Predigt zur Hochzeit - Freiheit zur Liebe
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7. August 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Vertrauen
- Manchmal ist Jesus bis an die Schmerzgrenze direkt. Er kann auch sehr einfühlsam sein. Aber
er ist kein Softie.
Wenn du nicht sterben kannst, kannst du nicht leben. Wenn du nicht loslassen kannst, kannst
du nicht gewinnen. Wenn du nicht radikal geringachten kannst, wirst du nicht erfahren können,
wie herrlich die Liebe ist.
- Anna und Marlon sind eher praktisch veranlagt. Damit liegen ihnen so grundsätzliche Sätze wie
diese eben eher fern. Die beiden waren es, die sich die erste Lesung ausgesucht hatten, das
Hohelied der Liebe aus dem Korintherbrief. Das ist ein Text, der bei sehr vielen Hochzeiten
gelesen wird. Damit sind sie auf stabilen Grund. Da jedoch noch ein Evangeliumstext fehlte,
habe ich ihnen den anderen Text vorgeschlagen. Er ist, zugegeben, ein Kontrapunkt, weil er
sich auf den ersten Blick ganz anders 'anfühlt'. Wird in der Lesung immer wieder von der Liebe
gesprochen, spricht der Text aus dem Lukasevangelium vom Kreuz, das es zu tragen gilt.
- Heute wollen Anna und Marlon zusammen einen großen Schritt machen. Es ist ein Schritt des
Vertrauens: des Vertrauens in einander und des Vertrauens, dass Gott sie trägt. Zugleich ist vor
12 Tagen der Großvater von Marlon gestorben. Daher bedeutet heute Hochzeit feiern: Wir
vertrauen, dass Gott uns trägt, selbst über den Tod hinaus. Ohne dieses Vertrauen hätte man
vielleicht die Hochzeit abgesagt. Wenn Christen aber das Sakrament der Ehe feiern, dann tun
sie dies als Nachfolge dessen, der aus Liebe sein Kreuz auf sich genommen hat und in den Tod
gegangen ist - und der aus dem Tod erstanden ist, weil er vertrauen konnte. Dies zeigt, wie
wichtig für uns als Christen das Vertrauen ist.
2. Nachfolge
- Anna und Marlon feiern ihre Hochzeit als Christen. Das bedeutet, sie sagen ihr Ja nicht nur zu
einander, sondern auch dazu, dass Gott ihren Weg mitgeht, und dass sie ihren gemeinsamen
Weg gehen wollen zusammen mit Christus. Das Evangelium schildert, dass Jesus zu der großen
Menschenmenge, die ihm folgt, ein deutliches Wort sagt. "Wenn jemand zu mir kommt und
nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering
achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein."
- Das klingt erst einmal verrückt. Marlon und Anna wollen doch eine Familie gründen und darin
einander hoch achten und nicht "gering achten", wie Jesus sagt. Mit seiner schockierenden
Formulierung trifft Jesus dennoch einen wichtigen Punkt. Denn allzu leicht sind wir Menschen
dabei uns einzurichten mit dem was wir haben. Vater, Mutter, die ganze Familie dient dann
dazu, dass wir uns nach allen Seiten absichern. Wir werden leicht blind dafür, dass wir damit
die anderen möglicherweise nur für uns benutzen. Vater und Mutter, Ehepartner und Kinder
würden dann danach bewertet, welchen Nutzen sie mir bringen. Mit Liebe hätte das wenig zu
tun.
- An Jesus dagegen können wir sehen, was es bedeutet, sich von solchem Nutzendenken frei zu
machen. Er sieht in den anderen das einmalige, von Gott, seinem Vater, unbedingt geliebte
Wesen. Er benutzt den anderen nicht zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Deswegen sagt
er, er sei wichtig, dass man "sogar sein eigenes Leben gering achtet".
Sonst hätte er sein Kreuz
nicht auf sich nehmen können. Er hätte die anderen dazu benutzen können,
sich groß rauszustellen. Statt dessen hat er sein Leben für sie
gegeben.
3. Liebe
- Paulus im Korintherbrief sagt nichts anderes: "Wenn ich meinen ganzen Besitz verschenken
würde und wenn ich mich mit Haut und Haaren für andere einsetzen würde, hätte aber die
Liebe nicht, nützte es mir nichts." Denn die Liebe benutzt nicht den anderen für eigene Zwecke,
sondern respektiert ihn. So manche Mutter setzt sich mit Haut und Haaren für ihre Kinder ein,
aber wehe es kommt der Tag, an dem die Kinder selbstständig werden; dann kann eine solche
Mutter fuchsig werden, weil sie ihre Kinder abhängig halten will. So mancher Vater rackert
sich ab für seine Familie, aber wehe er wird einmal kritisiert; dann zeigt sich die strenge Seite
des Familienoberhauptes.
- Wenn du nicht radikal geringachten kannst, wirst du nicht erfahren können, wie herrlich die
Liebe ist. Hier hat der Satz seine Bedeutung. Anna und Marlon sprechen ihr Jawort heute
zueinander ohne Bedingungen. Sie haben es sich reichlich überlegt, ob - um es im Bild des
Evangeliums zu sagen - ihre Mittel zum Bau der gemeinsamen Zukunft "für das ganze
Vorhaben ausreichen", so wie es der Mann, der einen Turm bauen will, es sich überlegt.
Ihr habt überlegt, selbst unter der Belastung, dass Marlons Nono gerade erst gestorben ist, und
habt gemerkt: Gott hat Euch die 'Mittel' gegeben, um dieses Jawort heute zu sprechen.
- Für uns kommt damit ein Stück Himmel auf die Erde. Wir dürfen mit Euch Eure Hochzeit
feiern: mit Liedern des Vertrauens und fröhlichen Liedern. Denn wo ihr, Anna und Marlon,
einander vertraut, dort zeigt sich, dass Gottes Liebe größer ist als alles, worauf wir schwache
Menschen unser Vertrauen setzten könnten. Und diese Liebe Gottes ist es, auf die ihr Eure
Liebe baut. Amen.