Predigt zur Hochzeit - Im Vertrauen leben
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21. Mai 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Sorgenfrei
- Welch ein Vertrauen! Sich nicht die Sorgen machen um Nahrung und Kleidung. Ja, Jesus scheut nicht einmal davor zurück, seine Freunde und Jünger aufzufordern, alles zu verkaufen. "Fragt nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und ängstigt euch nicht! - Sorgt euch nicht um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt." Das sind starke Worte, eine starke Zumutung, daraus spricht ein Vertrauen: "Euer Vater im Himmel weiß, dass ihr das braucht".
- Die Verantwortung für die Auswahl der biblischen Lesungen liegt ausschließlich bei den Brautleuten; ich habe mich da nicht eingemischt. Im konkreten Fall steht zu vermuten, dass die Braut die Hauptverantwortung trägt. Und das rückt sie leider in die Nähe des Verdachtes der Heuchelei. Denn, Hand auf's Herz, wer würde ernsthaft annehmen, dass sich Sandra in der Vorbereitung ihrer Hochzeit keine Sorgen um die Kleidung und das Essen gemacht habe? Beim ersteren sehen wir, dass das nicht der Fall ist, beim letzteren hoffen es die Hochzeitsgäste zuversichtlich.
- Doch es ist zum Glück nicht die einfache Alternative: entweder sie meint es nicht so bei der Auswahl der Bibeltexte, oder sie heuchelt, lässt das eine verkünden und tut das andere. Nein, es gibt noch die dritte Möglichkeit: Es geht um mehr als um ein äußeren Verzicht auf ein schönes Brautkleid und ein leckeres Hochzeitsmahl. Es geht um die grundsätzliche Freiheit in allem. Und so ist es im Evangelium gemeint. Das ist überhaupt die Kunst eines gelungenen Lebens als Christ: Sich um all die Äußerlichkeiten keine Sorgen zu machen - und genau deswegen sie mit Freude genießen können, zumal an einem Tag wie heute.
2. Vertrauensvoll
- Jesus selbst hat das, wovon er im Evangelium spricht, ziemlich wörtlich gelebt. Unter denen, die ihm nachfolgen, gab und gibt es Menschen, die sich berufen fühlen, ihm so weit wie möglich darin nachzufolgen, konkret diese Freiheit von der Bindung an jede Art von Schätzen auf Erden zu leben. Aber in der Kirche ist das nie als ein Gebot gemeint, jeder müsse das jetzt genau so tun. Es ist vielmehr immer eine Berufung für einzelne. Und eine solche Berufung ist immer ein Geschenk, das man sich weniger aussucht, als dass man es entdeckt. Wer das konkret lebt ohne persönlichen Besitz, wie es im Wortlaut hier steht, der weiß, dass das eigentliche dabei das Vertrauen ist: Vertrauen, dass es einen Ort gibt, an dem diese Sorge nicht das alles Bestimmende ist; an diesem Ort lebe ich in einer Beziehung, die mir sagt: "Warum macht ihr euch Sorgen?"
- Jan-Silvius und Sandra haben das große Glück gehabt, in Beziehungen und an Orten aufzuwachsen, die ihnen solches Vertrauen ermöglicht haben.
Von denen, die aus Kriegsgebieten als Flüchtlinge zu uns kommen, wissen wir, wie wenig selbstverständlich es ist, in Frieden und Sicherheit und gar in gewissem Wohlstand leben zu können. Hamburger zu sein ist ein Privileg! Die Hamburger wissen das.
Von manchen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, wissen wir, wie wenig selbstverständlich die Erfahrung einer Familie und einer Partnerschaft ist, die Rückhalt und Vertrauen gibt. Auch wenn wir da auch bei uns und bei Menschen die wir kennen, erleben können, wie brüchig das sein kann - im Vergleich zu denen, die im Bürgerkrieg von ihrer Familie getrennt wurden, geht es uns gut.
- Aber dennoch, oder gerade deswegen ist dieses Evangelium heute so wichtig. Denn wann, wenn nicht jetzt, wo Sie beide einander haben und einander das Versprechen geben, in guten wie in schlechten Tagen zusammen zu stehen - wann, wenn nicht jetzt, wollen sie das Vertrauen üben, von dem, was wir haben, nicht ängstlich abhängig zu sein.
3. Liebend
- "Um all das geht es den Heiden in der Welt", habe ich vorgelesen. Das Wort "Heiden" ist eine Übersetzung von "Völker" und meint Menschen, die nicht darum wissen und nicht erfahren haben, dass Gott uns "Vater" ist, also treu für uns da ist. Er ist der "Ich bin da!".
Jesus will nicht andere als "Heiden" schlecht machen, sondern uns darauf stoßen, was das größte Geschenk ist: Das vertrauende Wissen darum, der feste Glaube, dass wir Gott zum Vater haben und - was auch komme - Gott uns nicht fallen lässt.
Wie radikal Jesus das meint, ahnt man im Angesicht des Kreuzes. Auch und gerade dort, wo Jesus alle Kleidung verloren hat, wo er verspottet wird und ihn dürstet, dort wird in letzter Radikalität die Frage gestellt: Wofür lebst du, wofür liebst du?
- Sie beide schließen heute im Sakrament den Bund der Ehe. Beim Standesamt gibt es um Zivil- und Steuerrecht. Hier geht es darum, Ihre Liebe auf ein Vertrauen zu bauen, das Sie beide tragen kann. Die Familien, aus denen Sie stammen, konnten Ihnen einen Zugang zu diesem Vertrauen erleichtern. Nun aber ist es an Ihnen beiden, das für sich und miteinander zu tun. Sie werden das erst entdecken müssen, wie sie das leben und gestalten wollen, wie sie mit einander beten können und was ihnen hilft, dass das Vertrauen, auf das Sie heute bauen, nicht unter der Hand verdunstet, weil es zu wenig Sorgfalt erlebt: "Euch muss es um Gottes Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben."
- Letztlich wird es immer darum gehen, dass die Liebe sich öffnet. Das Vertrauen, dass Gott für uns sorgt, auch wenn wir das Sorgen lassen, wächst nach meiner Erfahrung immer dann, wenn wir es versuchen. Niemand lernt schwimmen, der sich immer am Beckenrand festhält. Niemand lernt Vertrauen, dessen Liebe ihn nicht dazu bringt, Eigenes loszulassen und für Andere da zu sein. Der Ort, an dem sie sich vorantasten können in das radikale Vertrauen, das Jesus meint, ist die Liebe, in der sie beide für einander da sein wollen. Der Ort wird aber auch dort sein, wo sie über diese Liebe hinaus steigen und ihre Partnerschaft Frucht tragen lassen, in Kindern, für die sie da sind, in Menschen in Not, die sie brauchen, und in all denen, die voll Freude auf sie beide heute schauen, weil sie durch Ihr Ja-Wort uns allen ein sichtbares Zeichen geben: Macht Euch keine Sorgen, "wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz". Amen.