Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Ostern am Tage 2016

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27. März 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Dabei

  • Keiner von uns war dabei, als Gott vor zweitausend Jahren Jesus, den Gekreuzigten, als ersten der Menschen gerufen hat, mit seinem Leib aufzuerstehen in die Herrlichkeit Gottes. Keiner von uns war an diesem ersten Tag der neuen Schöpfung dabei. Und dennoch ist dieser Tag gegenwärtig, nicht nur an diesem Osterfest, sondern in jedem Augenblick, in dem Gottes Geist einen Menschen befähigt, über diese Welt hinaus zu leben.
  • Keiner von uns ist mit hinausgelaufen, voll Zweifel und Sehnsucht, zum Grab, wo alle Hoffnung begraben lag, damals, als die Frauen sagten: "Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat." Und dennoch sind wir mal bewusst, mal unbewusst am Laufen und Rennen und Fragen und Suchen und Zweifeln und, ja auch, am Hoffen.

2. Schrift

  • In der vergangenen Nacht wurden die Lesungen verkündet, die aus der Geschichte des Heils zu diesem Ereignis hinführen, von der Erschaffung der Welt über die Befreiung aus Ägypten bis zu der Botschaft der Propheten und Weisheitslehrer Israels. Von diesen Schriften her haben die ersten Christen die Erfahrung von Ostern verstanden und gedeutet. Ihnen war klar, dass diese Schriften nicht Vergangenheit sind, sondern dass sich in der Gegenwart erfüllt, was von Anfang an war.
  • Das Evangelium vom Ostermorgen schildert dann die Bewegung der beiden Jünger. Die Botschaft vom leeren Grab setzt bei ihnen etwas in Gang, ohne dass sie es jetzt schon benennen könnten. Petrus sieht am Grab die äußeren Umstände: "Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte". Der zweite Jünger, der die mystisch liebende Kirche repräsentiert, sieht und glaubt - das heißt er traut Gott in der Offenheit dieser Situation. Und von beiden heißt es, dass sie noch nicht erkannt hatten, dass sich der Sinn all dessen aus der Heiligen Schrift erschließt.
  • Wir waren nicht dabei, als es begann und die Welt neu geschaffen wurde, am Tag der Auferstehung. Wir waren nicht unter den ersten, die losgelaufen sind und das leere Grab gesehen haben - noch nicht verstehend, doch anfanghaft glaubend. Wir waren damals nicht dabei. Und dennoch ist jeder von uns dabei. Immer. Gott ist nicht irgendwo in der Vergangenheit. Ostern ist kein rein historisches Ereignis. Wie für die ersten Jünger so ist auch für uns die Heilige Schrift immer nur eine Brücke zum Verstehen, dass Jesus Christus bleibend der Auferstandene ist, für uns heute wie für die ersten Christen damals. Das geschieht an uns, wenn wir uns auf Jesus, den Christus einlassen.

3. Gegenwart

  • Ostern ist ein Gegenwartsereignis. Wir feiern das Gedächtnis der Auferstehung Jesu. Von dort her durchdringt es unsere Gegenwart und birgt unsere Zukunft in sich. Wir haben uns als Christen in den Kirchen zu lange angewöhnt, die Auferstehung nur noch in der Liturgie und nur noch in den Schriften zu suchen, statt selbst loszulaufen.
    Die Kirche in Deutschland wird nicht dadurch bewahrt, dass die alten Strukturen und Denkweisen mit letzter Kraftanstrengung weitergeführt werden. Zu oft ist die Petrus-Kirche in den deutschen Gemeinden nicht losgelaufen, sondern stehen geblieben. Oder sind manche losgelaufen und waren schnell genug, um die anderen hinter sich zu lassen, nicht auf sie zu warten und so den Zusammenhang von Glauben und Kirche zu zerreißen?
  • Was vor aller Osterbotschaft da war, was Jesus hinterlassen hatte, das war damals am Morgen des Dritten Tages irgendwo ganz tief in den Herzen der Jünger: Verschüttet zwar, aber doch zutiefst Vertrauen in Gott. Das vor allem hatte Jesus mit ihnen geteilt: Vertrauen in Gott, seinen und unseren Vater. An Gott glauben und an die Auferstehung glauben sind dabei letztlich nicht zwei verschiedene Dinge, sondern eins: Wir glauben an den Gott, der die Macht hat und der die treue Liebe hat, den Tod zu überwinden.
    Am Kreuz wurde das bis ins Letzte hinein in Frage gestellt. Judas ist daran zerbrochen. Petrus hat sein Versagen erfahren. Der Jünger aber, den Jesus liebte, er hat mit den Frauen am Kreuz ausgeharrt. Die Auferstehung war noch jenseits dessen, was sie gehofft haben. Aber es gab etwas, das sie dennoch treu bleiben ließ.
  • Auf diese Treue kommt es an, wenn wir Ostern erfahren wollen. Es ist die Treue, die es wagt zu hoffen, wo keiner hofft, und zu Taten der Liebe wo es anderen vergeblich erscheint.. Es ist die Treue, die auch dort noch die Hand reicht, wo andere vor der Not die Augen verschließen, ihre Grenzen sichern und die schmerzhafte Wirklichkeit außen vor lassen wollen.
    Wenn wir die Bibel befragen, steht dort nicht, dass uns alles gelingen würde, dass wir alles schaffen und alles irgendwie wieder gut wird. Jesus ist wirklich und tatsächlich am Kreuz gestorben. Seine Auferstehung ist nicht eine Rückkehr in sein bisheriges Leben, die Wunden verheilen und er lebt glücklich bis .... - Die Auferstehung ist vielmehr das Zeugnis dafür, dass wir Gott an der Seite haben dort, wo wir an der treuen Liebe festhalten, auch wenn uns niemand verspricht, dass alles wieder gut werde.
  • Wer sich jedoch auf das Wagnis der Treue einlässt, wird merken, dass er mitten dabei ist, wenn all das geschieht, worauf die Heiligen Schriften deuten: An Jesus und seiner Treue entscheidet sich das Leben - denn ihn hat Gott bestätigt und von den Toten in die neue Wirklichkeit gerufen. Amen.