Predigt zur Hochzeit1. Mai 2010 - Jesus und die Kinder
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1. Mai 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Albernheit
- Ich wüsste gerne, wie es ist, wenn Jenna und Christian albern sind. Albernheit nämlich ist eine
Tugend. Ich spreche nicht davon, dass jemand töricht wäre. Töricht sind die Brautjungfern, die
nicht vorausschauend genug waren, genügend Öl für ihre Lampen mitzunehmen. Das war
töricht und dumm.
- Albernheit hingegen ist eine Tugend, sogar eine göttliche Tugend. Damit meine ich nicht, dass
Gott albern ist - zumindest habe ich diesbezüglich keine theologischen Erkenntnisse. Albernheit ist vielmehr eine göttliche Tugend, weil Gott diese Tugend schenkt und die Fähigkeit,
wirklich albern zu sein, aus dem glaubenden Vertrauen auf Gott kommt, denn Albernheit ist die
Tugend, den ganzen Ernst des Lebens zu durchbrechen und mitten im Chaos oder mitten im
größten Ernst alles Chaos und allen Ernst durch herzhaftes Lachen in die Grenzen zu weisen.
Grundlos lachen, aus dem kleinsten Anlass geboren, das kann nur, wer albern sein kann.
- Manche haben daher behauptet, dass Albernheit vor allem eine männliche Tugend sei, weil
Männer besonders darauf angelegt seien, ernst zu sein. An dieser These dürfte sogar etwas dran
sein. Aber auch hier hat die Emanzipation Fortschritte gemacht. Ich kann mir vorstellen, dass
beide zusammen, Jenna und Christian, die hohe Tugend der Albernheit besitzen: die Tugend,
die daher kommt, dass wir wissen, dass diese Welt und jeder von uns in allem geborgen ist in
der tragenden Liebe Gottes, und dass wir, wenn es ganz hart auf hart kommt, wenn der Ernst
des beruflichen Alltags und der Sorgen uns ins Gesicht schaut - dass wir dann entwaffnend in
eben dieses ernste Angesicht lachen.
2. Kinder
- Die Albernheit hat es schwer gegen den Ernst des Lebens. Sie hat keine handfesten Argumente
auf ihrer Seite. Alle Vernunft sagt: Christian, Jenna, seid doch nicht so albern. Ihr seid
erwachsene Menschen. Da muss man langsam gelernt haben, die Dinge ernst zu nehmen. So
spricht die Vernunft.
- Diese Vernunft dürften auch die Jünger auf ihrer Seite gehabt haben. Jesus hält gerade eine
wichtige Predigt. Die Jünger sind konzentriert, nichts zu verpassen. Vielleicht spricht Jesus
gerade darüber, dass Gott sein Volk Israel erwählt hat, um es in Liebe zu tragen; vielleicht
spricht er gerade darüber, dass er gekommen ist, um den Bund Gottes mit seinem Volk zu
erneuern.
- Und da kommen Leute und bringen ihre Kinder zu Jesus. Kein Wunder, dass es heißt: "Die
Jünger aber fuhren sie an." Die Kinder sind doch noch viel zu klein, um die Predigt Jesu zu
verstehen. Jesus aber weist die Jünger zurecht: "Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie
nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich." Mit diesem "wie die Kinder"
ist genau das gemeint, was mit der Albernheit zu tun hat. Wo Kinder noch nicht um den Ernst
des Lebens wissen und die Fähigkeit haben, ganz aus dem glaubenden Vertrauen zu leben, da
brauchen Erwachsene die Tugend der Albernheit, um wissend um den Ernst des Lebens diesem
entgegenzulachen und zu sagen: Was auch kommen mag, aus Gottes guten Hände können wir
niemals fallen .
3. Bund
- Die Albernheit leugnet nicht den Ernst des Lebens. Sie bricht nur genau dann auf, wenn die
Sorgen versuchen, uns niederzudrücken. Denn nicht in allem sollen wir werden wie die Kinder.
Als erwachsene Menschen tragen wir Verantwortung. Die erste Verantwortung aber ist der
Respekt vor einander. Kinder können ganz unbekümmert ihre eigene, kleine Perspektive haben,
und manchmal sind Kinder geradezu verletzend, weil sie nicht merken, was das, was sie sagen
und machen, anderen antut. Deswegen schreibt Paulus an die Christen in Korinth, dass er
ablegt, "was Kind an mir war". Er weiß, dass alles was wir Menschen tun und leisten, alle
Erfolge und aller Charme, nichts wert ist, wenn die Liebe fehlt. Damit ist nicht die 'naive' Liebe
gemeint, sondern eben der Respekt vor dem anderen. "Und wenn ich prophetisch reden könnte
und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße
und Berge damit versetzen könnte, hätte aber den liebenden Respekt vor meinen Mitmenschen
nicht, wäre ich nichts."
- Christian und Jenna schließen heute mit einander den Bund der Ehe. Sie feiern das Sakrament
der Ehe, denn ihren Bund, ihre Ehe, hat Gott erwählt zum greifbaren Abbild seines Bundes mit
uns Menschen. Wie Gott uns in der Taufe unwiderruflich angenommen hat, so nehmen Jenna
und Christian einander unwiderruflich an. Beide bringen viele Fähigkeiten mit. Beide sind
beruflich erfolgreich. Beide können charmant sein. All das wäre aber nur "dröhnendes Erz oder
eine lärmende Pauke" ohne diesen Bund, den sie ganz ernst nehmen, weil sie in ihm erfahren
können, was ihr Leben trägt: "Einander sollen sie Partner sein und ihren Kindern Vater und
Mutter", werden wir im großen Segen über die beiden sprechen.
- Die Ehe ist ein Abbild des Bundes, den Gott uns Menschen schenkt, weil Jenna und Christian -
und hoffentlich bald auch ihre Kinder - in dieser Gemeinschaft ein Abbild von dem erfahren
können, was sie selbst und uns alle trägt. Dass wir in allem Ernst, in guten wie in schlechten
Tagen, in Gesundheit und Krankheit, auf diesen Gott bauen können, der selbst den Tod und
allen Schrecken überwindet. Gerade wenn sie ihren Bund ernst nehmen, gerade wenn ihnen
bewusst wird, wie gegenwärtig Gott in jedem Augenblick ihres Lebens ist - gerade dann
können sie auch von Herzen albern sein. Amen.
Anmerkung
In der Sammlung "Die kleine Weltlaterne" hat Peter Bamm den wunderbaren Essay "Über die
Albernheit" veröffentlicht, der jedem zu empfehlen ist, der gerade mal wieder sehr um den Ernst des
Lebens kämpft.