Predigt zur Hochzeit - Fundament der Ehe
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9. Juli 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Auf der Suche nach einem Fundament
- Ein Fundament soll die Ehe sein. Ein Fundament soll sie haben. So haben Karolin und Dirk mir
die Auswahl der Lesungen aus der Bibel erklärt, für die sie sich entschieden haben. Die erste
Lesung stammt aus dem Weisheitsbuch "Jesus Sirach" im Alten Testament. Das Evangelium ist
ein kurze Abschnitt bei Lukas. Es fügt den Gedanken des Wachstums zum Thema Fundament
hinzu.
- Fragt man einen Architekten nach dem Fundament, wird er von Gründung und viel Beton
(gemischt aus vielen Sandkörnern) sprechen. Fragt man einen Juristen nach dem Fundament, wird
er wahrscheinlich von der Verfassung und Rechtssicherheit sprechen. Wovon mag ein Paar, kurz
bevor sie den Bund vor Gott schließen, sprechen, wenn man sie nach dem Fundament fragt?
- Den beiden ist bei der Suche in der Bibel nach geeigneten Lesungen
für ihre Hochzeit aufgefallen,
dass dort kaum je von der partnerschaftlichen Liebe der Eheleute die
Rede ist. Das hat einen
Grund. Dieses Thema war geschichtlich und ist in anderen Kulturkreisen
teilweise noch heute
nicht so wichtig, wie für unsere Zeit hier. Die Menschen haben das
Fundament für ihr Leben in
einer Vielfalt verschiedener Beziehungen erfahren. Die Liebe zwischen
Mann und Frau war nur
eine davon. Dass das heute anders ist, hat nicht nur Vorteile. Denn
durch die gestiegene Bedeutung ist auch die Belastung gestiegen. Bei all
der Flexibilität die uns abverlangt wird und den
stressigen Anforderungen beruflich und privat, hat die Ehe viel
auszuhalten. Die Suche von Karo
und Dirk nach einem Text in der Bibel für die Hochzeit hat also
letztlich ergeben: Das Fundament
finden wir eher, wenn der Blick weiter geht, als nur auf uns zwei zu
schauen.
2. Der Wert der Treue
- Die Beziehung in der Familie wird dann gelingen, wenn unser Leben auch sonst in guten Bahnen
ist. Wir können daheim nicht plötzlich andere Menschen sein, als wir es draußen sind. Die Ehe
funktioniert nicht als Flucht vor dem Leben, sondern nur als der Bund, es miteinander anzugehen.
Wenn zwei so gut zueinander passen, wie Dirk und Karo, dann habe ich den Eindruck, dass Gott
der Ansicht ist, dass das eine gute Voraussetzung dafür ist.
In der Ehe könnt Ihr miteinander finden, wie es möglich ist, dass gute Beziehungen gelingen.
Heute schließt Ihr den Bund, durch den klar ist: Ihr wollt zusammen gehen, einander stützen und
achten, gerade auch da, wo Ihr - manchmal! - nicht so vollkommen seid.
- Drei Dinge benennt die Lesung aus dem Buch Jesus Sirach, die nicht tragen: Bestechung, falscher
Reichtum und Gewalt.
- Bestechung ist dort, wo ich andere nicht respektiere, sondern manipuliere. In Eurer Ehe könnt
Ihr Euch darauf einlassen, einander anzunehmen. Ihr kennt Euch genug um zu wissen, dass das
Manipulieren nicht dauerhaft funktioniert. Ich kann den anderen nicht zu dem machen, was ich
will, sondern nur als Geschenk annehmen.
- Falscher Reichtum ist dort, wo ich mir etwas nehme, was mir nicht zusteht. In Eurer Ehe könnt
Ihr Euch einüben, lieber dem anderen Mal das größere Stück Kuchen zu geben. Weil Ihr
einander die Treue versprochen habt, wisst Ihr, dass der andere bereit ist, für Euch einzustehen.
Darauf lohnt es sich zu vertrauen. Reichtum, sagt Jesus Sirach, reißt den Menschen fort, "wie
ein mächtiger Fluss beim Gewitterregen", aber wenn es darauf ankommt, ist der Bach ausgetrocknet.
- Von der Gewalt schließlich sagt Jesus Sirach, dass sie nicht funktioniert. Wenn ich einen
anderen Menschen zu etwas zwinge, wird er sich gegen mich wenden, sobald meine Kraft
nachlässt. Deswegen ist die Ehe immer nur möglich als Bund aus freiem Willen und Entschluss.
- "Liebe aber wird in Ewigkeit nicht ausgetilgt, Barmherzigkeit besteht für immer." Das ist der Satz,
auf den die Lesung hinausläuft. Er ist keineswegs naiv und romantisch gemeint. Verliebtheit ist
etwas Wunderbares; aber sie kennt Gezeiten, manchmal ist Flut, manchmal ist Ebbe. Die Liebe,
die trägt, ist die barmherzige und treue Liebe. Sie ist der Entschluss, die Treue nicht abhängig zu
machen davon, ob der andere funktioniert oder mir was bringt. Sie baut nicht auf Berechnung und
Kalkulation, wie ein Geschäftsvertrag. Sie baut auf einen Menschen, in den Gott selbst die
Ewigkeit gelegt hat.
3. Ein Senfkorn
- Das klingt manchen vielleicht eine Nummer zu groß. Und doch dürfen wir es wagen. Keiner von
uns ist Gott; auch Karo und Dirk müssen einander nicht Gott sein; selbst ihre Liebe zu einander ist
nicht der Gott, dem sie vertrauen. Sie ist vielmehr das "Senfkorn", das in den Boden gesenkt wird,
damit etwas anderes wird. Jesus benutzt in seinem Gleichnis extra das Bild vom Senfkorn, weil es
so unscheinbar ist, und Menschen es aus dem Alltag kennen.
Eure Liebe ist - in diesem Bild - das Senfkorn. Eure Ehe ist der Entschluss, es zu säen und zu
pflanzen.
- Das Fundament ist also nicht etwas, dass fertig gegossen ist in Beton. Das Fundament ist vielmehr
ein Vertrauen darauf, dass die Beziehung, die zwei miteinander leben, ein Teil dessen ist, was
Jesus das "Königreich Gottes" nennt, also Gottes erfahrbarer Wirklichkeit unter uns. Die
Partnerschaft ist nicht schon alles. Vielmehr beginnt es erst jetzt. Es lohnt sich dranzubleiben, um
zu entdecken, was daraus wird.
- Wir sind heute hier, um dabei zu sein, wenn das Senfkorn für das Reich Gottes gesät wird. Wir
sind dabei, Gottes Segen für Euch vom Himmel herabzurufen mit unseren Gebeten und Liedern,
dass aus dem Senfkorn ein Baum wird. "Die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen", wie
es Jesus verheißt. Es werden viele Vögel sein: die kleinen Vöglein, die hoffentlich zu Eurer
Familie gehören, aber auch die Freunde, die sich bei Euch zu Hause fühlen, die Menschen, mit
denen Ihr im Beruf zusammen seid und die spüren, was Euer Fundament ist, die Bedürftigen, die
bei Euch anklopfen - sie alle schauen gespannt aus nach dem Baum, der da nun wächst. Amen.