Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Karfreitag 2016

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25. März 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Schlechte Quoten

  • Am Schluss hat Jesus nicht mehr viel Zustimmung. Es sind nur noch ein paar Wenige, die zu ihm halten.
  • Für heutige Fernsehleute läge die Frage auf der Hand: Bei so dramatisch eingebrochenen Quoten müsse er doch eingestehen, dass sein Kurs gescheitert ist. Sein Programm ziehe nicht mehr so wie am Anfang, als er noch Massen mit machtvollen Zeichen begeistern konnte.
    Jesus am Kreuz ist nicht länger mehrheitsfähig. "Hart aber fair" würde sagen: Das Festhalten an seinem Kurs stärkt doch nur die extremen Parteien. Oder so.
  • Ja, es sind nur noch Wenige. Quoten sind damit nicht zu machen, Mehrheiten nicht zu gewinnen.

2. Das Geheimnis des Kreuztragenden

  • Ich ahne, dass diese Erfahrung auch für Jesus hart gewesen sein muss. Wir hören im Johannesevangelium, dass er seinen Anklägern gegenüber souverän aufgetreten ist. "....Du hättest keine Macht über mich", antwortet er dem Pilatus, der über Leben und Tod entscheidet. Das ist souverän. Aber wir ahnen auch, dass zum Schmerz des Kreuzes der Schmerz gehört, ausgestoßen, abgelehnt, vereinsamt und missverstanden zu werden. - Und dennoch hat sich Jesus entschieden, an diesem Kurs festzuhalten.
  • Was ist das Geheimnis dessen, der das Kreuz trägt, des Gekreuzigten? Ist es eine an Masochismus grenzende Leidensfähigkeit? Gefällt er sich in der Rolle dessen, der grenzenlos Schmerzen ertragen kann? Oder ist er schon so abgehoben, dass er nichts spürt, nicht die Schwäche, nicht die Schmerzen, nicht die Einsamkeit, nicht das Scheitern?
  • Wenn ich die biblischen Berichte noch mal höre und danach frage, was das Geheimnis des Gekreuzigten ist, dann stoße ich auf das Vertrauen, das er in Gott hat. Er teilt mit allen Menschen das Ringen und Fragen und Zweifeln. Aber er geht auch allen Menschen voran, indem er in allem und trotz allem vertraut: Gott ist ihm nah, auch im Scheitern, auch in der Einsamkeit, auch in der Verzweiflung.

3. Mit Vertrauen

  • Um Zustimmung zu werben ist nicht von vorne herein verwerflich. Wenn wir eine Gesellschaft in Gerechtigkeit und Frieden wollen, müssen wir immer bereit sein, pragmatisch Kompromisse zu schließen und Koalitionen einzugehen. Das Immer-nur-Recht-behalten wollen (komme was da wolle), ist auch nur eine Form von Gewalt. Rechte Kompromisse können eine Weise sein, das Kreuz auf sich zu nehmen. Denn auch sie setzen Vertrauen voraus.
  • Hinzu kommt aber die Haltung des Gekreuzigten: Er sieht ab von sich selbst und ganz auf Gott. So setzt einerseits jeder Kompromiss voraus, dass die Beteiligten wissen, was sie wollen. Andererseits kann Frieden aber nur gelingen, wenn es unter den Beteiligten hinreichend viele gibt, die nicht nur ihren eigenen Vorteil wollen. Gemeinsames Handeln in der Gesellschaft kann nur gelingen, wenn hinreichend viele sich nicht von der Angst vor Veränderungen und Umbrüchen treiben lassen - und hinreichend viele dennoch die Angst der anderen ernst nehmen. Ängste nimmt man jedoch nicht dadurch ernst, dass sie mit billigen Parolen und unrealistischen Versprechen bedient werden!
    Etwas wollen, ist noch kein Egoismus. Der Karfreitag stellt uns vor die Frage, was wir wollen und wofür wir stehen. Hier, vor dem Kreuz, sehen wir einen, der einen hohen Preis dafür bezahlt hat, dass er zu dem steht, was er für richtig erkannt hat. Er speist nicht niemanden mit falscher Frömmelei ab. Er zahlt den Preis selbst.
  • Ich möchte mich von diesem Jesus mitnehmen lassen in das Vertrauen. Ich möchte Gott so vertrauen können, dass ich davon frei werde, nach Quoten zu schielen, um so für die Menschen leben zu können, wie Jesus es konnte. Ich möchte so frei werden von der Angst vor dem Tod, dass ich wie Jesus vertrauen kann, auch ohne Sicherheiten, auch ohne das Happy End zu sehen, auch im Zittern und Zagen - Vertrauen, dass Gott dennoch da ist und stärker ist, als der Tod. Amen.