Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Weihnachten in der Nacht 2004

Zurück zur Übersicht von: Weihnachten in der Nacht

24.12.2004 - Oberschwappach/Knetzgau

1. Wann Christus geboren wird

  • Wann nun genau wurde Jesus Christus geboren? Das Datum der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember wurde erst im 4. Jahrhundert nach Christi Geburt für diese Feier festgelegt. Das Lukasevangelium bietet uns zwar kein genaues Datum. Das Geburtsjahr lässt sich jedoch nach den Angaben der Bibel ungefähr erschließen, denn die Heilige Schrift lässt keinen Zweifel daran, dass es kein zeitloser Mythos, sondern ein Ereignis unserer Geschichte ist.
  • Lukas vermerkt, dass das menschgewordene Wort Gottes in Windeln gewickelt wurde. Auch hier ist dasAnliegen spürbar, mit dieser Notiz deutlich zu machen, wie konkret das Ereignis ist. Ich traue dem Arzt Lukas zu, aus Anschauung und Erfahrung zu wissen, was die spezifische Funktion von Windeln ist. Auch die Windeln des göttlichen Kindes mussten gewechselt werden.
  • Dennoch: Die Geburt von Betlehem ist noch nicht die Menschwerdung. Die Menschwerdung findet nicht an einem Tag zu einer Stunde nur statt. Die Stunde der Geburt ist vielmehr ein Schritt in der Menschwerdung. Diese beginnt bereits mit dem Wirken des Heiligen Geistes in der Jungfrau Maria. Diese findet statt, wenn Gott menschlichen Leib annimmt im Kind in der Krippe. Aber auch hier ist die Menschwerdung noch nicht zu Ende. Menschwerdung Gottes bedeutet, dass Gott als Mensch lebt, als Mensch wächst, als Mensch den Menschen begegnet - und als Mensch an der Geschichte der Menschen teilnimmt bis zum Tod am Kreuz.

2. Die Nacht der Menschwerdung

  • Weihnachten ist der Beginn in einem Menschen unter uns: Die Kirche feiert die Menschwerdung in der Nacht, zu der Zeit also, zu der es den Hirten auf dem Feld verkündet wurde. Denn in dem Licht, das die himmlischen Boten umstrahlt, drückt das Evangelium aus, was Weihnachten ist: Licht in der Nacht. Genauerhin: "Der Glanz des Herrn umstrahlte sie". Zwar ist es Nacht, aber Gottes Glanz umstrahlt uns, wenn wir hören, was in dieser Nacht geschieht.
  • Wer die Liturgie der Weihnacht feiert, erlebt selbst, was es bedeutet: Es ist Nacht. Vieles ist noch verhüllt, einiges nur in den Schein des Lichtes gehüllt. Dieses wenige aber ist für uns, die wir glauben, der Ansatzpunkt, hinauszugehen in das Ganze der Nacht.
  • Die Feier in der Nacht macht deutlich, dass Gottes Glanz selbst die ganze Welt erfüllt. Christus das Licht kommt in die Welt, Gott selbst wohnt in der Welt, bei den Hirten auf dem Feld, in jedem Grashalm, in der ganzen Schöpfung. Vom Stall von Betlehem her wird für die, die glauben, die ganze Welt verändert, weil in der Schöpfung der einen Leib angenommen hat, der von Anfang an will, dass alles in ihm wohnt. Nun wohnt er unabänderlich in uns.

3. Die Feier in der Nacht

  • In der Liturgie der Messe wird Gott Mensch. Heute Nacht wird Gott Mensch. Denn heute Nacht feiern wir die Hl. Messe, in der real sich ereignet, was Weihnachten ist. Indem wir den Leib des Herrn empfangen wird neu geschehen, woraufhin wir einst die Taufe empfangen haben: zusammen als Kirche Leib Christi zu sein. Verhüllt in der Dunkelheit der Nacht und doch von Gott her unbändig wirklich wird Christus geboren, wo wir das Brot des Lebens teilen und den Leib des Herrn empfangen.
  • Indem wir die Menschwerdung feiern, lassen wir uns hineinnehmen in Gottes Geheimnis. In der Taufe ist dies grundgelegt. In der Feier des Kirchenjahres dürfen wir nun teilnehmen an Gottes Menschwerdung, um selbst zu Menschen zu werden. In Taufe und Firmung haben wir den Heiligen Geist empfangen, um mit Christus geboren zu werden, mit ihm zu leben, mit ihm den Menschen zu begegnen, mit ihm teilzunehmen an der Geschichte der Menschen - und mit ihm zu sterben, einen Tod, der keine Macht mehr über uns hat, weil wir Christus an unserer Seite haben und mit ihm auferstehen. All das feiern wir in einer nächtlich Liturgie, weil wir wissen, dass diese Wirklichkeit noch verhüllt ist. Aber wir glauben, dass es die alles entscheidende Wirklichkeit ist.
  • Dieses Leben der Kirche, diesen Christus tragen Sie in sich, wenn Sie nach Hause gehen. Nicht nur das Brot wird in dieser Nacht zum Leib Christi. Wir, die wir miteinander die Christmette feiern, sind berufen und werden gesandt, mit Christus zu Menschen zu werden - zu Menschen nach Gottes Bild. In der Weihnacht beginnt die Menschwerdung. Verhüllt vom Dunkel der Nacht, unscheinbar in einem kleinen Kind in seinen Windeln. In der Weihnacht kann unsere Menschwerdung einen Neubeginn wagen. Verhüllt noch von vielen Unzulänglichkeiten, verhüllt gar durch Sünde. Und dennoch fällt auf unser Leben das Licht der Engel. Und dennoch wohnt Gott schon in unserem Leibe. Aus dieser Nacht kann Gottes Liebe erstrahlen und in unserem Leben sichtbar werden. Amen.