Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Pfingsten 2014 (Apostelgeschichte)

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8. Juni 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Ohne Heiligen Geist nur Staub

  • Wer weiß schon was Pfingsten ist? In Umfragen können nicht einmal die Hälfte eine korrekte Antwort geben. - An Pfingsten, sagen wir, kam der Heilige Geist auf die Jünger herab; wir feiern die Entsendung des Heiligen Geistes. - Aber wenn der Heilige Geist erst an Pfingsten, beim Schawuot-Fest, dem jüdischen Wochenfest zur Zeit der Frühjahrsernte in Jerusalem vor zweitausend Jahren herab kam, gab es davor keinen Heiligen Geist? Hatten die Jünger bis dahin keinen Heiligen Geist?
  • Natürlich 'hatten' die Jünger davor schon den Heiligen Geist, soweit man den Geist Gottes überhaupt 'haben' kann, als wäre er ein verfügbarer Besitz. Denn der Heilige Geist ist die Lebenskraft Gottes in seiner Schöpfung. Ohne Heiligen Geist zerfällt alles zu leblosem Staub (Ps 104,29).
  • Es braucht also Heiligen Geist, um den Heiligen Geist empfangen zu können. Gott hat uns geschaffen und seinen Heiligen Geist als Lebensatem in uns gelegt. Atmen Sie nur einmal einige Augenblicke bewusst, und Ihnen wird klar, was ich meine. Weil wir atmen kann Gott in uns den Geist erwecken, ihn auf uns herab senden, ihn in uns mächtig werden lassen - oder wie auch immer wir versuchen das besondere an Pfingsten zu beschreiben.

2. Der Heilige Geist sendet

  • Der Heilige Geist ist immer und in allem da. Aber weder leben wir immer und in allem in Beziehung zu diesem Geist in uns, noch ermächtigt dieser Geist zu allem und jedem. Im Gegenteil ist es nur dann Gottes Geist, wenn es erkennbar auf der Linie Jesu ist.
    Man könnte sagen: Dazu ist Gott Mensch geworden, damit wir unterscheiden können, was Gottes Geist ist und was nicht. Deswegen braucht es die Vertrautheit mit Jesus. Die Apostelgeschichte schildert im ersten Kapitel, wie wichtig die Zeugenschaft derer ist, die den ganzen Weg Jesu vom Jordan an mit gegangen sind, die ihr eigenes Versagen angesichts des Kreuzes ebenso erfahren haben, wie die Auferstehung und Himmelfahrt.
  • Sie sind Zeugen Christi, von ihm zu Aposteln berufen, und werden durch den Heiligen Geist nun ermächtigt zu sprechen. Petrus spielte dabei offenbar von Anfang an eine besondere Rolle, denn an den drei Stellen in der Apostelgeschichte, an denen von dem besonderen Empfang des Heiligen Geistes die Rede ist - bei den Juden, den Samaritern und bei den Menschen aus vielen Völkern (den "Heiden") - ist jedes Mal Petrus dabei.
  • An Pfingsten feiern wir also als Kirche, genau dies: Im Zyklus der heiligen Liturgie und im Lesen der heiligen Schrift können/sollten wir vertraut werden mit Jesus Christus; dann sind wir und werden entsprechend befähigt, uns durch den Geist senden zu lassen. Die Verbundenheit mit Petrus steht dabei symbolisch dafür, dass nur die verbindliche Gemeinschaft der Kirche uns davor bewahren kann, Gott für uns selbst zu vereinnahmen und unseren eigenen Vogel für Gottes Geist zu nehmen.
    Die Rückbindung an die Kirche mit Petrus kann uns davor bewahren; sie tut es nicht immer und die Menschen im kirchlichen Amt müssen oft selbst vor dem Missbrauch des Amtes bewahrt werden. Die Kirche als Ganze aber, das ist ur-katholische Überzeugung, kann sich auf den Heiligen Geist verlassen, wo sie hinaus geht um das Evangelium zu verkünden.

3. Der Geist der Wahrheit

  • Jesus nennt im Evangelium den Heiligen Geist auch den "Geist der Wahrheit". Die Wahrheit besteht aus der Übereinstimmung der Geisterfahrung mit der Gegenwart Gottes in Jesus Christus. Jesus bestätigt damit das genannte Prinzip, dass die Sendung der Kirche aus der Vertrautheit mit ihm kommt: "Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden."
  • Die Vertrautheit kommt für uns aus der Feier und Meditation der Liturgie und aus dem Hören, dem Lesen und dem immer wieder Meditieren der Heiligen Schrift, der Bibel des Alten und des Neuen Testamentes. Wenn die Kirche sich erneuert, dann nicht durch irgendwelche Strukturen, nicht nur mediengerechte Päpste, nicht durch den Bischof oder Pfarrer, der alles anders macht, sondern durch eine im Heiligen Geist erneuerte Vertrautheit mit Christus. Alles andere kann nur daraus folgen.
  • Dazu gehört unabdingbar das, was Paulus "aus dem Geist leben" nennt. Denn zwar hat die Kirche an Pfingsten begonnen mit dem Wunder des geisterfüllten Sprechens und Verstehens. Aber wie die Apostel, wie ihre Zuhörer und so auch wir kann die Botschaft immer nur in dem Maß verstanden werden, wie wir sie in unserem Leben ausprobieren und leben. Das ist die "Wahrheit", die Jesus meint. Sie beweist sich nicht in der Theorie, sondern in der Praxis mutiger und treuer Liebe. Amen.