungszeichen dafür, dass Menschen sich und ihren Geist auf Gott ausrichten.

3. Einander Hirte sein

  • In Ihrer Ehe wird es, Marta, Ihr Beitrag sein, diese besondere Erfahrung zu hüten. Sie erfahren sonntags in der Feier der Heiligen Messe, wie sich Jesus in der Kommunion in Ihre Hand gibt, sich Ihnen aus Liebe anvertraut, damit Sie ganz aus dieser Liebe leben können. Da ist Gott keine abstrakte Größe, sondern begegnet Ihnen, damit Sie aus der Kraft seiner Gegenwart diese Liebe leben und weiter geben können. Sie versprechen in dieser Feier vor dem Angesicht Gottes Nils Ihre Liebe und Treue. Sie tun dies im Namen Gottes und im Vertrauen, dass Gott Ihnen die Kraft dazu gibt. Damit empfangen Sie eine Aufgabe und Sendung, für Nils und Eure Familie da zu sein.
  • Die selbe Aufgabe empfangen auch Sie, Nils. Sie haben sich auf diese kirchliche Feier nicht einfach nur eingelassen; sie bedeutet Ihnen etwas, weil hier nicht wie beim Standesamt nur ein Papier unterschrieben wird, sondern eine andere Wirklichkeit anklingt. Dabei können und dürfen Sie auf Ihre eigene Lebenserfahrung bauen. Auch wenn Sie kein Wunder erlebt haben, dass Sie im Kugelhagel unverletzt geblieben wären, gibt es doch im Leben eines jeden Menschen die Erfahrung, behütet zu sein. Menschen können erfahren, dass Vertrauen möglich ist. Der eine Weg wäre, das alles einfach als Zufall zu nehmen, und sich die Glücksmomente als Droge reinzuziehen, notfalls mit einem Schuss Adrinalin in's Herz, wenn es mal schief geht. Der andere Weg aber ist, beginnen zu verstehen, dass eine behütende, liebevolle Macht im Spiel ist. Der Weg ist, aus dieser Erfahrung für Ihre Familie Hüter und Hirte dieser Erfahrung zu sein.
  • Wir sind heute eine Hochzeitsgemeinde aus Menschen, mit ganz verschiedenem Hintergrund. Wenn wir nur Verliebtheit sehen wollten, hätten wir uns mit Marta und Nils am Strand in Övelgönne verabredet. Wenn es nur auf den Ehevertrag ankäme, hätte das Standesamt gereicht. Hier aber dürfen wir spüren und erleben, dass zwei Menschen ihr ganzes Leben einander anvertrauen.
    Die beiden sind keine Übermenschen. Aber sie haben das Vertrauen, dass ihnen die Kraft geschenkt wird, in guten wie in schlechten Tagen die Treue zu bewahren und zu behüten. Alles was Nils und Marta zu sagen brauchen ist dies: "Ich bemühe mich, Marta, ich verspreche, Nils, ich gebe das Beste, was ich kann, um der Hirte zu sein" ("I'm trying, I'm trying real hard to be the shepherd"). Bei dieser Aufgabe, wollen wir Euch mit unserem Gebet und unserem Vertrauen begleiten. Amen.