Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Gebunden um eine Bleibe zu haben

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10. August 2013 - St. Joseph Hamburg/St. Pauli

1. Seemännische Haltung

  • 'Ein aufrechter Seemann zur Landratte mutiert.' Solche Sprüche dürfte sich der Bräutigam an diesem Wochenende noch öfters anhören müssen. Ich erwähne das natürlich nur, um es zu tadeln. Denn solche Sprüche kratzen eventuell ein wenig an noch offenen Wunden.
  • Zudem geht solch ein Spruch an den realen Zusammenhängen völlig vorbei. Seeleute sind eigentlich viel häuslicher als Landratten. Es ist nur so, dass ihr Haus schwimmt. Die Landratten von heute sind dagegen dauernd unterwegs. Ausbildung, Jobwechsel, Beziehungswechsel - meist ist damit gleich ein Umzug verbunden. Selbst manchem Hamburger wird auf diese Weise das Joch auferlegt, seine Heimatstadt zu verlassen. Angesichts dessen spricht ein aufrechter Seemann: "Wiederum sah ich Eitles unter der Sonne", Da ist einer, der könnte den ganzen Tag festen Boden unter den Füßen haben und ist doch nur am Schwimmen. "Das ist auch eitel und eine böse Mühe". "Windhauch" ist das Wort, das die katholische Bibelübersetzung an der Stelle wählt, eitel wie ein Wundhauch.
  • Kohelet heißt dieser Prediger des Alten Testamentes und sein Realismus ist nüchtern und hart am Fatalismus. Aber Kohelet, der Seemännische in seinem Charakter, weiß auch um das Mittel, das diese Härte mildert. "So ist's ja besser zu zweien als allein; denn sie haben guten Lohn für ihre Mühe."

2. Ein festes Band

  • Jeanette und Carl Philipp wollen nicht nur einfach gute Freunde sein, "besser zu zweien als allein". Dazu bräuchte es diesen Gottesdienst nicht. Vielmehr findet sich das Wort, das zusammenfasst, was beide heute unternehmen, in der zweiten Lesung, die wir aus dem Kolosserbrief gehört haben. Das Wort heißt "Band": "Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit."
    Ich verstehe das so, dass erst diese Grundhaltung des liebenden Respektes vor anderen Menschen, wie ein Kleid angelegt, ein Band ist, das die Dinge vollkommen macht, die ohne diese respektvolle Liebe einfach nur Nichts wären.
    Was Luther hier mit "Band" übersetzt, heißt auf Griechisch, der Sprache des Neuen Testamentes, eigentlich "Fessel". Ich bin darauf sofort angesprungen, weil eben dieses Wort in Lateinisch über dem Portal unserer Kirche, dem Kleinen Michel, steht: "in vincolo pacis", in den Fesseln des Friedens.
  • Es ist mutig von unserem Brautpaar öffentlich dazu zu stehen, dass sie sich "Fesseln" anlegen. Denn dies ist eigentlich das letzte, was wir moderne Menschen wollen, seit Rousseau vor 251 Jahren geklagt hat: "Der Mensch wird frei geboren, und überall liegt er in Fesseln." Zugleich hat er damit aber auch bewusst gemacht, dass es mit der berühmten Freiheit bei Lichte betrachtet nicht weit her ist. Wer etwa wie ein Sklave arbeitet, um wirtschaftlich frei zu sein, sollte über diese Paradoxie nachdenken. Das mobile Telefon kann ebenso unerbittlich an sich fesseln wie ein Terminkalender.
  • Carl Philipp und Jeanette für ihren Teil wollen bewusst, frei und entschieden sich an einander binden. Sie wollen, dass wir als Zeugen dabei sind, wenn dieser Bund vor Gott und inmitten der Kirche des Himmels und der Erde geschlossen wird. Sie ziehen damit ein festes Band der Liebe um ihre gemeinsame Zukunft und sagen einander: Nur im Bund mit dir will ich leben, weil ich wahrhaft frei nur bin, wenn ich auf die Liebe vertraue, mit der du dich an mich bindest - und mit der ich mich an dich binden will.

3. Bleibe in Gott

  • Es geht also noch einen Schritt weiter. Denn als Menschen aneinander gefesselt sein, ist immer auch gefährlich. Letztlich wäre es wahrscheinlich für beide eine Überforderung. So ist denn auch nicht Jeanette für Carl Philipp die Fessel und umgekehrt, sondern legen sich beide die Fessel an, die da heißt "Liebe" und "Frieden". Damit ist die eigentliche Bindung, die beide heute eingehen, die Bindung an Gott. In der Taufe hat Gott beide bereits unverbrüchlich angenommen. Die Taufe ist das Sakrament, das Heilige Zeichen, dass beide Kinder Gottes sind.
    Wenn Jeanette und Carl Philipp heute ihre Ehe als Sakrament feiern, dann sagen sie damit: Unsere Gemeinschaft soll der Ort sein, an dem wir diese Bindung leben.
  • Jesus selbst benutzt nicht das Wort von der Fessel, das wir in den Paulusbriefen finden. Jesus zieht ein lebendigeres Bild vor, um das Gleiche zu sagen: "Bleibt in mir und ich in euch." Es ist ein lebendiges In-einander-bleiben, wie die Verbundenheit des Rebzweiges mit dem Weinstock. Jesus offenbart sich damit als Gegenwart Gottes. Denn Gott ist diese lebendige Quelle, aus der wir alle stammen und ohne den wir nichts können. Gott selbst ist diese Kraft, die uns leben lässt. So wird im Sakrament der Ehe Gott selbst die Liebe, die Jeanette und Carl Philipp nicht nur zusammenführt und zusammen hält, sondern die die Verbindung der beiden erst fruchtbar machen kann.
  • Egal wo Sie beide nun wohnen werden, ob an Land oder auf See, ob in Hamburg, in Sachsen oder gar in Kiel. Sie haben alle Freiheit, weil sie sich binden. Sie haben sich Gott zur Bleibe erwählt, wie Gott Ihnen zugesagt hat, in Ihnen zu bleiben. Das ist das feste Band, auf das Sie nun trauen, wenn Sie einander trauen und die Treue versprechen. Amen.