Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Fastensonntag Lesejahr C 2016 (Jesaja)

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13. März 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

Zoomania (2016) ist die Geschichte einer Welt und einer Stadt, in der keine Menschen vorkommen, sondern nur in ihrer großen Verschiedenheit Tiere aller Arten. Gerade dadurch wird dieser Zeichentrick-Film zur Vision einer Menschenwelt, in der wir einander nicht auf Rasse und Rollen festlegen, weder den Fuchs, noch den Hasen - noch nicht einmal das Unschuldslamm. Eine filmische Zoo-Utopie (im Originaltitel klingt das an), die gut zu der Vision des Jesaja-Buches der Bibel passt.

1. Es ist, was es ist

  • A rose is a rose is a rose. Und ein Schakal ist ein Schakal ist ein Schakal und ein Strauß ist ein Strauß ist ein Strauß. Und ein Hase ist ein Hase ist ein Hase und ein Fuchs ist ein Fuchs ist ein Fuchs. Sie merken: Das wird langweilig. Und es ist zugleich nicht wahr.
  • Denn auch eine Ehebrecherin ist nicht eine Ehebrecherin ist nicht einfach eine Ehebrecherin - und all das, was im Kopf mitläuft, wenn das Wort genannt und ein Mensch darauf reduziert wird. Doch es ist nicht einfach nur, dass wir unsere Bilder im Kopf festgezurrt haben und ein Etikett vergeben. Es ist viel mehr. Nicht nur die Wahrnehmung, die Realität selbst kann sich verändern. Das meint der Prophet im Jesaja-Buch im Alten Testament: "Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?"
  • Wir werden unfähig, das Neue zu sehen, das Gott schafft, wenn wir alles festlegen auf das, was wir schon immer wussten oder zu wissen meinten. Nicht einfach nur, dass wir neu hinsehen müssen, um etwas zu sehen, was wir bisher übersehen haben; das auch. Aber noch viel mehr, wenn wir an Gott glauben wollen: Offen sein dafür, dass Gott etwas wirklich neu schaffen kann. Mit neuer Realität rechnen. Sonst wird uns Ostern immer unverständlich bleiben.

2. Eine trostlose Zeit

  • Wir kennen den Namen des Propheten nicht, auf den die Erste Lesung zurück geht. Er steht in der Tradition des Propheten Jesaja. Seine Verkündigung (und die anderer) wurde als Frucht der Verkündigung des Jesaja gesehen und daher im selben biblischen Buch zusammengefasst.
  • Dieser Prophet spricht zu Menschen, denen all das genommen wurde, was ihre religiöse, politische und kulturelle Identität war: Aus ihrem Land sind sie verschleppt worden, ihr Tempel ist zerstört, ebenso die ganze Stadt Jerusalem. Ihr Staat und ihre Kirche sind zerschlagen. Sie leben im Ausland, in Babylon. Es ist alles zu Ende, zu Ende, zu Ende. Alles Wüste, Wüste, Wüste.
  • Vielleicht ist es kein Zufall, dass in solcher trostlosen Zeit das Neue sichtbar wird. Solange das Alte noch irgendwie funktioniert, halten wir an unseren Illusionen fest und wollen keine Veränderung. Alles soll bleiben, wie es ist. Das Neue hat es da schwer. Wenn aber nichts mehr darüber hinwegtäuschen kann, dass das Alte nicht mehr das ist, was wir meinten? Das meint der Prophet: "Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten."

3. Offen für das Neue

  • Das Bild ist die Wüste, die sich aus lebensfeindlichem, dürren Land verwandeln wird, denn so spricht Gott: "Ich lasse in der Steppe Wasser fließen und Ströme in der Wüste". Und hier kommen auch Schakal und Strauß ins Spiel, denn sie waren in Arabien die Wüstentiere, fremd, bedrohlich, chaotisch. - Doch genau von ihnen verheißt Gott: "Die wilden Tiere werden mich preisen, die Schakale und Strauße".
  • Nichts scheint die Verheißung Gottes so anschaulich zu machen, wie dass Tiere über das hinaus wachsen, was ihre unabänderliche Festlegung zu sein scheint: Schakal und Strauß, die unberechenbaren Chaostiere der Wüste; Lamm und Löwe, deren Rollenverteilung in Raubtier und Opfer festzuliegen scheint. Vielleicht ist es deswegen, dass wir auch Menschen mit Tiernamen belegen, wenn wir ihre Rollen festschreiben: ängstliche Hasen, verschlagene Füchse. - Doch genau an dieser Tierwelt mit unabänderlicher DNA soll deutlich werden: Gott, der diese Welt geschaffen hat, wird diese Schöpfung auch über sich hinaus führen. Die Vision der Welt, in der Löwe und Lamm friedlich bei einander sind, ist das Bild der Hoffnung. Der Löwe wird das Lamm nicht reißen - und umgekehrt übrigens auch nicht.
  • Verheißen ist all dies den Menschen, die sich auf Gott und seine neue Welt einlassen. Wer nur das Alte gelten lässt, für den wird Wüste Wüste bleiben. Doch Gott spricht: "Ich lasse in der Steppe Wasser fließen und Ströme in der Wüste, um mein Volk, mein erwähltes, zu tränken."
    Wenn wir heute ein Menschenkind taufen, wird offenbar, dass es Kind Gottes ist. Gott sagt ja zu uns. Im Ritus des Wassers sagen wir Ja zu diesem Ja. Wo immer wir im Vertrauen darauf über uns selbst hinauswachsen, aufhören einander Raubtier zu sein, und beginnen, im Ausblick auf Gottes Verheißung zu leben und zu lieben - dort können wir etwas von der neuen Welt ahnen, in die Christus uns am Osterfest seiner Auferstehung vom Kreuzestod vorangeht. Amen.