Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Taufe des Herrn 2012 (B Jesaja)

Zurück zur Übersicht von: Taufe des Herrn (A/B/C)

08.01.2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Kostenlos und großzügig

  • Vergangenen Sommer war ein Freund zu Besuch. Vormittags waren wir auf dem Großneumarkt. Gemüsehändler priesen schreiend ihre Waren an. Nachmittags waren wir an den Landungsbrücken; unüberhörbar die Rufe der Schiffer, die uns zu Hafenrundfahrt motivieren wollten. Selbst abends kamen wir an Stellen vorbei, wo laut Dienstleistungen und Schauwerte angepriesen wurden. Mein Freund meinte, wahrscheinlich müssten wir das am Kleinen Michel auch so machen: Vor der Kirche stehen und anpreisen, was hier zu bekommen ist. Und dann hinzusetzen: und das kostenlos!
  • Heute nun hören wir in den Worten des Propheten Jesaja Gott selbst auftreten, der wie ein orientalischer Händler anpreist: "Kauft Getreide, und esst, kommt und kauft ohne Geld, kauft Wein und Milch ohne Bezahlung!" Gott wirbt um uns, nicht um uns für Gemüse, Rundfahrten oder nackte Tatsachen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Gott wird vielmehr erfahren und vorgestellt als großzügig: "Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an leckeren Speisen."
  • Zwei falsche Gottesvorstellungen werden damit korrigiert.
  • Erstens die Vorstellung, Gott lasse sich seine Gnade teuer bezahlen, als brauche er unser Gebet, unsere Aufopferungen oder unsere Sühneleistung. Mag sein, dass Gebet und Opfer uns gut tun und sinnvoll sind, aber sicher nicht, weil Gott sie braucht. Damit wir leben können, ist Gott erfahrbar: "Neigt euer Ohr mir zu, und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben."
  • Leider gibt es aber auch die andere Erfahrung, Gott habe gar nichts zu bieten. Vielleicht steckt dahinter die engherzige Kleinlichkeit derer, denen Glaubenserfahrung anvertraut wurde, die sie selbst verkommen lassen und anderen vorenthalten.

2. Geschenk des Bundes

  • Die Lesung aus Jesaja wurde für das heutige Fest "Taufe des Herrn" ausgewählt, weil sie ein Licht auf die Taufe wirft. In ihr schenkt Gott Gemeinschaft unter keiner anderen Bedingung als der einen: diese Gemeinschaft anzunehmen und zu sagen: Ja, in diese Gemeinschaft hinein möchte ich getauft werden. Bei der Babytaufe sprechen die Eltern diesen Satz stellvertretend für ihr Kind. Hier kommt besonders zum Ausdruck, dass die Taufe nicht durch Leistung und nicht durch Geld zu erkaufen, sondern wie echte Liebe nur zu empfangen ist.
  • Die 'Taufe hinein in die Gemeinschaft mit Gott' ist immer zugleich die 'Taufe hinein in die Gemeinschaft des Bundes', den Gott mit einem Volk geschlossen hat. Der Satz: "Ich will einen ewigen Bund mit euch schließen", ist an eine bestimmte Gemeinschaft von Menschen und inmitten ihrer Lebensgeschichte gesprochen. Die Großzügigkeit Gottes ist kein leeres Postulat, sondern verwirklicht sich in der Gemeinschaft von Menschen, die berührt werden von der Erfahrung eines unendlich liebenden und nahen Gottes. Das ist die ganze Intimität einer Gotteserfahrung, die Menschen geschenkt wird. Gemeinschaft als Volk Gottes bedeutet zugleich, dass die Erfahrung des Einzelnen Maß nimmt an der Fülle der Erfahrungen, die das ganze Volk Gottes macht und gemacht hat, und die sich besonders in der Bibel widerspiegelt.
  • Volk Gottes steht im Gegensatz zu Menschenverein. Menschen machen sich ihre eigene Satzung und stehen immer in Gefahr, sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren. Natürlich ist die Kirche auch ein "Verein" von Menschen. Schließlich sind es Menschen, auf die sich Gott in der Taufe einlässt. Gerade manche neokonservativer Welle in den Kirchen derzeit scheint mir die Versuchung zu sein, die Kirchen zu einem engen Verein zu machen. (Der Trend findet sich auffällig in vielen Konfessionen.) Jesaja aber macht schon dem Volk Israel ganz deutlich, dass da ein Unterschied zu jedem Verein ist. Wenn und so lange wir auf Gott bezogen sind, wird alle Vereinsmeierei immer wieder durchbrochen: "Völker, die du nicht kennst, wirst du rufen; Völker, die dich nicht kennen, eilen zu dir," denn Gottes Gegenwart ist ein Geschenk, kein Besitz. Er ist nicht um Geld und Leistung zu erkaufen. Zugleich sagt Jesaja aber auch, wann und warum das Volk Gottes für andere Menschen und Völker interessant ist: "um des Herrn, deines Gottes, des Heiligen Israels willen, weil er dich herrlich gemacht hat."

3. Großzügig sein

  • Großzügig ist nicht verhuscht. Es gibt ein verhuschtes Christsein, dass sich nicht bewusst ist, wozu Gott uns berufen hat, und dass Gott wirklich ein Volk "herrlich gemacht" hat, Jesaja sagt. Die von Gott kommende Großzügigkeit weiß um ihren eigenen Reichtum und hält ihn nicht ängstlich fest. Verhuschte Christen wirken vielleicht bescheiden, weil sie doch nur sagen, dass sie auch nichts so genau wissen und niemanden nichts wollen. Jesaja aber tritt auf wie ein Hamburger Barkassenkapitän, nur dass die Reise, die er anbietet, nur kostenlos zu haben ist, und dass sie keine Rundfahrt ist, sondern ein Ziel hat. Gott selbst bietet diese Reise an.
  • Für mich ist Gebet und Gottesdienst eine Einübung in die göttliche Haltung der Großzügigkeit. Was wir hier feiern ist real und bewirkt etwas im Leben von Menschen. Und zugleich erinnert es uns immer daran, was Gott bei Jesaja sagt: "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege - Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken." Es ist also einerseits wirklich Gottes Wort und Gegenwart, die wir hier feiern und erfahren - und zugleich ist Gott weit mehr und sind Gottes Wege viel phantasievoller, als alles, was wir uns ausdenken.
  • So gehören das "Halleluja, du unser Gott" und das "Herr, ich bin nicht würdig" im Gottesdienst zusammen. Aus dieser Spannung kann die Großzügigkeit wachsen, die uns im Alltag so gut tun würde. Sie hat nichts mit Geld und Reichtum zu tun. Ich habe keinen Anlass zu vermuten, dass reiche Menschen großzügiger seien als arme - im Gegenteil. Herzlichkeit, Liebe, Wärme, wahre Herrlichkeit sind nur als Geschenk zu empfangen und nur als Geschenk zu geben. "Neigt euer Ohr mir zu, und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben." Amen.