Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Ostern am Tage 2012

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8. April 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Auferstehungsversicherungspolice

  • Sie können sich für oder gegen so ziemlich alles versichern - vorausgesetzt, Sie haben das nötige Kleingeld. Krankenversicherung sollte jeder haben, Rentenversicherung eigentlich auch. Man kann sich auch gegen Berufsunfähigkeit versichern, das betrifft je nach Beruf mehr Hände, Beine, Stimmbänder oder den klaren Verstand (wobei letzteres z.B. für mittlere Managementaufgaben vermutlich entbehrlich ist). Man kann sich (wenn man versteht, wie Derivate funktionieren), gegen steigende Ölpreise versichern, und erstaunlicherweise sogar gegen sinkende. Auch für den Todesfall gibt es Vorsorge: Eine Versicherung zur Deckung der Bestattungskosten, eine Versicherung für die Hinterbliebenden. Manche schreiben sogar grass anstößige Gedichte, um sich gegen das Vergessenwerden zu versichern.
  • Nur bei der Auferstehung, da hapert es mit einer Versicherung. Nicht dass ein findige Makler zögern würde, uns eine solche zu verkaufen; das Problem liegt eher darin, wie ich die Versicherungsansprüche durchsetzen soll, wenn es nicht geklappt hat. Früher hat mancher eine gutdotierte Stiftung hinterlassen, dass für sein Seelenheil täglich eine Messe gelesen werde; das ist aber zu recht aus der Mode gekommen. Daher bleibt nur, auf Erden als guter Mensch zu leben. Aber irgendwie ist uns klar, gegen ein Ausbleiben der Auferstehung kann man sich nicht versichern.
  • Jede Versicherung, die wir versuchen würden, wäre tot wie das Papier, auf der sie vereinbart ist, tot wie die Paragraphen, die den Verbraucherschutz garantieren, tot wie letztlich jede Berechnung, mit der ich meine mich dagegen absichern zu können, dass es nicht auf mich selbst ankäme: Auf das was ich bin, wie ich lebe und vor allem auf welche Beziehungen ich setze.

2. Fakten und Vertrauen

  • "Der Herr ist auferstanden - er ist wahrhaft auferstanden". Mit diesen Worten begrüßen sich Christen am Osterfest in vielen Sprachen, besonders in den Ländern der Orthodoxie. Die Auferstehung ist für sie Wirklichkeit und zugleich soll sie Wirklichkeit werden. Sie ist eine Wirklichkeit, die uns hier, in unserem Leben zugesagt wird. Paulus nennt es in seinem Brief an die Kolosser eine Wirklichkeit, die "verborgen" ist, aber sie soll "offenbar werden in Herrlichkeit".
  • Es gibt Fakten, die ohne weiteres offenbar sind. Sie liegen auf der Hand. Zwei mal zwei ist Fünf; Adenauer war der erste Kanzler der Bundesrepublik; heute ist Sonntag; dieser Altar ist aus Stein gebaut. Das sind Fakten. Es sind so sehr Fakten, dass es mich nicht braucht, um anerkannt zu werden. Harte Fakten nennt man es.
    Die weitaus härteren Fakten aber sind die, die mein Leben betreffen. Es ist nicht leicht, es ist hart damit umzugehen, weil sie mein Leben in Frage stellen und es verändern können. Wer Liebe für unmöglich hält, weil sie nicht zu beweisen ist, baut sich nur ein Schutzschild um das eigene Herz. Wer sich daran stört, dass die Auferstehung von denen bezeugt wird, die Jesus schon auf Erden kannten, der verkennt, dass es hier um eine Beziehung geht, die sich nicht in mathematische Formeln auflösen lässt.
  • Die Auferstehung Jesu fordert mich heraus, Gott zu vertrauen. Ist die Welt für mich so klein wie die Summe der so genannten Fakten? Oder öffnet sich mir der Himmel, wenn ich mich auf den Weg des Vertrauens einlasse?
    Wer die Botschaft "Der Herr ist auferstanden" nicht gleich als Ammenmärchen zurückweist, der beginnt zu ahnen, dass diese Welt größer ist und mehr Potential hat, als das, was wir Menschen daraus machen. Der Zweifel ist nicht der Feind des Glaubens, sondern nur die Selbstgewissheit, die nicht mehr für möglich hält als das, was immer schon war.

3. Österlich leben

  • "Richtet euren Sinn auf das Himmlische" ruft Paulus daher denen zu, die den Weg des Vertrauens gehen wollen und die Taufe empfangen haben. Nicht, ob wir ohne zu zweifeln diese oder jene Fakten für wahr halten, ist entscheidend, sondern auf welche Wirklichkeit hin wir uns ausrichten. Den Sinn auf das Himmlische zu richten bedeutet, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen, aber dort eine Richtung zu haben, ein Ziel, einen Sinn.
  • Paulus fügt dann sofort an, dass eine solche Sinnausrichtung Konsequenzen für mein Leben hat: "Ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott." Wer Reichtum anhäuft und Machtpositionen einnimmt und Lustgewinn auf Teufel komm raus maximiert, dessen Position ist eindeutig. Da ist nichts verborgen - außer dem einen, dass solche Menschen entgegen dem Augenschein einsam sind; die Freunde des Geldes ziehen schnell weiter, wenn die Kasse nicht mehr stimmt. Wer das Risiko eingeht, darauf zu setzen, dass der Gekreuzigte auferstanden ist, der ist auf der Suche nach der Beziehung zu Gott, die sich nicht unbedingt rechnet, wenn der Sinn nur auf das Irdische gerichtet ist.
  • Ostern ist und bleibt eine Herausforderung. Die Wirklichkeit, die hier verkündet wird, kann nur erfassen, wer sich selbst in Bewegung bringen lässt. Hier gibt es keine Versicherung, weder mit noch ohne Haftungsausschluss. Es gibt aber die eigene Erfahrung und die Erfahrung vieler Menschen, seit der ersten Stunde damals in Jerusalem, dass die verborgene Wirklichkeit Gottes realer ist als alle Fakten, weil hier die Liebe mein Leben verändern kann. Amen.