Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Pfingstmontag Lesejahr A 2017 (Johannes)

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5. Juni 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Nur ich selbst

  • Es reicht nicht aus, für nichts als sich selbst zu stehen. Das reicht nicht. Wer nur für sich selbst steht, steht letztlich für nichts. Jesus würde sagen: Ist wie Gras, das verdorrt und weggeworfen wird. Es reicht einfach nicht aus, um das zu sein, was du bist, wenn du nur für dich selbst stehst. Nur für dich selbst bist du nicht du selbst.
  • Es reicht nicht aus, sich zu engagieren. Als Kirchengemeinde sind wir äußerst froh darüber und darauf angewiesen, dass Leute sich engagieren. Aber das reicht nicht. Es kann sein, dass jemand sich den ganzen Tag in den tollsten ehrenamtlichen Engagements hingibt, und doch nur für nichts anderes steht als nur sich selbst. Während ein anderer, der zehn Minuten in einem Gebet vor Gottes Angesicht im Dunkel seiner Kammer ringt, seine ganze Existenz dran gegeben hat - und damit alles gefunden!
  • Ob jemand nur für sich selbst steht, ist nichts, was man messen oder gar von außen entscheiden kann. Und dennoch macht es den großen Unterschied, gerade nach außen hin. Vor allem, wenn wir versuchen Christen zu sein, macht es den ganzen Unterschied. Das nicht deswegen, weil Christen bessere Menschen wären, beileibe nicht. Vielmehr deswegen, weil wir unter dem Evangelium stehen: "Ihr sollt Zeugnis ablegen"!

2. Christus nicht für sich

  • Für den zweiten Pfingsttag hat die Kirche noch einmal ein Stück aus dem Johannesevangelium ausgewählt, wie es uns schon die ganze Zeit seit Ostern begleitet hat. Diese Kapitel sind das Vermächtnis Jesu an uns. Er, der sich darauf vorbereitet, in den Tod zu gehen, verheißt das Leben.
  • Das ist ein enger Zusammenhang. Denn was wir als Christen bekennen und worauf wir bauen, ist Christus, der nicht für sich selbst steht. Vielmehr macht das Jesus vom Anfang bis zum Ende aus, dass er der ist, der er ist, weil durch ihn ganz der Andere gegenwärtig wird: Gott, den er seinen und unseren Vater nennt.
  • Deswegen kann in Jesus sichtbar und erlebbar werden, was es bedeutet, ein individueller, unverwechselbarer Mensch zu sein, weil Jesus er selbst ist nur im Hören und Leben aus Gott. Viele Leute meinen religiös zu sein. Aber was sie sind, sind sie nur für ihre Familie oder nur für die Kirche oder nur für ihre Gemeinde oder Gruppe. Das ist fast noch schlimmer als der blanke Egoismus des Individuum, das nur für sich selbst steht. Denn die aufopferungsvolle Haltung gegenüber der Familie oder Gruppe gibt vor, nicht nur für sich selbst zu stehen - und tut es dennoch genau so.

3. Vertrauen in Gott

  • Das Pfingstfest sollte Gottes Heiligen Geist zum Zentrum haben. Er ist die Gegenwart Gottes, die Jesus den "Beistand" nennt, oder den "anderen Beistand". Auch diesen charakterisiert Jesus mit dem "nicht aus sich selbst heraus", wie Jesus auch nur aus Gott heraus gelebt hat.
  • Der Beistand des Heiligen Geistes vermag zweierlei: Er ist die Kraft aus Gott heraus, die uns frei macht, uns selbst los zu lassen. Er ist aber auch das Licht aus Gott, das uns spüren lässt, wo wir auch und gerade in der Kirche dennoch nur aus uns selbst leben und nur für uns selbst stehen. Das ist ganz merkwürdig: Man kann es nicht messen und nicht berechnen, man kann es von außen nicht entscheiden (über andere urteilen), und dennoch ist es (gerade in den Bereich außerhalb der Kirche hinein) ein spürbarer Unterschied. Wer ihn erfahren hat, wird genau wissen, wovon ich rede.
  • Es sind zwei wesentliche Übungen, die uns helfen, uns für diesen Geist zu öffnen. Die eine ist immer wieder das Gebet, der Lobpreis, der Dank, die Kontemplation. Die andere ist die beständige Übung, sich loszulassen, auf Arme zuzugehen, es aushalten, wenn wir um des Glaubens willen verlacht werden (... "sie werden euch ausstoßen", sagt Jesus), es aushalten, wenn wir für unsere Leistung nicht gelobt werden, und in der Gemeinde nicht den Ehrenplatz suchen. Statt dessen ist der Lohn dies: Dass wir hineinwachsen in ein Vertrauen in Gott. Je mehr wir dies tun, desto mehr stehen wir nicht mehr nur für uns selbst, sondern für seine Gegenwart - und werden dadurch mehr wir selbst, als wir selbst uns das je erträumen könnten. Amen.