Predigt zur Hochzeit - Vertrauend Grenzen überschreiten
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27. Dezember 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Rut und Noemi
- Gott bringt Menschen dazu, Grenzen zu überschreiten. Es sind die Menschen, von denen man es nicht sofort erwartet hätte, die zu solcher Treue fähig sind. Davon handelt das Buch Rut aus dem Alten Testament, aus dem die Brautleute sich die erste Lesung für ihren Hochzeitsgottesdienst ausgewählt haben.
- Noemi musste ihre Heimat Israel verlassen und war zusammen mit ihrem Sohn ausgewandert. Dieser hatte in der Ferne Rut geheiratet, war dann aber gestorben. Die Lesung, die wir gehört haben, erzählt von Rut. Sie ist keine Israelitin, sondern eine Moabiterin, eine Ausländerin. Aber sie ist es, die verspricht, bei ihrer Schwiegermutter zu bleiben. Für die verwitwete Noemi ist das überlebenswichtig, einen Menschen an ihrer Seite zu haben. Mehr aber als das sticht an dem Versprechen die Treue hervor, die Rut auszeichnet: Sie nimmt es in Kauf, ihre eigene Heimat und Kultur zu verlassen, um Noemi treu zu sein: "Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott."
- Rut lässt sich damit nicht nur auf ein neues Leben an einen unbekannten Ort ein. Sie lässt sich auf einen Menschen ein, an den sie sich bindet. Und sie weiß, dass diesem Menschen Gott wichtig ist, und so lässt sie sich auch auf das Vertrauen in Gott ein. Was zu Dir gehört, soll zu mir gehören, der Gott, dem du vertraust, will auch ich vertrauen!
2. Grenzen überwinden
- Annegret und Gordan haben sich diese Lesung ausgesucht, obwohl sie nicht von einem Hochzeitspaar, sondern von Schwiegertochter und Schwiegermutter handelt. Die beiden haben mir zudem versichert, Annegrets Mutter käme nicht auf die Idee, aus dieser Lesung irgend welche Vorrechte für sich als Schwiegermutter zu lesen. Vielmehr konnten Annegret und Gordan von dieser Lesung aus der Bibel viel auf sich übertragen. So wird dieser Text für sie heute zum Wort Gottes, in dem Gott sie anspricht, und in dem sie vor Gott das ansprechen, was ihnen wichtig ist.
- Zwei Menschen, die im vierten Lebensjahrzent stehen, sind nicht mehr von der zartesten Jugend und bringen beide ein ganzes Stück Lebensgeschichte mit. "Dein Volk ist mein Volk", meint auch die Prägung, die wir in unserer Lebensgeschichte erhalten haben. Beide unterscheiden sich durch ihre Herkunft (Während Kroatien und Köln gemeinsam zum Kulturraum des Römischen Weltreiches gehören, liegt Düsseldorf bekanntlich auf der barbarischen Seite des Rhein, die erst nach und nach zivilisiert wurde); sie haben aber auch in über zwei Jahrzehnten als Erwachsene ihre Eigenart entwickelt.
- Wenn beide mit ihrem Eheversprechen heute sagen: Was zu Dir gehört, soll zu mir gehören!, dann ist das daher nicht wenig. Sie beide sind sich dessen bewusst und wollten es daher auch zügig angehen. Allein, dass Sie sich entschieden haben, innerrheinländische Differenzierungen außen vor zu lassen und gemeinsam in Hamburg eine neue Zukunft zu beginnen, ist ein symbolischer, aber nicht unwichtiger Schritt, der zeigt, dass Sie es ernst damit meinen: "Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich."
3. Im Vertrauen wachsen
- Dass Sie Ihre Ehe in der Kirche beginnen (und, Frau Willems, jetzt gilt es auch!), macht deutlich, dass Sie das Projekt Ihrer Ehe von der Mitte her beginnen wollen. Die Mitte aber ist der Grund allen Vertrauens. Ja, Sie vertrauen auf einander. Ja, Sie vertrauen auf Ihre Fähigkeiten, Ihre bisherigen beruflichen Erfolge, darauf dass die Gesundheit hält und der Friede in unserem Land. All das ist nicht selbstverständlich.
- Der Grund des Vertrauens aber liegt tiefer. Sie haben darauf verwiesen, als Sie uns das Stück aus dem Lukasevangelium als zweiten Bibeltext ausgesucht haben. Jesus greift darin bewusst zwei zentrale Bereiche unseres Lebens heraus: Nahrung und Kleidung. Symbolisch stehen sie dafür, was wir für uns als 'Lebens-Unterhalt' bekommen und, das ist ja kein geringer Zweck der Kleidung, wie uns die anderen Menschen sehen.
Von diesen beiden Fragen, meint Jesus, sollten Christen lernen abzusehen, um zu der einen Frage vorzustoßen, die wichtiger ist als alle anderen: Lebe ich aus dem Vertrauen in Gott, meinen himmlischen Vater? Nicht dass Kleidung und Nahrung unwichtig wären. Sie sind sogar existentiell. Aber wenn wir davon gefangen sind, was wir für uns bekommen und wie wir gegenüber anderen wirken, dann fehlt unserem Leben die Mitte, die uns fähig macht, uns auf andere zu zu bewegen.
- Ohne diese Mitte würde das, was Sie heute beginnen, sehr schwierig. Sie haben bewusst begonnen, mit einander Gottesdienst zu feiern, um ihre Beziehung zu einem Ort werden zu lassen, an dem Sie lernen zu vertrauen: einander und dem Gott, der Sie geschaffen hat, der Sie erhält und der Sie (etwas spät, aber immerhin!) als Paar zusammen geführt hat, damit Sie einander versprechen: Was Dein ist soll nun mein sein. "Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott." Amen.