Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr A 2011 (Johannes)

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27. März 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Eine Hörhilfe zum Glaubensweg

  • Statt einer Predigt nach, gibt es heute eine "Hörhilfe" vor dem Evangelium. Alle drei Jahre wird an den drei letzten Sonntagen der Fastenzeit jeweils ein komplettes Kapitel aus dem Johannesevangelium gelesen. Jedes dieser Kapitel ist wie ein guter Schichtauflauf: Mehrere Lagen über einander. Jede hat ihren eigenen Charakter, aber sie durchdringen einander und geben zusammen ein nahrhaftes Kunstwerk.
  • Die Kapitel an den drei Sonntagen werden zusammen auf die Taufe in der Osternacht hinführen: Wasser, Licht und Leben sind die drei Stichworte, heute also: Wasser.
    In der Taufe werden auch dieses Jahr im Kleinen Michel Erwachsene von Gott in die Gemeinschaft mit Christus hinein genommen. Aber auch für die schon Getauften sind die Evangelien wertvoll: Wasser, Licht und Leben beschreiben, was Christus für uns ist.
  • Das Johannesevangelium ist zugegebenermaßen keine leichte Kost. Beim ersten Hören klingt vieles verwirrend, wohl auch beim zweiten und dritten. Das Evangelium will aber auch keine leichte Kost sein, sondern dazu einladen, im immer neuen Meditieren einen persönlichen Weg zu gehen und Christus tiefer zu begegnen. Die Anstrengung ist also gewollt, weil wir nicht mit Informationen abgefertigt werden, sondern eingeladen sind, aktiv unsere Beziehung zu Gott zu gestalten.

2. Eine Begegnung mit Folgen

  • Das heutige Evangelium greift eine Begegnung auf. Jesus ist auf dem Weg von Jerusalem in seine Heimat Galiläa und durchquert dabei Samarien. Die Samariter sind Israeliten, werden von den Juden aber als Ketzer angesehen, weil sie nicht den Tempel in Jerusalem als Ort der kultischen Gottesanbetung ansehen, sondern das Heiligtum auf dem Berg Garazim, der in Sichtweite des Brunnes liegt, an dem Jesus in der Mittagshitze Station macht. Die Jünger sind in den Ort gegangen, um Essen zu kaufen. Jesus ist allein, als er am Brunnen eine Frau trifft. Eine alltägliche, aber schwierige Begegnung: Juden und Samariter, eine einzelne Frau und ein einzelner Mann. Jesus spricht eine alltägliche, hier aber schwierige Bitte aus: "Gib mir zu trinken!". Die Frau reagiert mit Bedenken: Juden und Samariter, eine einzelne Frau und ein einzelner Mann? Das ist gegen Konventionen!
  • Jesus lässt solche Alltagssituationen zu Gottesbegegnungen werden. Er selbst wird den Satz sagen "Ich bin es!", der auf den Namen Gottes verweist: "Ich bin der 'Ich bin da'", hatte Gott sich am brennenden Dornbusch offenbart (Ex 3,14). Jesu eigener Durst und die Mühe der Frau, außerhalb des Ortes Wasser zu holen, sind Alltagssituationen. Jesus greift sie auf. Der Brunnen, von dem die Frau sagt es sei "unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben" hat, dieser Brunnen ist eine Gabe Gottes.
  • Diese erste Gabe, ein Brunnen in trockener Landschaft, ist schon im Alten Testament auch ein Symbol und eine Verheißung. In Jesus erfüllt sich die Gabe Gottes. Er gibt Wasser, ja, er selbst ist das Wasser, von dem er sagt: "Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben". Wie kann das sein? Weil dieses Wasser sich sozusagen in uns vermehrt: es wird im Menschen "zur sprudelnden Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt". Noch versteht es die Frau nicht. Aber bald wird sie den anderen Samaritern von ihrer Erfahrung mit Jesus berichten und damit das Wasser des Glaubens weiter geben. An ihr wird sichtbar, wie der Glauben zur "sprudelnden Quelle" wird. Sie bezeugt ihre Erfahrung, wie auch wir den Glauben von anderen empfangen haben. Die Frau gibt ihre Erfahrung weiter, und macht damit eigenständigen Glauben möglich: Die Leute werden sagen: "Nicht mehr aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt." Zu solchem eigenständigen Glauben, der sich doch anderen verdankt, sind auch wir berufen.
    Auch seinen Jüngern sagt Jesus dies: "Einer sät, und ein anderer erntet." Als Jünger sind wir gesandt, unsere eigene Glaubenserfahrung zu machen und die Botschaft "auszusäen". Gott wird schon dafür sorgen, dass dies "Frucht für das ewige Leben" trägt.

3. Im Geist und in der Wahrheit

  • Die erste Linie in diesem Evangelium ist also Gott, der uns lebendiges Wasser gibt und durch den wir für einander zur Quelle werden. Eine zweite Linie will ich anhand des Wortes ziehen, das im Johannesevangelium wichtig ist: Wahrheit. Die Frau bittet Jesus darum, dass er ihr das lebendige Wasser gibt, "damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen." Dabei denkt sie irgendwie noch an das natürliche Wasser und den Durst des Körpers. Jesus aber spricht sie auf ihr Leben an: "Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann". Dabei fällt auf, dass er das in keiner Weise vorwurfsvoll macht. Er kritisiert nicht. Er spricht nur die Wahrheit über ihren Lebensdurst und ihre Sehnsucht aus. In der Begegnung mit Gott, tritt diese Sehnsucht zu Tage. Der Durst nach Liebe ist die Wahrheit des Menschen. Daher antwortet die Frau "Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist."
  • Deswegen spricht die Frau nun das Thema an, das die ganze Zeit schon zwischen ihnen stand: Der Streit zwischen Juden und Samaritern, ob Jerusalem oder der Garazim der richtige Ort ist, an dem Israel Gott verehren soll. Jesus tritt einerseits für Jerusalem ein. Dorthin ist er gepilgert. Dort wird "seine Stunde" kommen, in der er am Kreuz den Tod besiegt. "Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit." Diese Stunde - der Karfreitag - wird kommen. In Jesus ist sie schon da. Jeder Unterschied zwischen diesem Tempel und einem anderen wird dadurch relativiert, weil Gott Juden, Samaritern und Heiden vom Kreuz her seinen Heiligen Geist schenken wird. Wo im Heiligen Geist Gottesdienst gefeiert wird, dort sind die "wahren Beter". Sie beten "in der Wahrheit" an, wo Gottes Wahrheit offenbar wird: in Jesus Christus.
  • In der Taufe werden wir in diese Wahrheit Gottes hineingenommen. Gott hat sich in Christus gezeigt, wie er ist. "Er ist wirklich der Retter der Welt", weil in ihm die Liebe offenbar wird. Von dieser Wahrheit werden wir nach dem Evangelium singen: Wo das Geheimnis lebt, Geborgenheit uns umfängt, wo wir des Vaters Kinder sind, da ist Gott jedem nah, ist, wo der Dornbusch brennt, wo unsere Wüste lebt, ist, wo wir seinen Namen hörn: Ich bin der »Ich bin da« (Lied "Da, wo ein Brunnen fließt" von P. Michael Hermes OSB).
  • Hören wir jetzt das Evangelium. Lassen wir unsere eigene Sehnsucht sprechen. Wie die Wächter auf den Morgen sehnen wir uns nach dem lebendigen Wasser. Allein in Christus ist Erlösung.