Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Großherzige Achtsamkeit

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30. Mai 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gleichnis vom Sämann

  • Ob es eine gute Tat ist, kann man diskutieren. Aber achtsam scheint der Bauer nicht zu sein. Wer sein wertvolles Saatgut einfach so ausstreut, scheint nicht nur unachtsam zu sein und vernünftig ökonomischem Denken abhold. Wer solchermaßen sät, dem würde jeder gute Landwirt raten, den Beruf zu wechseln, bevor er den Hof ruiniert.
  • Doch obwohl es L. und S. weder an ökonomischem noch an landwirtschaftlichem Verstand mangelt, haben sie sich dieses Evangelium ausgesucht, für den Gottesdienst, mit dem sie das Fundament für ihr gemeinsames Leben legen wollen. Daher scheint es hier doch um mehr und wichtigeres zu gehen, als um Effizienzmaximierung im Saatguteinsatz. Vielleicht ist es sogar genau dieser Einspruch gegen die Allherrschaft von Maximierungsdenken, was das Gleichnis vom Sämann zu einem Bild des Wirken Gottes macht. Denn ökonomisches Effizienzdenken wird vom Mangel, Knappheit und Konkurrenz geleitet. Das Gleichnis vom Sämann hingegen atmet die Fülle, Großherzigkeit und Treue.
  • Professionell mögen S. und L. das ökonomische Denken beherrschen; ihre Ehe und Familie wollen sie dem ganz sicher nicht unterwerfen. Wer nachher bei der Befragung zur Bereitschaft zu einer christlichen Ehe genau zuhört, wird beruhigt sein, dass sie sich die Großherzigkeit auch gut die Beziehung zu ihren Freunden, Gästen und denen in Not vorgenommen haben.

2. Auf einander achten

  • In evangelischer Tradition haben sich die Brautleute einen Bibelvers ausgesucht und ihn als Trauspruch diesem Gottesdienst und ihrer Ehe voran gestellt. Wir sollten ihn jetzt im Licht des Evangeliums noch einmal anschauen, ob er an Bedeutung gewonnen hat: "Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen".
    Der Vers stammt aus dem Schlussteil des Hebräerbriefes, einer frühchristlichen Schrift, heute fast ganz am Ende der Bibel eingeordnet. Der Schlussteil hebt an, dass wir mit großem Vertrauen und Zuversicht vor Gott treten sollen: Dort wo wir Gottesdienst feiern ebenso wie im gemeinsamen und persönlichen Gebet und ebenso am Ende des Lebens und der Zeiten, wenn wir aufgefordert und eingeladen sind, vor Gott zu treten. Immer dürfen wir es mit glaubender Zuversicht tun, denn Gott ist uns immer schon ganz nahe, auch wenn wir es nicht immer merken.
  • Nicht ängstlich, sondern zuversichtlich sollen wir vor Gott treten und dabei - jetzt kommt der Hochzeits-Vers von L. und S. - sollen wir nicht nur uns selbst im Blick haben, sondern als Christen auch auf einander achten. Um wie viel mehr gilt das für zwei Christen, die im Bund der Ehe leben wollen. Gerade im Angesicht Gottes wird deutlich, was für eine großartige Berufung es ist, in jedem Augenblick nicht nur sich selbst und die eigenen Interessen im Blick zu haben, sondern zu schauen, was ich tun kann, damit sich der Mensch neben mir das Ziel seines Lebens erreicht. Ohne ihn anzukommen, würde auch für Dich bedeuten, das Ziel verfehlt zu haben.
  • Auf einander achten ist daher nicht, einander zu kontrollieren und zu kritisieren. Die beiden Brautleute haben genug Erfahrung im Leben und miteinander, um zu wissen, dass das ohnehin nicht viel bringt. Aufeinander achten und einander im Guten fördern meint vielmehr, einander darin zu stützen und zu stärken, worin Gott uns Talente und Gaben geschenkt hat, damit der Samen auf guten Boden fällt und Frucht bringt, "teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach".

3. Großherzigkeit

  • Aber es kommt etwas dazu, das göttlich ist. Die Großherzigkeit, mit der der Sämann nicht vorab entscheidet, wo es profitabel sei den Samen auszustreuen, ist für Jesus ein Bild für die großzügige Weise Gottes. Gott hat ein großes Vertrauen in den Menschen und ist nicht berechnend in seiner Treue. Wir sind dazu eingeladen, uns von dieser Großherzigkeit anstecken zu lassen, damit unsere Bereitschaft zur Liebe immer weniger in den Dornen der Alltagssorgen erstickt wird und nicht auf dünnem Boden verdorrt.
  • Wir feiern diese Hochzeit als Sakrament, im Vertrauen darauf, dass das Wort, das bei der Taufe über Sie beide gesprochen wurde, gilt und verlässlich ist. Die Ehe als Sakrament bedeutet, dass Sie auf Gottes Großherzigkeit vertrauen und dieses Vertrauen öffentlich bezeugen in dieser Gemeinde. Sie nehmen damit auch ein wenig Ihre Freunde und Familie in die Pflicht, großherzig und vertrauensvoll auf Eure Ehe zu achten.
  • "In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt." Diese großzügige Liebe Gottes, die in Christus sichtbar geworden ist, soll Sie beide jeden Tag tragen und ermutigen, mit großem Herzen einander zu stützen und einander zu helfen, dass Ihre Liebe Frucht bringt. Amen.