Predigt Ostern Lesejahr B - In der Nacht 2009
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11. April 2009 - Oberschwappach/Knetzgau
1. Tag und Nacht
- In der Nacht hat es sich ereignet, wie er es angekündigt hat: "Er
werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen" (Mk 8,31).
In dieser Kirche hat am Karfreitag der Gottesdienst stattgefunden, in dem
wir seinen Tod - man muss den Ausdruck bedenken! -'gefeiert' haben. Jetzt,
mitten in der Nacht, feiern wir die Auferstehung. In der Nacht, gerademal
32 Stunden später. Der Zeitpunkt sollte also irritieren angesichts der
Ankündigung vom dritten Tag.
- Die Sache erklärt sich. Die Bibel zählt die Tage von Sonnenuntergang
zu Sonnenuntergang; die Nacht wird zum darauffolgenden Tag gezählt. Unsere
Zählung, in einer festgelegten Nachtstunde den Datumswechsel zu vollziehen,
ist der Mathematik, nicht dem Erleben des Menschen abgeschaut. Für die
Bibel ist das anders. Die Sonne, ihren Aufgang und Untergang, erlebe ich.
So beginnt biblisch mit dem Sonnenuntergang am Samstag der dritte Tag, der
Sonntag. Es ist der erste Tag der Schöpfung. Aus dem Dunkel der Nacht
heraus beginnt das Neue.
- In dieser Nacht heute ist das erfahrbar. Aus der Nacht kommt das Licht.
Die biblische Zählung des Tages ist auf Hoffnung ausgerichtet. Aus Nacht
wird Tag, aus Dunkelheit Licht. Aus der Finsternis des Todes wird neues, ganz
neues und unzerstörbares Leben. Wir feiern das, was inmitten der Geschichte
in der Vergangenheit geschehen ist, als Wirklichkeit für uns heute. Dies
ist die Nacht die hinüberführt zum Licht.
2. Im hellen Licht
- Die Hinrichtung Jesu am Karfreitag fand im gleißenden Sonnenlicht
statt. Nackt hing er am Kreuz. Nichts war zu beschönigen. Das Elend war
nicht zu verbergen. Der Gekreuzigte war den Menschen ausgeliefert worden und
sie haben mit ihm gemacht, was sie wollen.
- Der Zusammenhang von hellem Licht und Zerstörung ist eine Spur.
- Beziehungen scheitern oft endgültig in dem Augenblick, wo der eine
alles über den anderen ans Licht zerrt und hinausschreit. Und dabei
wird nur deutlich, wie wenig er über den ehemals geliebten Menschen
weiß.
- Ja, selbst die Wissenschaft wird dort gefährlich, wo sie das hellste
Licht verkündet. Es ist doch auffällig, dass immer wieder aus
der Soziologie, der Biologie oder derzeit aus der Neurologie behauptet
wird, jetzt habe man erkannt, wie es um den Menschen stehe und wie er
funktioniere - und als Konsequenz daraus die Freiheit des Menschen geleugnet
wird, weil der Mensch mal wieder ganz wissenschaftlich beschrieben wird
als "Nichts anderes als...." Das grelle Licht lässt kein Geheimnis
zu.
- Ich bin froh über den Fortschritt der Wissenschaft. Die Bibel ist dafür
kein Ersatz und auch das Schöpfungslied, das wir in dieser Nacht als
erste Lesung gehört haben, darf nie als naturwissenschaftliche Beschreibung
missbraucht werden. Aber das Schöpfungslied hat doch etwas zu sagen darüber,
was im Tiefsten der Sinn des Werdens ist: Woher das Leben kommt und worauf
es zuläuft. Im Psalm 139 betet einer und sagt "Als ich geformt wurde
im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde". Da spricht sich
das Wissen darum aus, dass wir Menschen im Tiefsten ein Geheimnis sind. Wer
den Menschen vom ersten Augenblick mit Ultraschall und Gendiagnose beäugt,
wird leicht versucht sein, ihm auch im zweiten Augenblick kein Geheimnis zu
lassen, keine Freiheit und keine Würde. Ohne die Hülle der Scham
wird der Mensch umprogrammiert, aussortiert, instrumentalisiert.
3. Aus dem Dunkel der Nacht
- Keiner hat gesehen, was in dieser Nacht geschehen ist. Es gibt keine Zeugen
der Auferstehung. Es gibt nur das leere Grab. Eine Leerstelle die darauf verweist,
dass Gottes Handeln die Welt berührt hat. Der erste Tag einer neuen Schöpfung
hat begonnen. Das Grab ist leer. Was unser irdischer Leib ist, ist berufen
an einer Herrlichkeit Anteil zu haben, die unsere Welt berührt, aber
nicht in ihr aufgeht.
- Paulus schreibt, dass "Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von
den Toten auferweckt" worden ist. Das ist sehr präzise gesagt. Dort,
wo die Herrlichkeit Gottes die Sterblichkeit berührt, da verwandelt sie
zum Leben. Gottes Herrlichkeit wird nicht ein Teil dieser Welt. Sonst könnten
wir Menschen nicht mehr in Freiheit unseren Weg gehen. Wir würden erblinden
bei so viel Licht. Gottes Herrlichkeit erscheint vielmehr verhüllt. Sie
ereignet sich in der Nacht und wird einladend. In immer neuen Anläufen,
versuchen die Evangelien zu beschreiben, wie die ersten Begegnungen mit dem
Auferstandenen erlebt wurden. Er, der tot war am Kreuz, ist lebendig und geht
uns voraus.
- Jahr für Jahr feiern wir diese Auferstehung verhüllt im Ritus
der Osternacht. Sonntag für Sonntag ereignet sich die neue Schöpfung,
wenn aus dem gebrochenen Brot neues Leben in der Kirche wird. Tag für
Tag leben Christen aus der Begegnung mit dem Auferstandenen und finden in
ihm die Kraft zu lieben und zu dienen. "Wo ist Euer Gott?" rufen
die Spötter, denen nur zählt, was sie im unbarmherzig hellen Licht
messen und wiegen können. Wir können nur auf das leere Grab verweisen
und auf die Nacht, aus der heraus ein Licht leuchtet, und auf die stille Freude,
die aus der Nacht auf den Tag zuführt. Weil Christus auferstanden ist,
leben wir auf eine Zukunft zu, die von seiner Liebe erfüllt ist - eine
Zukunft, die unter uns schon begonnen hat. Amen.