Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 1. Fastensonntag Lesejahr A 2011 (Matthäus)

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13. März 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gehorsam

  • "Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt." Und er lässt sich führen. In den ersten Worten des Abschnitts liegt ein Schlüssel zum Ganzen. Wird das überlesen, bleibt sicher genug Anregendes im heutigen Evangelium. Es könnte aber auch einiges falsch verstanden werden, etwa: 'Der tapfere Heroe Jesus entschließt sich in die Wüste zu gehen und dort mit den Dämonen zu kämpfen und wird als strahlender Sieger aus dem Kampf hervorgehen.'
  • Jesus hat sich nicht entschlossen, sondern wurde geführt. Das macht deswegen einen großen Unterschied, weil sonst verloren geht, was Nachfolge und Christsein bedeutet. Im Johannesevangelium hören wir Jesus betonen: "Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat." (Joh 4,34). Das bedeutet für uns als Christen, dass Gott Mensch geworden ist, damit wir Menschen in Einheit mit dem Willen Gottes leben können. "Weg mit dir, Satan!" ruft Jesus eben nicht nur dem Versucher in der Wüste zu, sondern auch dem Petrus, der ih,n davon abbringen will, den Weg zu gehen, den Gott ihn führt.
  • Für Jesus ist der Gehorsam gegenüber dem himmlischen Vater nicht Entfremdung, sondern Lebensinhalt. Denn dieser und letztlich nur dieser Gehorsam ist beides: Er wird in völliger Freiheit gewählt, und dieser Gehorsam führt zu dem, was das Beste in uns und für uns ist. Jeder andere Gehorsam gegenüber Menschen ist begrenzt, dient auch anderen Zwecken und Zielen als der Erfüllung meines Lebens. Jeder andere Gehorsam ist in der Gefahr, manipuliert zu werden. Nur hier, Gott gegenüber, darf sich der Wille hingeben.

2. Unterscheidung

  • Der zweite Satz des Evangeliums heißt: "Dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden." Führt der Heilige Geist Jesus in die Wüste, wie man eine Naschkatze quält, indem man sie in die Konditorei führt, um mal zu sehn, ob sie den Süßigkeiten widerstehen kann? Das wäre ein grausames Gottesbild und hätte nichts von dem einen wahren Gott verstanden, der sich in Israel und der Heiligen Schrift offenbart. Ja, es ist Gott, an dem unser Leben sich bewährt.
    In der Bibel bedeutet "in Versuchung führen" immer eine Erprobung, der Härtetest auf den Glauben. Das hat mit der verbreiteten Assoziation von "Versuchung" mit Naschhaftigkeit nur sehr indirekt zu tun. Vielmehr geht es bei Versuchung - schon im Paradies-Garten - um das Vertrauen des Menschen in Gottes Willen.
  • Damit erinnern wir uns an den ersten Satz des Abschnitts: "Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt." Wir Menschen finden unser Glück und unsere Erfüllung, wenn wir uns von Gott (und nur Gott) führen lassen. Daraus folgt die Notwendigkeit, unterscheiden zu lernen, was Gottes Wille ist, und was nicht.
    Jesus ist nicht der Halbgott, dem immer schon alles klar war. Jesus ist wahrer Gott und wahrer Mensch, so geht er seinen Weg als Mensch, suchend und fragend, und findet sein Ziel aus der tiefen Verbundenheit mit seinem göttlichen Vater. Dennoch - oder deswegen - finden wir Jesus immer wieder im Gebet, in dem er darum ringt, den Willen Gottes zu erkennen und ihn von der Versuchung zu unterscheiden.
  • Dabei macht das Evangelium deutlich, dass das eine wie das andere "fromm klingen" kann; der Satan zitiert auch die Bibel. Aber er sucht nicht Gottes Willen, sondern seine eigene Herrschaft ("Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest").

3. Führe uns nicht in Versuchung

  • Es wird oft klar sein, welcher Weg mehr dem Willen Gottes entspricht, welcher weniger. Die innere Gewissheit wächst in dem Maße, in dem ich mit Gott im Gespräch bin: Im Gebet, im Lesen der Heiligen Schrift und im Austausch mit der Glaubenserfahrung der Kirche. So werde ich mit Gott vertraut.
    Es gibt aber auch die Situationen, in denen das Falsche mir schmeichelt ("...wenn du Gottes Sohn bist"), und mein Vertrauen in Gott auf die Probe gestellt wird. Zwei Mal schlägt der Versucher Jesus vor, seine Gottes-Sohnschaft spektakulär auf die Probe zu stellen: Durch Brot und Wunder.
  • Bei der Versuchung geht nicht um etwas, das einfachhin deutlich "böse" wäre. Es scheint doch gut, den Menschen Brot zu geben. Es scheint doch gut, den Glauben der Menschen durch ein eindeutiges Zeichen zu stärken. Aber das Resultat wäre eine Beziehung, die sich durch Brot und Wunder Gehorsam erkauft, statt durch die freie Entscheidung der Liebe. Ebenso schien, "dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden". Aber dahinter steht die Loslösung von Gottes Willen, die immer in die Herrschaft des Menschen über den Menschen führt. Ohne das Vertrauen in Gott steht der Mensch nackt da und beginnt sich gegen den anderen zu bewaffnen.
  • Im Vater Unser beten wir: "Führe uns nicht in Versuchung". Wir dürfen Gott also darum bitten, dass uns die Erprobung unseres Glaubens erspart bleibt.
    Abraham wurde von Gott auf die Probe gestellt, in der Gestalt des Hiob schildert die Bibel diese erprobende Versuchung, von Gott abzufallen. Jesus wird nach dem Willen Gottes in Versuchung geführt. Der Blick darauf rechtfertigt die Bitte: Führe uns nicht in Versuchung, stell unseren Glauben nicht auf die Probe. Keiner, auch Jesus nicht, wünscht sich solche Situationen.
    Aber in einer Welt, in der das Böse nunmal noch präsent ist (daher die letzte Bitte "Erlöse uns von dem Bösen!"), braucht es Glauben, der auch gegen Widerstand fest steht. Es braucht das Vertrauen, das der Verlockung widersteht, Gewalt mit Gewalt, Manipulation mit Manipulation, Vorurteil mit Vorurteil etc. zu beantworten. Mit all dem dienen wir letztlich nur dem Satan. Gott aber will uns dienen. Er will, dass wir die Kraft zu dem einen Gehorsam finden, der erlöst und befreit. Dazu wird er jedem die Kraft geben. "Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm." Amen.