Predigt zu Karfreitag 2004
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9. April 2004 - Oberschwappach/Knetzgau
1. Wer hat das getan?
- Wer hat das getan? Wer hat so gehasst? Wer ist schuld an diesem
Leiden? -
Wer die Berichte vom Leiden Jesu hört, und wer versteht, was da
gesagt
wird, dem ist es unmöglich, diese Frage zu verdrängen. Wer hat so
etwas getan?
- "Pilatus sagte zu den Juden: Da ist euer König! Sie aber
schrieen:
Weg mit ihm!" Das Johannesevangelium spricht von "den Juden",
die vor Pilatus die Kreuzigung Jesu durchgesetzt haben, "den
Juden"
die die eigentlichen Gegner Jesu waren. Ein ganzes Volk erscheint
schuldig
am Tod Jesu.
- Im Kern des christlichen Glaubens stoßen wir auf dieses Volk der
Juden.
Ohne die Juden ist unser Glaube nicht zu verstehen. Jesus selbst
sagt es im
Johannesevangelium (4,22): "Das Heil kommt von den Juden".
Deswegen
kommen wir auch an diesem Karfreitag nicht an dem Schicksal des
Juden Jesus
vorbei. Deswegen hören wir auch heute den Bericht seines Leidens und
Sterbens - verurteilt als König der Juden.
2. Das Heil kommt von den Juden
- Wer sind diese Juden, von denen das Evangelium berichtet? Waren es
die Hohenpriester? Sie hatten am meisten Einfluss und Einkommen zu
verlieren und
haben daher die Verurteilung betrieben. Sie waren Juden. War es Judas?
Er hat ihn verraten. Er war Jude. War es Petrus? Er hat den Herrn
verleugnet. Er war
Jude. War es Maria. Sie hat unter dem Kreuz gestanden. Auch Maria war
Jude. War es gar Jesus selbst? Er war es, der gesagt hat "Der Kelch,
den mir der
Vater gegeben hat - soll ich ihn nicht trinken?" Auch Jesus ist
Jude.
- Über die Jahrhunderte haben sich die Christen angewöhnt, von "den
Juden" als von den anderen zu sprechen. Juden waren die anderen, mehr
geduldet als
erwünscht. Regelmäßig am Karfreitag gab es jahrhundertelang
Ausschreitungen von Christen gegen die Juden in ihrer Nachbarschaft. Die
Christen hatten
vergessen, dass sie alle Juden waren: die Hohenpriester, Judas, Petrus,
Jakobus, Johannes, Maria seine Mutter und Jesus selbst. Die Christen
haben im
Karfreitagsgebet vom Mord an Jesus gehört - und als Reaktion darauf
selbst gemordet. Wir sollten daran denken, wenn wir heute von Hass und
Ausschreitung nach dem Freitagsgebet in anderen Ländern hören. Wir
können unsere eigene Geschichte darin erkennen.
- Es ist die unbegreifliche Berufung des Volkes der Juden, das
Schicksal der ganzen Welt abzubilden: das Tun der Menschen und ihr
Erleiden. Gott hat dieses
Volk berufen, um durch dieses eine Volk das Heil zu allen Völkern zu
bringen. Auch zu uns. Das zu verstehen ist so ungeheuer wichtig, denn
die Frucht des
Kreuzes geht uns verloren, wenn wir vergessen, dass wir in der Taufe
hinein gepflanzt sind in das berufene Volk Gottes. Die Juden, von denen
das
Evangelium spricht, das sind wir.
3. Dieses Heil zu erlangen
- Wer hat das getan? Wer hat so gehasst? Wer ist schuld am Leiden
Jesu? Die
Antwort auf diese Frage finden wir, wohin immer wir in der
Weltgeschichte
schauen - vor allem aber bei uns selbst. Nicht im Nachbarhaus, bei
uns finden
wir die Antwort. Im Dorf gibt es die Tradition des Freitagsgebetes(1),
das beginnt mit dem Satz: "Es ist Finsternis geworden, da die
Juden den
Herrn Jesus Christus gekreuzigt haben." Dieses Gebet ist nur zu
sprechen,
wenn wir beten: "Es ist Finsternis geworden, da wir den
Herrn
Jesus Christus gekreuzigt haben."
- Jesus hat das Kreuz nicht erfunden. Gott will dieses Leiden nicht.
Er findet
es vor, wo Menschen Macht ausüben, wo die Männer Krieg führen,
wo Hass herrscht und andere niedergemacht werden. Er findet das von
Menschen
verursachte Leid vor, auch in dem von ihm so geliebten und
auserwählten
Volk. Deswegen ist er einer aus diesem Volk geworden, von einer Frau
aus diesem
Volk geboren, mit Jüngern und Aposteln aus diesem Volk, schwachen
Menschen,
wie wir - damit wir alle Zugang finden zu der Gemeinschaft, die
Jesus stiftet.
- Im Freitagsgebet im Dorf heißt es: "Dieses Heil zu erlangen,
will
ich dir leben und sterben." Heute erfahren wir, dass wir das
nur können,
wenn wir uns einreihen in das Volk der Juden, unter jene, die das
Urteil sprechen
und die ihn verraten, genauso wie unter jene, die aus der Ferne mit
ihm gehen,
voll Trauer. All das sind wir. Darum auch sollten wir heute das
Schweigen
wahren und in uns gehen. Am Ende dieses Gottesdienstes steht die
Stille. Es
ist an Gott, zu uns zu sprechen. Und wir hoffen und vertrauen, dass
er es
sprechen wird, wenn das Licht in der Osternacht erscheint. Amen.
Anmerkung
1. Früher wurde beim
Glockenleuten
um 15 Uhr, zur Todesstunde Jesu, das Gebet von allen im Dorf privat
gebetet;
diese Tradition verliert sich. Traditionell wird das Gebet aber noch
von den
Leuten am Ende des Karfreitagsgottesdienstes nach dem Auszug des
Pfarrers gesprochen:
"Es ist Finsternis geworden, da die Juden den Herrn Jesus Christus
gekreuzigt
haben. Um die neunte Stunde rief der Herr Jesus mit lauter Stimme:
'Mein Gott,
mein Gott, warum hast du mich verlassen!' Und gab mit geneigtem Haupte
seinen
Geist auf. Durch diesen deinen Tod, o Jesus, hast du die ganze Welt
erlöst.
Ich bitte dich flehentlich durch die Bitterkeit deines Leidens und
Todes, du
wolltest dich meiner armen Seele erbarmen, wenn sie von meinem Leibe
abscheiden
wird, und wolltest sie führen zu deiner Herrlichkeit. Dieses Heil zu
erlangen,
will ich dir leben und sterben. Erbarme dich auch der armen Seelen im
Fegefeuer.
Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen;
lass sie
ruhen in Frieden. Amen."
Am Donnerstag (wenn das Glockenzeichen an die
Todesangst Jesu
am Ölberg erinnert) betet man: "Liebster Heiland, ich erinnere mich
jener
Trauerstunde am Ölberg, wo du blutigen Angstschweiß vergossen hast
und von deinem himmlischen Vater gestärkt worden bist. Verleihe auch
mir
armen Sünder Trost und Hilfe in jeder Angst und Not. Dein Beispiel
soll
mir vorleuchten, dass ich stets geduldig und Gott ergeben sei. 'Nimm,
Vater,
diesen Kelch von mir, doch nicht wie ich will, sondern wie du willst' -
soll
auch mein Gebet in der Trübsal sein. Mit dir, o Jesus, will ich
leiden,
damit ich mit dir verherrlicht werde. Amen.