Predigt zu Weihnachten am Tag 2011
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25.12.2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Weihnacht oder Geburtstag
- Deutsche wünschen sich eine frohe Weihnacht; dunkle Tannenwälder klingen da fast schon mit.
Engländer wünschen sich eine frohe Christmette, auch wenn sich an diesen Ursprung des Wortes
Christmas kaum mehr erinnert. Das spanische 'navidad' meint eigentlich die Geburt. Das wünschen
auch die Polen zum Fest: Alles Gute zum Geburtsfest - zum Geburtsfest Gottes!
- Die deutsche Weihnacht wird am stimmungsvollsten in der Nacht gefeiert, obwohl nach der
Heiligen Schrift nicht sicher ist, dass Jesus in der Nacht geboren worden wäre; nur die Nachtwache
der Hirten ließe darauf schließen, wenn sie sogleich nach der Geburt gekommen wären. Daher ist
es ganz in Ordnung, wenn wir jetzt, am Mittag des eigentlichen Weihnachtstages, festlich die
Geburt Jesu feiern. Alles Gute zum Geburtsfest - zum Geburtsfest Gottes!
- Wenn unsereins Geburtstag feiert, dann feiern wir ja genau genommen gar nicht die Geburt,
sondern den soundsovielten Jahrestag derselben. Wir freuen uns, dass wir noch so alt oder schon
so alt geworden sind (oder lassen uns vielleicht auch vom erreichten Alter verdrießen). Wir feiern
als die, die wir in dem nun erreichten Alter sind, einsam oder mit vielen Freunden, nachdenklich
oder doch meist ausgelassen fröhlich. Wir feiern als die, wie wir heute sind, und denken wohl
selten an diesem Tag an den kleinen Wurm, als der wir einst den Leib unserer Mutter verlassen
haben.
2. Geburtstag feiern
- Vielleicht sollten wir den Geburtstag Jesu mehr wie unseren eignen Geburtstag feiern: Nicht so
sehr auf den Augenblick der Geburt im Stall von Bethlehem fixiert, sondern all das feiernd, was
aus diesem Kind geworden ist.
- Es gibt es auch bei anderen Persönlichkeiten, dass selbst dann
noch Menschen ihren Geburtstag
feiern, wenn das Geburtstagskind schon nicht mehr auf Erden lebt. Dann
wird von der Erinnerung
gesprochen, die fortlebt, oder von dem bedeutenden Lebenswerk des
vielleicht schon vor Jahrhunderten Verblichenen. Es könnte sein, dass
das Geburtstagsfest Jesu dem manches Mal nahe
kommt, wenn denn die Weihnachtsfeier überhaupt mit der Geburt Jesu in
Verbindung gebracht
wird.
- Wenn es aber nicht das Geburtsgedenken irgend einer historischen Persönlichkeit ist, sondern das,
was in slawischen Sprachen gesagt wird, Geburtstag Gottes, dann greift Erinnerung und Gedenken
zu kurz. Dann hat dieses Geburtstagsfest mehr mit unserem eigenen Geburtstag zu tun, als mit dem
Gedenkgeburtstag eines Verstorbenen. Die Geburtstagsfeier Gottes in der Welt ist eng verbunden
mit meiner eigenen Geburtstagsfeier. Ich feiere nicht ein vergangenes Ereignis, sondern das, was
ich heute bin - ob nur mit Freude, oder auch mit Trauer, ob ausgelassen oder nachdenklich, ob mit
Freunden oder allein.
3. In Christus geboren
- Der Geburtstag Jesu liegt unserem voraus, nicht nur weil er in einer früheren Zeit gelebt hat. "Alles
ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist." Der Prolog
zum Johannesevangelium setzt nicht mit der Geburt Jesu auf Erden an, sondern greift weiter aus,
vor alle Zeit, über alle Zeit hinaus. Der im Stall in Raum und Zeit und in unserer Geschichte
Geborene ist zugleich der eine Gott, der sich in der Schöpfung mit seinem "Wort" ausgesprochen
hat.
- Deswegen spricht das "Nichts, was geworden ist" aus dem Evangelium ganz persönlich von jedem
einzelnen von uns. Im Anfang bereits steht das Wort, das uns umgreift, wie wir geworden sind:
heute an unserem Gottesgeburtstag, der irgendwie auch unser eigener Geburtstag ist.
- "Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er
kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf." Dies
ist tragisch. Wenn wir ihn nicht
aufnehmen, durch den wir geworden sind, dann nehmen wir uns letztlich
selbst nicht auf, die wir
geworden sind. Beides geht an Weihnachten in eins. Wir können uns auf
ein romantisch-verklärendes Fest beschränken, das mal besser, mal schlechter gelingt. Wir können aber auch diesen Tag
als unseren Geburtstag aus Gott feiern. So, wie wir die Heilige
Kommunion mit unseren geöffneten Händen empfangen, können wir ihn
empfangen und gegenwärtig werden lassen, der sich in
die Hände der Menschen gibt, weil er selbst Mensch wird - damals in
Betlehem und in seinen
Schwestern und Brüdern heute unter uns - und als der, durch den wir
selbst auch geworden sind.
- In unserer lutherischen Schwesterkirche, dem Großen Michel, hat Hauptpastor Röder heute in der Weihnachtspredigt an das Wort "Beichtspiegel" erinnert. Die Beichte, sagte Luther, ist die Rückkehr zur Taufe. Sie ist die Feier, in der wir in Beziehung treten zu unserem Geburtstag in Gott, der Taufe. Der Beichtspiegel aber verweist uns auf die, die wir heute sind - und auf die Gegenwart Gottes, der die Geburtsgnade in uns erneuert.
- Wir können unseren Geburtstag in seinem feiern. Dann werden wir erfahren und verstehen, dass
wir, mit unserem zeitgebundenen, zerbrechlichen, mal zu jungem, mal zu altem, mal frohen, mal
traurigen, immer aber realen Leben immer mit ihm verbunden sind: "Allen, die ihn aufnahmen,
gibt er Macht, Kinder Gottes zu werden". Amen.