Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit am 28. Mai 2010 - Psalm 23 - Macht euch keine Sorgen

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28. Mai 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Sorge

  • Es braucht nicht viel Phantasie, sich auszumalen, wie Inga und Olaf genau auf dieses Evangelium für ihre Hochzeit kamen. Mitten in all dem Vorbereitungsstress mussten Sie einen Text finden, von dem sie denken, dass er zum Anlass passt. So sehe ich sie vor mir, wie sie tausend Dinge für die Hochzeit bedenken müssen und sich dabei mantra-artig zumurmeln: "Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, was es bei der Hochzeit zu essen gibt, noch um euren Leib und darum, was ihr bei der Hochzeit anzuziehen habt." Trotz dessen habe ich den Eindruck, dass sie es insgesamt relativ gelassen angegangen sind - aber natürlich nur relativ zu anderen Paaren, die in der Situation der Panik näher sind. Auch dürfte es gewisse Unterschiede bei den beiden geben: Olaf ist vielleicht aufgrund seines reifen Alters etwas gelassener; vielleicht ist es auch sein Naturell als Nordwestmecklenburger. Ich weiß es nicht. (Über Recklinghausen, den Herkunftsort der Braut, will ich erst recht keine Vermutungen aufstellen).
  • Dass Jesus genau die beiden Punkte - Essen und Kleidung - als Beispiele gebraucht hat, um zu illustrieren, was Vertrauen in Gott, unserem Vater im Himmel bedeutet, mag zu denken geben. Auch wenn es damals noch keine fashion-stores gab, ist die Frage "was anziehen?" schon damals von Belang gewesen. Allerdings dürfte bei denen, die ihm bei der Bergpredigt zuhörten, häufiger die Sorge gewesen zu sein, überhaupt etwas Wärmendes zum Anziehen zu haben und auch morgen noch etwas zu essen. Da unser Brautpaar sich beruflich von den Krankheiten anderer Leute nährt, haben sie recht krisensichere Jobs und dürfte sie diese Extremform der Sorge "Was sollen wir essen? Was sollen wir anziehen?" nicht täglich drücken.
  • Aber auch wenn wir nicht Sorge vor regelrechter Not haben, trifft die Schilderung Jesu den Kern: Wir sorgen uns darum, wie wir selbst nicht zu kurz kommen - "Essen" -, und darum, wie wir vor anderen dastehen und angesehen werden - "Kleidung"-. Es wird dabei Unterschiede im Charakter geben, und wer sich paranoid Sorgen macht, kann sich zur fachlichen Behandlung bei der Braut melden. Ansonsten aber dreht sich genau gesehen im Leben schon viel um die Frage, wie ich selbst nicht zu kurz komme und wie ich bei anderen angesehen bin: "Was sollen wir essen? Was sollen wir anziehen?"

2. Vertrauen

  • Geld, sagt man, macht nicht glücklich, aber beruhigt. Ich sehe nicht, dass sich dieser Satz empirisch belegen lässt. Oft genug hat man den Eindruck, dass reiche Kulturen sorgenvoller sind als arme. Entscheidend scheint mir zu sein, ob ich tief im Herzen den Grundton des Vertrauens trage, oder ob ich immer nur erfahren und gelernt habe, dass ich niemanden trauen darf, als mir selbst. Im letzteren Fall wäre das, was Olaf und Inga heute unternehmen, höchst zwiespältig. Denn heute wollen die beiden "sich trauen".
  • Gestern haben die beiden vor dem Standesamt einen Ehevertrag geschlossen. Das ist ein sinnvoller Schritt. Er bindet rechtlich und schafft Verlässlichkeit - so lange der Vertrag Gültigkeit hat. Deswegen sind die Bedingungen für die Vertragsaufhebung - Scheidung genannt - in den Klauseln bereits enthalten. Heute schließen Inga und Olaf nicht einen zweiten Vertrag. Sie schieben auch nicht einfach eine gefühlvolle Feier nach. Vielmehr schließen sie heute einen Bund miteinander. Ich weiß aus den Vorgesprächen, dass das auch für die beiden etwas substanziell anderes ist.
  • Sie trauen und vertrauen einander ihr Leben an. Sie setzen ihr Leben auf's Spiel, indem sie es dem Anderen anvertrauen. Das entbindet nicht von der Notwendigkeit, das eigene zu leben, aber es setzt eine Grundentscheidung als Rahmen: Ich will es zusammen mit dir leben und vertraue darauf, dass du das deine mit mir leben willst. Das ist mehr als zu sagen, dass ich mir vorstellen kann, die gute Eigenschaften des anderen künftig für mich nutzen zu wollen, solange der Nutzen hält. Das ist vielmehr ganz tief graben in der eigenen Existenz, und in der Tiefe auf Vertrauen zu stoßen, auf das ich setzen will.

3. Vor Gott

  • Dieses Vertrauen hat einen Grund. Keiner von uns überblickt das eigene Leben oder kennt auch nur die eigenen Abgründe. An diese Stelle tritt ein Bekenntnis: Der Gott, der seinen Name JHWH - Ich bin da! - offenbart hat, ist der Hüter meines Lebens. Was auch kommen mag: Der mich besser kennt, als ich mich selbst, hat mir in der Taufe zugesagt, mein Hüter zu sein. Darauf baue ich. "Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht."
  • Es ist dieser Gott, den Jesus seinen Vater nennt. So ist auch der Psalm 23, den wir als Lesung gehört und im Lied gesungen haben, eines der 150 Gebete, die Jesus selbst aus den Psalmen gebetet hat. Weil er selbst bis in die letzte Faser seines Daseins und bis in die letzte Stunde auf Erden darauf vertraut, kann er in der Bergpredigt sagen: "Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht." Denn "Heiden" sind nicht einfach eine definierbare Gruppe von ungläubigen Menschen, sondern etwas sehr präzises: Menschen, die diesen Grund des Vertrauens nicht erkannt und entdeckt haben. Das Wort "Heiden" übersetzt wörtlich aus dem Griechischen das Wort "Völker" und steht damit als Kontrast zu Menschen, die zu Gottes Volk gehören, in ihm ihren König und, dieses Wort zieht Jesus vor, ihren liebenden Vater haben, auf den sie bauen können.
  • Die Taufe ist das große Geschenk, in dem sichtbar und erfahrbar wird, was jedem Menschen gilt: Gott will uns hinein nehmen in seine Liebe, die den Tod überwindet: Eine Liebe, in der keiner aufhört, er oder sie selber zu sein. Die Liebe, gepaart mit der Treue und dem Vertrauen, befreit vielmehr von der Sorge und dem Kreisen um sich selbst. Die Frucht dieser Liebe, so schildert Jesus dies im Evangelium, ist vielmehr, dass Menschen frei werden; es geht ihnen an erster Stelle nicht um "Was sollen wir essen? Wie stehen wir vor anderen da?", sondern um "Gottes Reich und um seine Gerechtigkeit gehen", das Reich und jene Gerechtigkeit, die den anderen respektiert und annimmt.
    Inga und Olaf wollen mit ihrer Ehe davon ein Bild geben, Kirche im Kleinen, Reich Gottes in ihrer Familie, Vertrauen ineinander im gemeinsamen Vertrauen auf die Zusage Gottes. Wir dürfen dabei sein und werden durch ihren Mut und ihr Zutrauen beschenkt. Gott selbst hat Inga und Olaf zusammen geführt. Es ist konkret Gottes Geist, durch den es bei Euch beiden Klick gemacht hat, durch den ihr das Vertrauen gewonnen habt, der Euch heute hier her geführt hat. Amen.